Internationale Friedenskonferenz: "Wir sind keine Extremisten, es geht ums Überleben der Menschheit"

An der Internationalen Friedenskonferenz in Rom haben sich Friedensorganisationen aus der ganzen Welt beteiligt. Das Fazit: Die Menschheit ist akut von einem Dritten Weltkrieg bedroht. Aus diesem Grund ist ein neues, friedliches sowie gerechtes Konzept des Zusammenlebens erforderlich.

Von Felicitas Rabe

Unter dem Motto "Den 3. Weltkrieg stoppen" gründeten die Teilnehmer der Internationalen Friedenskonferenz in Rom am letzten Oktoberwochenende eine internationale Allianz antiimperialistischer Friedensorganisationen und setzten ein Zeichen für Friedensengagement über ideologische Unterschiede hinweg.

Angesichts der drohenden Gefahr eines atomaren Weltkriegs müsse man weltweit mit allen Kräften kooperieren, die sich auf die Abschaffung der NATO als Minimalkonsens einigen könnten. Zu Beginn der Konferenzplanung im vergangenen Sommer ging es den Organisatoren vor allem um eine geeinte Kritik an dem US-NATO-Krieg gegen Russland, der auf ukrainischem Territorium ausgefochten werde. Aufgrund der aktuellen Kämpfe im Nahen Osten und der dadurch bedingten hohen Weltkriegsgefahr änderten sich auch die Konferenzinhalte. Einige Redner stornierten aufgrund der Palästina-Solidaritätsbekundung ihre Teilnahme.

Andere Redner, vor allem aus dem Nahen Osten, wie zum Beispiel der Vorsitzende der palästinensischen Flüchtlingsorganisation Nashet im Libanon, Zafer Khateeb, sagten ihre Teilnahme aufgrund akuter vordringlicher Aufgaben in ihrer Heimat ab. Khateeb und andere nahmen aber mit bewegenden Reden per Live-Video an der Konferenz teil. Wiederum anderen, wie zum Beispiel dem Menschenrechtsaktivisten Tahir Ahmadi wurde seitens Italiens bereits im Vorfeld das Einreisevisum für die Konferenzteilnahme verweigert.

Nächtlicher Polizeibesuch und Einschüchterung eines US-Teilnehmers

Um seine Teilnahme bangen musste auch der Sekretär der internationalen Angelegenheiten von der Partei der Kommunisten aus den USA, Christopher Helali. Er wurde nach seiner Ankunft zwei Stunden auf dem Flughafen in Rom festgehalten, bevor er schließlich doch auf die Konferenz durfte. Dafür bekam er in der Nacht von Freitag auf Samstag nochmals Besuch von der italienischen Polizei, die um 2.00 Uhr früh an seine Hotelzimmertür klopfte. Als er öffnete, fragten ihn die Polizisten, ob er Christopher Helali sei. Nachdem er ihnen das per Ausweisdokument belegt hatte, entschuldigten sich die Behördenvertreter – es handele sich um "einen Irrtum". Anschließend standen sie noch eine Stunde mit ihrem Polizeiwagen unter seinem Hotelfenster. In seinem Vortrag am Samstagvormittag bewertete der US-amerikanische KP-Sekretär den Vorfall:

"Genossen, dies ist kein Einzelfall. Dies ist nur ein Beispiel für die Taktiken der Einschüchterung und Repression, die die Achse USA-EU-NATO gegen uns Antiimperialisten einsetzt. Wir werden uns nicht einschüchtern lassen! Wir werden uns nicht abschrecken lassen! Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen! Wir stehen an der Seite Palästinas! Wir stehen an der Seite Russlands! Wir stehen an der Seite Chinas!"

"Wir stehen an der Seite aller unterdrückten Völker, die sich nach einer Welt jenseits von Imperialismus, Faschismus und Kapitalismus sehnen."

Zu den hochkarätigen Konferenzteilnehmern zählten unter anderem: der ehemalige slowakische Ministerpräsident Ján Čarnogurský, die Sekretärin der Vereinten kommunistischen Parteien Russlands, Daria Mitina, der Präsident des China-US-Solidaritätsnetzwerks, Lee Siu Hun, der Sekretär der Partei der Volksdemokratie Südkoreas, Stephen Cho, der russische Vorsitzende des Duma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten und Mitglied des Zentralkomitees der KPRF, Dmitri Nowikow, der Sprecher der Palästinenser Organisation in Italien, Mohammad Hannoun, und der Sekretär der Sozialistischen Jugend Marokko, Younes Siraj.

