Dieses Jahr feiern Russland und Serbien ein bedeutendes Datum, den 180. Jahrestag seit der Aufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen. Am 23. Februar 1838 hat der serbische Fürst Miloš Obrenović in seiner Residenz in Kragujevac den ersten russischen Konsul, Gerasim Wassiljewitsch Waschenko, empfangen.
Dieses Ereignis hat ein neues Kapitel in der jahrhundertlangen gemeinsamen Geschichte zweier echter Brudervölker aufgeschlagen, die durch gemeinsame kulturelle und zivilisatorische Wurzeln, durch die geistige Verwandtschaft vereint sind. Der Austausch zwischen unseren Ländern geht, ohne es zu übertreiben, über die allgemein üblichen Rahmen zwischenstaatlicher Beziehungen hinaus. Noch im zwölften Jahrhundert wurde der zukünftige Gründer der Serbisch- Orthodoxen Kirche Rastko Nemanjić im russischen Kloster des Heiligen Pantaleon auf dem Berg Athos zum Mönch geschoren. In der schwierigsten Zeit für Russland, der Mongolischen Invasion, haben die serbischen Führungskräfte diesen Palast der Orthodoxie wie auch viele andere unterstützt.
Die Eröffnung des russischen Konsulats fiel mit der für das damalige serbische Fürstentum wichtigsten Entstehungszeit der eigenen Staatlichkeit zusammen. Der Frieden von Adrianopel nach dem Ende des Russisch-Türkischen Krieges in den Jahren 1828 bis 1829 sah die Gewährleistung einer Autonomie für jene Länder vor, die im Zuge des Ersten Serbischen Aufstandes zwischen 1804 und 1813 befreit wurden. Die Politik des Imperators Nikolai I ermöglichte es, dies in die Praxis umzusetzen. Die von Russland erbrachte Hilfe beim Staatsaufbau, bei der Gestaltung von Verfassungsgrundlagen und bei der Bildung einer kampffähigen Armee trug zur endgültigen Befreiung der serbischen Gebiete bei.
In Serbien und Russland wird die Erinnerung an die tausenden russischen Freiwilligen aufrechterhalten, die im Serbisch-Osmanischen Krieg zwischen 1876 und 1877 mit den slawischen Brüdern Schulter an Schulter hingebungsvoll gekämpft haben. Der Name des Generals Michail Grigorjewitsch Tschernjajew, der die serbische Armee in dieser schwierigen Zeit leitete, des Oberst Nikolai Rajewski, der in der Schlacht bei Gornji Adrovac fiel sowie Namen anderer Helden sind mit Goldbuchstaben in die russisch-serbische Chronik eingeschrieben. Ein Jahr später erhielt Serbien seine langersehnte Unabhängigkeit.
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Das 20. Jahrhundert - kein einfaches Jahr für unsere Staaten – wurde in vielerlei Hinsicht zu einer Bewährungsprobe für die russisch-serbische Freundschaft. Die Epoche von globalen Erschütterungen und grundlegenden Veränderungen hat unsere beiden Länder betroffen, wir haben Vieles erlebt. Und auch die bilateralen Beziehungen waren keine Ausnahme. Doch auch in Zeiten von ideologischen Widersprüchen blieb die Bereitschaft, einander zu helfen, sowie die aufrechten Gefühle von gegenseitigem Respekt und Sympathie, die durch das Erbe der Vorfahren gefestigt wurden, unverändert.
Seinerzeit, im 18. Jahrhundert unter Peter dem Großen und Jelisaweta Petrowna, hat Russland seine Türen für serbische Einwanderer geöffnet, von denen viele ihre Spuren in der russischen Geschichte hinterließen: Zum Beispiel die Generäle M. A. Miloradowitsch, G. A. Emmanuel, I. G. Schevitsch, N. I. Depreradovič, I. M. Duka und andere eminente Feldherren, die an den Schlachten gegen Napoleon teilgenommen haben. Nach der Revolution von 1917 und den tragischen Ereignissen des Bürgerkrieges hat König Alexander I. Karađorđević Zehntausende von russischen Emigranten beherbergt, die ihre Heimat verlassen mussten. Für viele von ihnen wurde das serbische Land zur zweiten Heimat und ermöglichte ihnen, sich auf intellektuelle und kreative Weise zu verwirklichen.
Die Russen hatten die Möglichkeit, eigene Schulen, Krankenhäuser, Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen zu eröffnen, und das Recht, den Staats- und Militärdienst aufzunehmen, was viele auch genutzt haben. Die russische Gemeinschaft hat einen wesentlichen Beitrag in der Entwicklung der serbischen Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Kunst geleistet. In Belgrad ist beispielsweise der Name des Nikolai Krasnow, eines berühmten Architekten, der für das moderne Aussehen der Stadt viel gemacht hat, vielen ein Begriff. Erwähnenswert sind auch der Metropolit A. P. Chrapowitzkij, der Byzantinologe G. A. Ignatowskij, die Balletttänzerin N. W. Kirsanowa und viele andere.
