Zwei Jahre Militäroperation: Kindische Fantasien des Westens treffen auf russische Realitäten

Der 24. Februar 2022 war der Tag, der die Geopolitik des 21. Jahrhunderts für immer veränderte. Er markiert vor allem den Beginn einer umfassenden militärisch-technischen Konfrontation zwischen dem Westen und Russland.

Von Pepe Escobar

Am vergangenen Samstag vor zwei Jahren, am 24. Februar 2022,  verkündete Wladimir Putin den Beginn einer speziellen Militäroperation Russlands in der Ukraine – und er nannte auch deren Ziele. Das Ereignis war die unvermeidliche Folge dessen, was drei Tage zuvor, am 21. Februar 2022 – also genau acht Jahre nach dem Maidan 2014 in Kiew – geschah, als Russland die selbsternannten Republiken Donezk und Lugansk offiziell anerkannt hatte.

Während dieser kurzen, aber bedeutungsvollen Zeitspanne von nur drei Tagen erwarteten alle, dass die russischen Streitkräfte militärisch eingreifen würden, um den seit drei Wochen massiv intensivierten Bombenangriffen und dem ukrainischen Beschuss entlang der Frontlinie ein Ende zu setzen. Der Kreml sah sich sogar gezwungen, besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen nach Russland zu evakuieren. Russische Geheimdienstinformationen lieferten schlüssige Belege dafür, dass die von der NATO unterstützten ukrainischen Streitkräfte bereit waren, im russischsprachigen Donbass eine ethnische Säuberung durchzuführen.

Der 24. Februar 2022 war der Tag, der die Geopolitik des 21. Jahrhunderts auf mehrere komplexe Arten für immer veränderte. Vor allem markierte er den Beginn einer brutalen, umfassenden Konfrontation – "militärisch-technischer Natur", wie die Russen sie nennen – zwischen dem Imperium des Chaos, der Lüge und der Plünderung (sowie dessen ergebenen NATO-Vasallen) und Russland – mit der Ukraine als Schlachtfeld. Es steht außer Frage, dass Putin vor und während dieser drei schicksalhaften Tage damit gerechnet hatte, dass seine Entscheidungen die grenzenlose Wut des kollektiven Westens auslösen würden – inklusive eines Tsunamis an Sanktionen.

Und das ist auch der Punkt: Es geht um Souveränität. Und eine wirklich souveräne Macht kann nicht hinnehmen, unter permanenter Bedrohung leben zu sollen. Es ist sogar möglich, dass Putin gewollt hat, dass über Russland Sanktionen verhängt werden. Schließlich besitzt Russland von Natur aus solch einen Reichtum, dass ohne eine ernsthafte Herausforderung aus dem Ausland die Versuchung groß ist, von dessen Dividenden zu leben und gleichzeitig das zu importieren, was man leicht auch selbst produzieren könnte.

Die Gläubigen einer "Einzigartigkeit des Westens" spotteten immer gern darüber, Russland sei nur "eine Tankstelle mit Atomwaffen". Das ist allerdings lächerlich. Öl und Gas machen in Russland etwa 15 Prozent des BIP, 30 Prozent des Staatshaushalts und 45 Prozent der Exporte aus. Öl und Gas stärken die russische Wirtschaft – und stellen keine Belastung dar. Indem Putin die Selbstgefälligkeit Russlands (unter Jelzin) erschütterte, machte er aus der Tankstelle ein Land, das alles produzieren kann, was das Land braucht, einschließlich konkurrenzloser Atom- und Hyperschallwaffen. Versuchen Sie mal, das zu toppen.

Die Ukraine war nie zuvor weniger eine Nation als heute

Xavier Moreau ist ein französischer politisch-strategischer Analyst, der seit 24 Jahren in Russland lebt. Er ist ein Absolvent der renommierten Militärakademie Saint-Cyr und besitzt ein Diplom der Eliteuniversität Sorbonne. Er moderiert zudem zwei Sendungen auf RT France, dem französischsprachigen Ableger von Russia Today.

Sein gerade erschienenes neuestes Buch "Ukraine: Pourquoi La Russie a Gagné" (Ukraine: Weshalb Russland gewonnen hat) ist ein unverzichtbarer Leitfaden für das europäische Publikum in Bezug auf die Realitäten des Krieges – und eben nicht über die kindischen Fantasien, die im NATO-Umfeld von "Experten" mit weniger als null militärischer Erfahrung mit modernen Waffen ständig ausgeheckt werden. Moreau macht sehr deutlich, was jedem unparteiischen, realistischen Analysten von Anfang an bewusst war: die verheerende militärische Überlegenheit Russlands, die das Endspiel bestimmen wird. Das Problem besteht auch weiterhin darin, wie dieses Endziel erreicht werden soll, nämlich die von Moskau geforderte "Entmilitarisierung" und "Entnazifizierung" der Ukraine.

