Emirates-Chef: Die Standards bei Boeing "fallen zunehmend"

Angesichts der zunehmenden Probleme bei Boeing im Zusammenhang mit dem 737-MAX-Debakel und der Tatsache, dass die Maschinen jetzt während des Fluges strukturelle Mängel aufweisen, hat das US-Unternehmen der finanziellen Leistung Vorrang vor technischen Spitzenleistungen zugebilligt, so Tim Clark.

Der US-amerikanische Luft- und Raumfahrtriese Boeing befindet sich angesichts der seit langem rückläufigen Produktionsleistung des Unternehmens in einem "Salon der letzten Chance", so Tim Clark, der Chef der Fluggesellschaft Emirates.

Clark, eine der profiliertesten Persönlichkeiten in der Luftfahrt, sagte der Financial Times am Sonntag, dass er einen "zunehmenden Verfall" der Boeing-Standards beobachtet habe, den er auf lang anhaltende Management- und Governance-Fehltritte zurückführe, einschließlich der Priorisierung finanzieller Leistung gegenüber technischen Spitzenleistungen. Clark betonte auch, dass er sich darauf vorbereite, seine eigenen Ingenieure zu schicken, um die Produktionslinien des US-Flugzeugherstellers zu überwachen.

"Sie müssen eine Sicherheitskultur einführen, die ihresgleichen sucht. Sie müssen ihre Fertigungsprozesse überprüfen, damit nicht an allen Ecken und Enden gespart wird usw. Ich bin sicher, dass [Chief Executive] Dave Calhoun und [Commercial Head] Stan Deal daran arbeiten ... Dies ist die letzte Chance", forderte Clark, der seit den 1980er-Jahren leitende Funktionen bei Emirates innehat und seit 2003 Präsident der Fluggesellschaft ist. Emirates ist einer der größten Kunden von Boeing und hat im November 95 Großraumflugzeuge der Typen Boeing 777 und 787 bestellt.

Das frühere Management von Boeing habe zahlreiche Fehler gemacht, behauptete der Emirates-Chef. Dazu gehörten die Auslagerung eines Teils der Fertigung und die Verlagerung von Teilen der 787-Produktion nach South Carolina, um nach Kämpfen mit den Gewerkschaften an seinem Hauptstandort nördlich von Seattle im Bundesstaat Washington Kosten zu sparen. Boeing habe durch den Umzug "Fähigkeiten und Kompetenzen" verloren, argumentierte Clark.

Er erklärte weiter, dass die Fertigungsprozesse des US-Unternehmens einer gründlichen Überprüfung bedürften, während das Management die Sorgen um die finanzielle Leistungsfähigkeit beiseiteschieben sollte.

"Es muss von Grund auf überprüft werden, wie es Flugzeuge herstellt und wo es Flugzeuge herstellt. Das ist einfach gutes Management, gute Unternehmensführung, und das sollte die Priorität aller Mitglieder des Vorstands sein. Nicht: Wie hoch ist die Kapitalrendite? Was ist das Endergebnis? Wie hoch ist der freie Cashflow? Wie hoch ist der Shareholder-Value? Wie hoch ist der Aktienwert? Wie hoch ist mein Bonus? Nein, das wird sich ergeben, wenn man es von Anfang an richtig macht", betonte Clark.

Die Äußerungen des Emirates-Chefs fallen zu einem Zeitpunkt, zu dem Boeing eine neue Welle von Flugverboten und Sicherheitsprüfungen erlebt, nachdem im vergangenen Monat ein Teil des Rumpfes einer 737 Max 9 während des Fluges explodiert war. Die US-Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration hat seitdem eine Reihe von Beschränkungen für die 737 MAX verhängt und dem Unternehmen wegen Sicherheitsbedenken der Passagiere vorübergehend untersagt, die Produktion zu erweitern.

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