Des Weiteren der libanesische Abgeordnete Ali Fayyad (Hisbollah), der russische Universitätsdozent Said Gafurow, der ehemalige Abgeordnete aus Odessa, Alexei Albu, der Koordinator der US-Antiwar-Coalition, Joe Lombardo, der griechische Rechtsanwalt Yiannis Rachiotis von der Plattform für Unabhängigkeit für Griechenland, die Sprecherin der politischen Gefangenen in der Ukraine, Larissa Schessler, der Sprecher der Bewegung 23. September aus Bulgarien, Stephan Petrow, der Koordinator der sozialistischen Plattform von Georgien, Temur Pipia, sowie der ehemalige Minister der Lugansker Volksrepublik, Andrei Kochetow.

Im Rahmen dieses Berichts kann nur ein kleiner Teil all der interessanten Perspektiven und Diskussionsbeiträge wiedergegeben werden, die die Redner zur aktuellen weltpolitischen Lage vorstellten. Es werden also nur ein paar Beispiele aufgegriffen, um zumindest einen kleinen Eindruck zu vermitteln.

Teilnehmer aus Russland erklärt moralische Pflicht, Menschen in der Ukraine zu helfen

Der Moskauer Universitätsdozent Gafurow erklärte am Donnerstag während der Pressekonferenz seine Haltung zu den Vorwürfen, ein Putin-Unterstützer zu sein: "Wenn ich gefragt werde, warum ich Putins Krieg unterstütze, dann antworte ich: Es ist nicht Putins Krieg! Für mich ist es seit 2014 mein Krieg! Putin hat sich erst 2021 angeschlossen. Ich bin Russe, aber ich empfinde es als meine moralische Pflicht, im Namen der unterdrückten ukrainischen Menschen zu sprechen."

Nach dem Einfluss des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan auf die Weltlage gefragt, relativierte Gafurow dessen Position. Erdoğans Aussage, wonach die Hamas keine terroristische Organisation sei, diene der "innenpolitischen Ausbalancierung", um die unterschiedlichen Fraktionen in der Türkei zu stabilisieren. Als NATO-Mitglied müsse die Türkei ihre Politik den NATO-Interessen unterwerfen.

Ehemaliger slowakischer Premier: "Wir reichen allen Friedensbewegungen die Hand"

Auf der Geschichte der Slowakei laste die Judenverfolgung wie ein dunkler Schatten, erinnerte der ehemalige Premier Ján Čarnogurský auf der Pressekonferenz an die Vernichtung der europäischen Juden. Das Existenzrecht Israels sei die offizielle Position der Slowakei. Diese Position beinhalte auch eine gerechte Lösung für das palästinensische Volk.

Zuletzt sei die Friedensbewegung sehr stark von NATO-Positionen eingenommen gewesen. Was ist die Aufgabe oder der Charakter dieser neuen internationalen Friedensbewegung, wurde Čarnogurský gefragt: Die Aufgabe bestehe "im Aufbau einer tatsächlichen antiimperialistischen Bewegung – eine globale Koalition gegen den Dritten Weltkrieg. Wir reichen allen Friedensbewegungen unsere Hand, um sich uns anzuschließen". 

Noch ein langer Weg für antiimperialistische Kräfte

Der Initiator der Konferenz, Moreno Pasquinelli, verglich die aktuelle geopolitische Lage mit der Situation 1914 vor dem Ersten Weltkrieg. Damals hätte die Sozialdemokratie mit einem Generalstreik gedroht – stattdessen habe sie dann den Krieg unterstützt. Die antiimperialistischen Kräfte sollten sich bewusst sein, dass sie aktuell einen großen Kampf gegen einen mächtigen Feind ausfechten. Die USA dürften die Welt nicht länger dominieren.

Der griechische Rechtsanwalt Yiannis Rakiotis von der Organisation für die Unabhängigkeit Griechenlands erklärte, die militärische Macht Russlands und die wirtschaftliche Macht Chinas würden einen Wechsel der Machtverhältnisse auf der Erde beschleunigen. Noch kontrolliere die US-Militärpräsenz auf allen Meeren die Weltwirtschaft. Die antiimperialistischen Bewegungen seien zwar schon dabei, neue ökonomische Netzwerke aufzubauen. Aber es sei "noch ein langer Weg, der vor uns liegt".

Am Freitagmorgen eröffnete Gaia Fusai von der Organisation Fronte del Dissenso die Konferenz. Bei ihrer Eröffnungsrede sprach sie über die Notwendigkeit einer weltweiten Neubelebung des Mitgefühls:

"In einem neuen Netzwerk sollten wir Solidarität, Mitgefühl, Liebe und Spiritualität in der Welt neu beleben.

Unser Ziel ist ein Friedensprozess und die Selbstbestimmung der Völker. Das Engagement für das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist antiimperialistisch. Die Menschlichkeit ging in Gaza und im Donbass verloren – es liegt in unserer Verantwortung, sie wieder aufzubauen. Diese Konferenz ist dafür ein guter Anfang."

