USA sprechen mit China über Gefahren und ethische Grenzen der KI

Während die USA bereits F-16 Jets mit künstlicher Intelligenz testen, führen sie in Genf Gespräche mit China über die Gefahren und die ethischen Grenzen der KI. China sieht in dem Dialog eine Möglichkeit, Missverständnisse auszuräumen, Gefahren zu vermeiden und dem wissenschaftlichen Austausch einen Weg zu ebnen.

Von Maria Müller

Vertreter der USA und Chinas führen seit dem 14. Mai in Genf Gespräche über den Umgang mit der künstlichen Intelligenz (KI) sowie über Wege der Risikokontrolle. Beide Seiten sind sich der Vor- und Nachteile der neuen Technologie bewusst und sehen den Einsatz von KI vor allem in der gegnerischen Waffenproduktion mit Sorge. China versteht das Dialogtreffen als positive Möglichkeit, Missverständnisse auszuräumen, Gefahren zu vermeiden und dem wissenschaftlichen Austausch einen Weg zu ebnen. Die bislang in diesem Technologiebereich aggressiv eingesetzten Sanktionen der USA gegen China werden in Peking als "selbst auferlegter Zwang durch Protektionismus" betrachtet. 

Die Vereinigten Staaten sehen sich in einer komplizierten Lage. Im Verlauf des Krieges in der Ukraine stellt sich ihre technologische Unterlegenheit gegenüber den russischen Fähigkeiten bei der elektronischen Kriegsführung immer deutlicher heraus. Sie erleben die verletzliche Abhängigkeit ihrer Waffensysteme vom satellitengesteuerten Ortungs- und Navigationssystem GPS. Die von der russischen Elektronik verursachte Desorientierung ihrer Raketen, Drohnen und Panzer stellt inzwischen deren Wirksamkeit infrage. Von US-Militärexperten wird selbstkritisch angedeutet, man habe diesen Bereich seit zwanzig Jahren nicht genügend bearbeitet.

Auswege werden gesucht, um den gegnerischen Vorsprung zu umgehen – die Satellitenverbindung der US-Waffen soll, wenn möglich, durch Steuerungen der künstlichen Intelligenz ersetzt werden. Bereits im September 2023 haben erste Versuche der US-Luftwaffe mit einem atomwaffenfähigen F-16-Bomber stattgefunden. Dabei lernte die KI "schneller als erwartet" eine schwierige Wegstrecke zu meistern, wie US-Militärs berichteten.

Doch die womöglich unkontrollierbaren Gefahren der "künstlichen Intelligenz" veranlassen die Regierungen, katastrophale Unfälle und unbeabsichtigte Kriege inmitten eines Wettrüstens um die aufkommende Technologie zu verhindern.

"Wir konzentrieren uns darauf, wie beide Seiten hier Risiko und Sicherheit definieren", sagte ein hochrangiger Beamter der Biden-Regierung letzte Woche gegenüber Reportern unter der Bedingung der Anonymität.

Seth Center, der stellvertretende Gesandte des US-Außenministeriums für kritische und neue Technologien, und Tarun Chabra, leitender Direktor für Technologie und nationale Sicherheit beim Nationalen Sicherheitsrat, leiten die US-Delegation in Genf.

China wird durch hohe Beamte des Außenministeriums und der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission des Landes vertreten. Das Treffen soll bei der Begegnung zwischen Präsident Xi Jinping und Präsident Joe Biden im November 2023 vereinbart worden sein.

Beide Delegationen gingen mit einer unterschiedlichen Haltung nach Genf, die der Außenpolitik ihrer Regierungen entspricht.

Liu Wei, Direktor des Labors für Mensch-Maschine-Interaktion und kognitive Technik an der Universität für Post und Telekommunikation Peking, sagte gegenüber der chinesischen Zeitung Global Times am Dienstag:

"Der Dialog ist positiv, da er die beiden Länder dazu anregt, einander besser zu verstehen, gegenseitige Missverständnisse auszuräumen und wachsende Meinungsverschiedenheiten abzumildern."

Liu erklärte, China sei sogar zur Zusammenarbeit in gemeinsamen Forschungsprojekten sowie zu Talent- und Datenaustausch bereit.