Es ist bereits klar, dass die "Entmilitarisierung" der Ukraine und auch der NATO ein voller Erfolg ist, an dem auch keine neuen Wunderwaffen – wie die F-16 – etwas ändern werden.

Moreau versteht vollkommen, dass die Ukraine fast zehn Jahre nach dem Maidan keine Nation mehr ist und "nie zuvor weniger eine Nation war als heute". Die Ukraine ist vielmehr ein Gebiet, in dem Bevölkerungen durcheinander gewirbelt wurden, die untereinander alles trennt. Zudem sei die Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit ein "grotesker" gescheiterter Staat. Moreau widmet etliche äußerst unterhaltsame Seiten der Auseinandersetzung mit der Groteske der Korruption in der Ukraine unter einem Regime, das "seine ideologischen Bezüge durch die gleichzeitige Bewunderung von Stepan Bandera und Lady Gaga erhält". In den von Oligarchen kontrollierten europäischen Mainstream-Medien wird natürlich über nichts dergleichen berichtet.

Man achte auf Deng Xiao Putin

Das Buch von Moreau bietet eine äußerst hilfreiche Analyse jener geistesgestörten polnischen Eliten, die "eine schwere Verantwortung für die strategische Katastrophe tragen, die Washington und Brüssel in der Ukraine erwartet". Diese Polen glaubten tatsächlich, dass Russland von innen zusammenbrechen würde, gefolgt von einer farbigen Revolution gegen Putin. Das klingt wie Zbigniew Brzeziński unter Drogen.

Moreau zeigt, dass 2022 jenes Jahr war, in dem die NATO-Staaten, insbesondere die Angelsachsen – bereits historisch gesehen rassistische Russophobiker – davon überzeugt waren, dass Russland zusammenbrechen würde, weil es eine "arme Macht" auf der Welt sei. Offensichtlich begriff keine dieser Koryphäen die Art und Weise, wie Putin die russische Wirtschaft gestärkt hatte, etwa so wie es Deng Xiaoping es mit der chinesischen Wirtschaft geschafft hatte. Diese "Selbstvergiftung", wie Moreau es nennt, hat für den Kreml Wunder bewirkt. Inzwischen ist selbst jedem Blinden und Tauben klar, dass die Zerstörung der europäischen Wirtschaft ein gewaltiger taktischer und historischer Sieg für den US-Hegemon war – wie auch der geführte Blitzkrieg gegen die russische Wirtschaft ein katastrophaler Misserfolg war.

All das bringt uns zu einem Blick auf das Treffen der Außenminister der G20 in der vergangenen Woche in Rio. Das Treffen war nicht gerade ein Durchbruch. Der russische Außenminister Sergei Lawrow machte sehr deutlich, dass der kollektive Westen bei diesem G20-Treffen mit allen Mitteln versucht habe, die Agenda zu "ukrainisieren" – mit weniger als null Erfolg. Sie waren zahlenmäßig unterlegen und wurden von den BRICS-Mitgliedern wie dem Globalen Süden in die Schranken gewiesen.

Auf seiner Pressekonferenz äußerte sich Lawrow zu den Aussichten eines Krieges des kollektiven Westens gegen Russland deutlicher. Hier sind die wichtigsten Punkte, die er ansprach:

Kurz und undiplomatisch ausgedrückt: Sie sind irrelevant, und uns ist es egal.

Dies ergänzte noch Lawrows Intervention während des Treffens, als er erneut einen klaren, vielversprechenden Weg zur Multipolarität erklärte. Hier sind die wichtigsten Punkte, die er dazu ansprach:

Nennen wir das Ganze geopolitisch betrachtet nun kurz den realen Stand der Dinge –  zwei Jahre nach Beginn der speziellen Militäroperation in der Ukraine.

Übersetzt aus dem Englischen und zuerst erschienen bei Strategic Culture

Pepe Escobar ist ein unabhängiger geopolitischer Analyst und Autor. Sein neuestes Buch heißt "Raging Twenties" (Die wütenden Zwanziger). Man kann ihm auf Telegram und auf X folgen.

Mehr zum ThemaWas lehrt der Kiewer Maidan? – Ein Putsch bringt nie die erhofften Verbesserungen