Der US-Zeitung Wall Street Journal (WSJ) liegt ein 17-seitiger Entwurf eines Friedensvertrags vor, der im April 2022, etwa sechs Wochen nach Kriegsbeginn, von russischen und ukrainischen Unterhändlern ausgearbeitet wurde. Der Entwurf zeigt laut WSJ die "tiefgreifenden Zugeständnisse, die die Verhandlungsführer sowohl auf russischer als auch auf ukrainischer Seite erwogen, als Kiew in den ersten Kriegswochen mit Problemen zu kämpfen hatte". Russland war laut WSJ von der "Entschlossenheit der ukrainischen Verteidigung" überrascht worden – und offenbar ebenfalls gesprächsbereit.
Laut WSJ kann das Dokument auch unter dem Aspekt studiert werden, welche Zugeständnisse Russland von der Ukraine heute fordern könnte – wobei die Zeitung einräumt, dass Russland angesichts der besseren militärischen Lage wesentlich strengere Forderungen erheben würde.
Im Vertragsentwurf heißt es, dass die Ukraine zwar eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union anstreben, aber keinen Militärbündnissen wie der NATO beitreten dürfe. Auf ukrainischem Boden wären keine ausländischen Waffen erlaubt. Das ukrainische Militär würde auf eine bestimmte Größe reduziert. Russland versuchte demnach, alles zu begrenzen, von der Anzahl der Truppen und Panzer bis hin zur maximalen Schussreichweite ukrainischer Raketen.
In dem Dokument vom 15. April 2022 werde dargelegt, wie Verhandlungsführer beider Seiten bestrebt waren, die Kämpfe einzustellen: Sie einigten sich darauf, die Ukraine in einen "dauerhaft neutralen Staat zu verwandeln, der sich nicht an Militärblöcken beteiligt". Die Zukunft der Gebiete der Ostukraine wurde im Entwurf nicht berücksichtigt. Die Präsidenten Wladimir Putin und Wladimir Selenskyj sollten für diese Gebiete in direkten Gesprächen eine Lösung finden. Die bereits durch ein Referendum im März 2014 mit Russland wiedervereinigten Krim-Inseln würden aber nach dem Vertragsentwurf unter dem Einfluss Moskaus bleiben und nicht als neutral gelten.
Der Frieden sollte von ausländischen Mächten garantiert werden, zu denen in dem Dokument die USA, Großbritannien, China, Frankreich und Russland gehören. Deutschland wurde nicht mehr als Garantiemacht vorgesehen. Den Garantie-Mächten würde die Verantwortung übertragen, die Neutralität der Ukraine zu verteidigen, wenn der Vertrag verletzt würde.
Die Verhandlungen liefen einige Monate weiter – sogar über Videokonferenzen via Zoom – wurden aber im Juni 2022 schließlich ganz eingestellt. Der frühere britische Premierminister Boris Johnson soll die Ukraine gedrängt haben, die Verhandlungen nicht weiterzuführen. Letztendlich wurde kein Deal vereinbart, weil die USA offenbar den Krieg weiter eskalieren lassen wollten.
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