Südafrika hat Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) der Vereinten Nationen mit Sitz in Den Haag wegen Völkermords verklagt. In Deutschland wird darüber kaum berichtet, obwohl diese Klage zweifellos brisant ist. Inzwischen hat sich auch Bolivien dieser Klage angeschlossen. Die Türkei und Malaysia haben ebenfalls ihre Unterstützung angekündigt.
Während die deutsche Außenministerin die schweren Anschuldigungen ignoriert und ihrer einseitigen Sicht auf den Konflikt treu bleibt, erwartet der US-amerikanische Politologe John Mearsheimer durch die Klage auch für die US-Politik weitreichende Konsequenzen. Nach deutscher Auffassung begann der aktuelle Krieg erst mit dem "brutalen Angriff der Terrororganisation Hamas" am 7. Oktober 2023. Wie auch im Ukraine-Konflikt erzählt Baerbock die Entwicklung des Konflikts verkürzt und ergreift obendrein einseitig Partei. Damit fällt Deutschland sowohl im Nahen Osten als auch in der Ukraine für eine Vermittlerrolle aus, wird aber sicherlich ebenfalls mit den Folgen dieser einseitigen Positionierung konfrontiert werden.
Auf seiner Seite im Internet versucht John Mearsheimer die Folgen der Klage für das politische Establishment in den USA abzuschätzen. Mearsheimer weist auf die ausführliche Begründung der Klage hin, die nicht nur die Ereignisse seit dem 7. Oktober 2023 beleuchtet, sondern diese auch in ihren historischen Kontext einbettet. Der Antrag Südafrikas sei gut formuliert, und die Beweise seien gut dokumentiert. Es handele sich bei dem, was Israel in Gaza tut, eben nicht nur um schwere Kriegsverbrechen, sondern um Völkermord, hebt Mearsheimer hervor. Die Klage liefere einen umfassenden Satz an Beweisen, mit denen die Absicht Israels zum Völkermord belegt wird.
Die Klage Südafrikas versammelt alle bereits bekannten Belege in einem Dokument. Man wird sich daher künftig nicht damit herausreden können, man habe von den Plänen der israelischen Regierung nichts gewusst. Das zu verstehen, ist auch für die deutsche Regierung von zentraler Bedeutung, denn noch stärker als die US-Regierung unterstützt die deutsche Regierungspolitik die israelische Regierung und macht sich damit auch selbst schuldig.
Mearsheimer hebt hervor, dass die Unterstützung Israels vor dem Hintergrund des Genozids an den Palästinensern ebenfalls eine strafbare Handlung darstellt. Dies gilt für die Administration von Joe Biden, aber lässt sich auch auf die Politik der deutschen Bundesregierung übertragen.
Selbstverständlich ist damit zu rechnen, dass sowohl die USA als auch Deutschland – angesichts der möglichen Konsequenzen für einzelne deutsche Politiker – versuchen werden, einen Prozess am IGH zu sabotieren. Doch dessen ungeachtet glaubt Mearsheimer, dass Israel künftig weltweit als hauptverantwortlich für einen belegten Völkermord angesehen werden wird.
Er sieht zudem ein grundlegendes institutionelles Versagen in den USA. Menschenrechtsorganisationen und der journalistische Mainstream, die sonst Verbrechen lautstark anprangern, würden zu den israelischen Verbrechen weitgehend schweigen. Auch dies trifft nicht nur für die Situation in den USA, sondern auch auf die in Deutschland zu. Mearsheimer hofft auf ein späteres Aufarbeiten dieses Versagens. Er selbst gibt zu, sich getäuscht zu haben. Er ging bisher davon aus, Israel begehe in Gaza schwere Kriegsverbrechen, dass es sich dabei aber nicht um Völkermord handele. Diese bisherige Sicht müsse er korrigieren.
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