Einem geleakten Geheimdienstbericht aus Israel zufolge, den das dortige Außenministerium Premierminister Benjamin Netanjahu und dessen Kabinett vorgelegt hatte, sei die Führung im Iran zwar von der Protestwelle überrascht worden, die seit mehreren Tagen das Land erschüttert. Von einem herannahenden Sturz der Regierung in Teheran sei jedoch nicht auszugehen - zumindest nicht in naher Zukunft.
Auf der Plattform Axios.com schreibt der Journalist Barak Ravid vom israelischen Kanal 10:
Das große Bild zeigt folgendes: Der Bericht des israelischen Außenministeriums sagt aus, dass das iranische Regime von den Massenprotesten überrascht wurde und nun versucht, diese durch präventive Festnahmen und ein massives Vorgehen in sozialen Medien einzuhegen - während es versucht, eine gewalttätige Antwort auf die Proteste zu vermeiden.
Ravid berichtet weiter, dass der Bericht von einer Veränderung im Charakter der Proteste ausgeht und diese anfänglich ökonomische Forderungen im Fokus hatten. Zunehmend sei jedoch Kritik an der Haushalts- und Außenpolitik der Regierung stärker in den Mittelpunkt gerückt, am Ende hätten sich auch Kräfte an den Demonstrationen beteiligt, die einen grundlegenden Systemwechsel in der Islamischen Republik beabsichtigten:
Die iranischen Proteste entzündeten sich an wirtschaftlichen Fragen, aber nahmen sehr schnell eine politische und gewalttätige Wendung, wobei auch harsche Kritik am Regime infolge der Regierungsausgaben für Syrien, Libanon und den Jemen laut wurde.
Breitbart: "Obama hat das Regime in Teheran gestärkt"
Das rechtskonservative US-Nachrichtenportal Breitbart News macht die Politik des früheren US-Präsidenten Barack Obama dafür verantwortlich, dass die Regierung, wie das Portal konstatiert, heute fester im Sattel sitze als während der Protestwelle 2009. Im Unterschied zu damals seien die Proteste den vorliegenden Berichten zufolge jedoch weiterverbreitet.
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Auch deuten Berichte darauf hin, dass im Unterschied zu den Protesten der so genannten Grünen Revolution im Sommer 2009 Studenten und Jugendliche aus der urbanen Oberschicht - ein umstrittener deutscher Publizist verhöhnte die Demonstranten damals als "Discomiezen, Teheraner Drogenjunkies und […] Strichjungen des Finanzkapitals" - diesmal nur einen recht kleinen Teil der Protestbewegung ausmachen, die von Provinzstädten ihren Ausgang genommen haben soll.
Die Regierung in Teheran hat nach Angaben aus den USA Milliarden an US-Dollar für Engagements außerhalb der eigenen Landesgrenzen ausgegeben. Ein erheblicher Teil davon sei auch bewaffneten Gruppierungen wie Hisbollah, Hamas oder den Huthi-Rebellen zugekommen, die in mehreren Ländern als terroristische Organisationen eingestuft sind.
Dies, so Breitbart, sei die Wurzel einer weit verbreiteten Unzufriedenheit in der iranischen Bevölkerung in einer Situation, da sich die Wirtschaft des Landes immer noch nicht vollständig von den Sanktionen erholt habe, die infolge des so genannten 5+1-Abkommens von 2015 über das Atomprogramm des Landes schrittweise gelockert werden sollten. Zudem sei die wirtschaftliche Situation im Iran von einem starken Einfluss des Staates und auch des Militärs gekennzeichnet, was Korruption und Missmanagement begünstigt habe.
Protestbewegung 2009 war Angelegenheit urbaner Oberschicht
Im Sommer 2009 waren Vorwürfe eines angeblichen Wahlbetrugs der Ausgangspunkt einer Welle von Protesten. Den offiziellen Ergebnissen zufolge hatte damals der als Hardliner geltende Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad mit landesweit 63,1 Prozent die Präsidentschaftswahlen im Juni des Jahres gewonnen, wobei nur in drei Provinzen einer der Gegenkandidaten die Stimmenmehrheit erlangte.
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Drastische Sprünge im Wahlergebnis gegenüber 2005 in vier Provinzen galten Gegnern Ahmadinedschads als Indizien für Unregelmäßigkeiten. Die Proteste hielten damals über mehrere Wochen hinweg an, allerdings beschränkten sie sich weitgehend auf Teheran und einige größere Städte.
Im Jahr 2009 sind nach Angaben der Opposition 72 Menschen, nach jenen der Regierung 36 im Zusammenhang mit den Unruhen ums Leben gekommen. Die meisten der Festgenommenen, mehrere tausend sollen es gewesen sein, sind nach offiziellen Angaben zeitnah auf freien Fuß gesetzt worden, die Opposition jedoch erklärt, es seien einige Beteiligte immer noch inhaftiert, von mehreren fehle gar jede Spur.
USA und Israel solidarisch mit Protesten - EU schweigt
Auch im Zusammenhang mit den aktuellen Protesten soll die Zahl der Toten bereits deutlich im zweistelligen Bereich liegen. Eine weitere Eskalation der Gewalt und ein intensiveres Ausmaß der Zusammenstöße könne jedoch die Legitimität und die Zuversicht der Regierung unterminieren.
US-Präsident Donald Trump und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu haben sich in Ansprachen und Videobotschaften mit der Protestbewegung solidarisiert. Netanjahu wies die iranische Darstellung, wonach sein Land die Proteste anstachle, als "lächerlich" zurück und erklärte:
Anders als die Führung in Teheran werde ich das iranische Volk nicht beleidigen. Die Menschen verdienen einfach Besseres.
Die Europäische Union hält sich bis dato mit Blick auf die Lage im Iran weitgehend bedeckt.