Die Umleitung größerer Teile des Containerverkehrs um das Kap der Guten Hoffnung statt durch den Suezkanal könnte nicht die einzige Auswirkung der Huthi-Angriffe auf den internationalen Schiffsverkehr bleiben. Denn womöglich stärkt diese Lage auch das Interesse an einer alternativen Route, die noch dazu zumindest für den Verkehr aus Asien kürzer als selbst die Suez-Strecke ist: die Nordpassage oder Arktisroute.
Das dürfte einer der Gründe sein, warum die Vereinigten Staaten so schnell mit einer militärischen Koalition eingreifen wollen, auch wenn die Erwartungen, dass dies etwas an den Aktionen aus dem Jemen ändern könnte, nicht allzu groß sind. Im Gegenteil – Australien, das angefragt worden war, sich an dem Einsatz zu beteiligen, schickt zwar Personal, aber keine eigenen Schiffe. Zwei mögliche Gründe werden dafür in der australischen Presse benannt. Zum einen, dass Australien politisch die Forderung nach einer Waffenruhe in Gaza unterstützt und keinesfalls zu einer weiteren Eskalation beitragen will, was eine politische Differenz zu den Vereinigten Staaten ist. Und zum anderen, weil die australischen Schiffe keine Verteidigung gegen die Drohnen besitzen, die von den Huthi eingesetzt werden. Was im Übrigen auch für die US-Kriegsschiffe ein Problem darstellt.
Zuletzt stellte sogar das Wall Street Journal die Fähigkeiten der US-Marine infrage. Unter der Überschrift "Die maritime Abschreckung der USA geht, geht, ist womöglich schon gegangen" wird – unter Berufung auf einen Bericht des Sagamore Institute – zusammengefasst:
"Er legt nahe, dass der Abschreckungswert der Schiffe der amerikanischen Marine in letzter Zeit geschrumpft ist, wenn sie in der Nähe eines entschlossenen Gegners eingesetzt werden. Auch wenn der Bericht sagt, dass die US-Marine derzeit "Präsenzdominanz" hält, die Fähigkeit, ihre Werte und Interessen in der Hochsee zu erhalten, deutet er doch an, dass der maritime Vorsprung der USA schrumpft und Amerika schnell seine Fähigkeit verlieren könnte, das mare liberum, die freie See, zu erhalten."
Die Bedeutung der Suez-Route soll insbesondere für Europa in den letzten Jahren laut Bloomberg sogar zugenommen haben, weil durch die Sanktionierung russischen Öls nun der Bezug aus Saudi-Arabien (und von russischem Öl mit indischem Etikett) deutlich zugenommen habe. Aber allein die Tatsache, dass die Anwesenheit des US-Flugzeugträgers Dwight D. Eisenhower im Roten Meer nichts an den zunehmenden Umleitungen geändert hat, belegt, dass weder die Versicherungen noch die großen Reedereien allzu viel Vertrauen in das militärische Eingreifen der USA haben.
Das dürfte die Neigung verstärken, dauerhafte Alternativen zu finden. Und die beste Alternative, die sich bietet, ist eben die Nordpassage. Eine Wahl, die vor allem für den Containerverkehr aus China nach Europa naheliegen könnte. Das Problem, das die Vereinigten Staaten damit haben: Diese Route verläuft zu großen Teilen entlang der russischen Küste, unter dem wachsamen Auge der russischen Arktisflotte, die in den letzten Jahren ausgebaut wurde. Schlimmer noch – eine Verwendung dieser Route im Winter ginge nur mit der Unterstützung massiver Eisbrecher. Und wer besitzt diese Eisbrecher? Russland.
Sollten die Probleme im Roten Meer länger anhalten, könnten die großen Reedereien ebenso wie die Versicherungen in Versuchung geraten, diese Route auszutesten und eventuell die Strecke dauerhaft zu nutzen. Die Strecke um das Kap der Guten Hoffnung ist schließlich ebenfalls nicht ungefährlich, wenn auch eher wegen der Monsterwellen, die dort gelegentlich auftauchen, als wegen politischer Konflikte. Vor einigen Jahren fanden derartige Überlegungen bereits statt ‒ womöglich werden sie jetzt wiederbelebt.
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