Lü Xiang, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, sagte gegenüber der Presse, dass China im Bereich der KI eine offene Haltung gegenüber der Zusammenarbeit mit anderen Ländern, einschließlich der USA, zur Förderung globaler Interessen in der Technologieentwicklung beibehalten habe. Und er fügte hinzu:

"Man erwartet, dass China bei den hochrangigen Gesprächen seine offene Haltung zur Zusammenarbeit bekräftigen und die USA auffordern wird, ihre selbst auferlegten Zwänge des technologischen Protektionismus aufzugeben." 

Die Biden-Regierung verhängte im Oktober Sanktionen gegen China, die darauf abzielten, die KI-Entwicklung des Landes vor allem durch ein US-Exportverbot von modernen, leistungsstarken Computerchips zu bremsen. Außerdem hat Präsident Biden in den USA ein Verbot der weltweit beliebten Videoplattform TikTok verfügt.

Laut der Agentur Reuters sagte ein US-Beamter im Vorfeld des Treffens:

"Um es ganz klar zu sagen: Bei den Gesprächen mit Peking geht es nicht um die Förderung irgendeiner Form der technischen Zusammenarbeit oder um die Zusammenarbeit bei der Pionierforschung in irgendeinem Bereich. Und unsere Richtlinien zum Technologieschutz stehen nicht zur Verhandlung."

US-Beamte äußerten sich gegenüber der Zeitung Washington Post dahingehend, dass sie keine gemeinsame Erklärung für die Öffentlichkeit erwarten. Es genüge, dass man Gespräche eröffne, einen Dialog beginne und eine weitere Kommunikation zwischen den Mächten aufrechterhalte. Man strebe keine Zusammenarbeit mit China bei der KI-Forschung an.

Laut chinesischen Experten sollte die Zusammenkunft genutzt werden, um internationale Rahmenbedingungen für die Nutzung der künstlichen Intelligenz zu erarbeiten. Eine Reihe von wichtigen Themen sei anzusprechen, darunter der Datenaustausch und der Schutz der Privatsphäre, ethische und rechtliche Fragen, die Beziehung zwischen Mensch und Maschine sowie internationale Themen.

Die Washington Post zitiert die US-Wissenschaftler Graham Webster und Ryan Hass, wonach diese Gespräche zu einem besseren gemeinsamen Verständnis darüber führen könnten, was eine zulässige militärische Nutzung von KI ausmacht, und zu Vereinbarungen darüber, welche Arten von Daten für das Training von KI-Modellen grenzüberschreitend ausgetauscht werden können.

Die Systeme der künstlichen Intelligenz sichten innerhalb von Sekunden mehr Rohdaten als es ein Mensch im Laufe seines Lebens könnte. Sie würden in chaotischen Gefechtssituationen komplexe Entscheidungen treffen, die die menschlichen Fähigkeiten übersteigen. Deswegen sollte es vorrangig sein, zu verhindern, dass der faktische Kalte Krieg durch ein KI-Missgeschick oder durch menschliches Versagen eskaliert. Denn militärische Unfälle aufgrund von Fehlfunktionen automatisierter Systeme sind möglich, und deren Folgen wahrscheinlich unkontrollierbar.

Allerdings liegt auch ein Großteil der Verantwortung dafür in den Händen der Militärs und Regierungen, die entscheiden, wofür sie KI-Systeme programmieren und welchen Fehlergrad sie zulassen. Der Einsatz von KI-Algorithmen durch die israelische Armee zur Identifizierung von Personen als Bombenziele in Gaza, wie das Magazin +972 berichtete, hat in den letzten Wochen die erbarmungslose Brutalität von KI-Tötungsprogrammen offengelegt.

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Quellen:

https://www.globaltimes.cn/page/202405/1312269.shtml

https://www.yahoo.com/news/us-air-force-teaching-ai-211114148.html?.tsrc=daily_mail&segment_id&ncid=crm_19908-1202929-20240511-0&bt_user_id=qllPfM44yzMy%2BGGFYy3C6d2kqjRpLYrlsOPrxWMgZ9SfBiEYeIagQltS%2FwO68Fnl&bt_ts=1715442172147

https://www.washingtonpost.com/technology/2024/05/13/us-china-ai-talks/

https://www.reuters.com/technology/us-china-meet-geneva-discuss-ai-risks-2024-05-13/