Zwei internationale Konflikte, infolge derer unsere Völker enorme Verluste erlitten, demonstrierten viele lebhafte Beispiele für die Brüderlichkeit hinsichtlich der Waffen, viele Opfer, die auf den Siegesaltar geopfert wurden. In Serbien erinnert man sich noch immer an den Kaiser Nikolaus II, der sein Volk entschlossen verteidigte. In Russland ist man den serbischen Freunden für die sorgfältige Behandlung der Erinnerung an die Kämpfer, die bei der Belgrad-Schlacht und bei der Befreiung Jugoslawiens während des Zweiten Weltkriegs gefallen sind, aufrichtig dankbar. Die Heldentaten unserer Väter, Großväter und Urgroßväter, die ihr Leben für die Freiheit des gesamten Europas geopfert haben, bleiben immer ein Symbol von Tapferkeit, Heldentum und des selbstlosen Dienstes gegenüber dem Vaterland.
Im Jahr 1999 haben die Beziehungen zwischen unseren Ländern eine weitere Bewährungsprobe bestanden. Als Ergebnis unserer gemeinsamen Bemühungen wurde die NATO-Aggression gegen die Bundesrepublik Jugoslawien gestoppt, der Konflikt rund um Kosovo wurde in Richtung einer politischen Regulierung geleitet, die durch die Verabschiedung der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates gewährleistet wurde. Sie sichert die Souveränität Serbiens hinsichtlich des Gebietes. Und bis zum heutigen Tag verteidigen wir die legitimen Rechte Serbiens in Bezug auf Kosovo, indem wir uns an das Völkerrecht anlehnen.
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Zum heutigen Zeitpunkt haben die Beziehungen zwischen unseren Ländern eine neue strategische Partnerschaftsebene erreicht, was in der entsprechenden Erklärung über die strategische Partnerschaft, die von den Präsidenten Russlands und Serbiens im Mai 2013 in Sotschi unterzeichnet wurde, verankert ist. Der politische Dialog entwickelt sich dynamisch in einer Atmosphäre des Vertrauens und des gegenseitigen Verständnisses – sowohl auf Arbeitsebene als auch auf höchster Ebene. Im Dezember 2017 ist der Besuch des Präsidenten A. Vučić in Russland erfolgreich verlaufen. Die interparlamentarische Zusammenarbeit kommt voran, ein wichtiger Antrieb dafür waren die Serbien-Besuche des Vorstandes des Föderationsrates W. I. Matwijenko im November 2017 und des Vorstandes der Staatsduma W. W. Wolodina im Juni 2017. Die inhaltsvollen Kontakte werden auch entlang der außenpolitischen Behörden vertieft.
Mit Freude stellen wir die positive Dynamik der handelswirtschaftlichen und der militärtechnischen Verbindungen fest, die erfolgreiche Umsetzung gemeinsamer Projekte im Bereich der Energie, des Verkehrs, der Kultur. Eine solide vertragsrechtliche Grundlage der russisch-serbischen Beziehungen ist entwickelt, die sich nachhaltig ausdehnt.
Unsere Länder führen eine selbstständige, pragmatische und ausgewogene Innenpolitik auf der Grundlage ihren nationalen Interessen durch. Dabei unterstützen wir bedingungslos die Einhaltung der in der UNO-Charta festgelegten Grundprinzipien der internationalen Beziehungen, wie die souveräne Gleichheit der Staaten, die Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten und die friedliche Beilegung von Streitigkeiten. Wir setzen uns für die Überwindung von wichtigsten Herausforderungen und gegenwärtigen Gefahren ein, indem wir uns stark an das Völkerrecht anlehnen.
Ein besonderes Merkmal unserer Zusammenarbeit ist der Respekt der Wahl und die Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen. Moskau und Belgrad sind Gegner der fehlerhaften Praxis „mit uns oder gegen uns“, die bereits zu verstärktem Misstrauen und der Instabilität auf dem europäischen Kontinent führte.
Heute stehen uns großangelegte Aufgaben zur Entdeckung eines wahrlich unerschöpflichen Potentials der russisch-serbischen Partnerschaft bevor. Wir sind uns sicher, dass alle erforderlichen Voraussetzungen für deren Erfüllung vorhanden sind. Die wichtigsten Voraussetzungen sind die jahrhundertelang geprüften Traditionen der Freundschaft und des Vertrauens. Wir werden diese auch weiterhin mit allen Mitteln pflegen, zum Wohle der derzeitigen und der zukünftigen Bürgergenerationen unserer Länder.
S. Lawrow
I. Dačić
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