Weltweite Kooperation für den Aufbau einer friedlichen, gerechten Welt

In seinem Eingangsstatement erläuterte Willi Langthaler von der Antiimperialistischen Koordination Österreich, weshalb die Konferenz zu einem historisch bedeutsamen Zeitpunkt stattfinde. Aktuell würden die USA die Welt in einen Dritten Weltkrieg treiben – aus Angst vor dem Verlust ihrer unipolaren Weltmacht. Auch der Krieg in der Ukraine sei von den USA und ihren Vasallen betrieben worden, nicht von Russland. Deshalb sei es das wichtigste Ziel, die NATO zu besiegen. Dieses Ziel vereine alle Konferenzteilnehmer. Aus diesem Grund gelte die Unterstützung auch den Palästinensern.

Dazu bestehe die große Gefahr weiterer Kriegshandlungen der Imperialisten in Ostasien und China. Es sei an der Zeit, die globale Diktatur abzusetzen und einen gerechten Frieden zu schaffen, indem sich die Friedenskräfte der Welt zusammenschließen. In dieser Konferenz ginge es darum, die Welt vor der US-Herrschaft zu retten, indem man eine weltweite Plattform für einen gemeinsamen Kampf aufbaue. Als "Comrades in arms" begrüßte der ehemalige slowakische Premier Ján Čarnogurský die Teilnehmer in seiner Ansprache.

Die Welt befindet sich an einem Wendepunkt gegen den Imperialismus

Auch aus Sicht des Koordinators der Antiwar Coalition aus den USA, Joe Lombardi, befinde sich die Menschheit in einem kritischen Moment der Geschichte, ihm zufolge ist die US-Vorherrschaft bereits gescheitert:

"Der US-amerikanische Kolonialismus wird beendet werden", so der Friedensaktivist aus den USA.

"Die USA und die NATO wollten Russland und China zerstören, aber ihre Sanktionen sind nach hinten losgegangen."

Der Krieg in der Ukraine stelle sich bereits als Fehlschlag heraus. Zudem verliere der Dollar seine Vorrangstellung. Und weil der Zionismus dem westlichen Imperialismus gleichkomme, müsste man den Befreiungskampf der Palästinenser unterstützen. Es sei ein Genozid, der in Palästina stattfinde. Der Zivilbevölkerung werde nicht erlaubt zu fliehen. Als wenn man auf "Fische in einem Eimer" schießen würde, so Lombardi.

Die Sozialistische Jugend von Marokko war mit einer ganzen Delegiertengruppe angereist. Die US-NATO-Weltordnung beschleunige weltweit einen Krieg nach dem anderen, so der Sekretär der Sozialistischen Jugend, Younes Siraj.

Er bezeichnete die Ermordung der Menschen in Gaza als Schande für die Menschheit. Er würde hier nicht nur im Namen der Menschen in Palästina sprechen, sondern im Namen der Menschheit ("Human beings"), wenn er die Bomben beklage, die in Gaza jegliches Leben ausrotteten. Der Zionismus sei nur ein weiteres Instrument des Imperialismus. In Afrika habe man lange genug unter dem Kolonialismus gelitten. Deshalb beteilige sich Marokko am Kampf gegen den Imperialismus.   

Seit Corona werden gegenüber der NATO-Agenda kritische Menschen "hitlerisiert"

Schließlich betonte der Initiator der Konferenz, Moreno Pasquinelli vom Fronte del Dissenso, in dem Kampf gegen den Imperialismus ginge es ihm nicht nur darum, anderen unterdrückten und von der NATO angegriffenen Völkern und Nationen zu helfen. Auch Italien sei nicht souverän. Deshalb kämpfe man auch für den Ausstieg Italiens aus der NATO. Seit Corona würde die Propaganda alle gegenüber der NATO-Agenda kritischen Kräfte als Antisemiten diffamieren. Pasquinelli erklärte:

"Sie wollen uns hitlerisieren [im Original: hitlerize]. Wir sind keine Extremisten. Es geht gerade um das Überleben der Menschheit – dafür müssen sich alle Friedenskräfte zusammenschließen.

Die Mehrheit der Menschen weltweit wollen keinen Krieg. Aber wir kämpfen nicht nur für den Frieden. Wir kämpfen für ein neues Konzept des menschlichen Zusammenlebens."

Der ehemalige Vizeminister der Volksrepublik Donbass und Gewerkschaftsvorsitzende Andrei Kochetow schloss sein Grußwort an die Konferenz mit einer – immer noch aktuellen – alten Forderung:

"Arbeiter aller Länder vereinigt euch!"

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