Das ukrainische Parlament, die Rada, hat am Donnerstag in erster Lesung nahezu einstimmig für das Verbot der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, der bislang größten Konfession des Landes, gestimmt. 267 Abgeordnete stimmten für den Gesetzentwurf, nur 15 Abgeordnete stimmten dagegen.
Der in erster Lesung beschlossene Gesetzentwurf Nr. 8371 wurde auf persönliche Initiative des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij durch die ukrainische Regierung in das Parlament eingebracht. Er sieht das Verbot der Tätigkeit von "religiösen Organisationen und Vereinigungen, deren Zentren sich im Aggressor-Staat befinden", vor. Obwohl der Titel und der Text des Gesetzentwurfs so vage wie möglich gehalten sind, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass er sich ausschließlich gegen eine religiöse Glaubensgemeinschaft in der Ukraine richtet, ist jedem klar, dass es sich dabei um die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche handelt, die kanonisch zum Moskauer Patriarchat gehört, auch wenn sie über eine weitreichende Autonomie verfügt.
Der Ökumenische Rat der Kirchen hat die mögliche Verabschiedung eines restriktiven Gesetzes über die Religionsfreiheit bereits vor der Abstimmung als "Verletzung der internationalen Normen der Glaubensfreiheit" bezeichnet.
Seit dem Umsturz durch den nationalistischen Maidan im Februar 2014 steht die kanonische Ukrainisch-Orthodoxe Kirche wegen ihrer traditionellen, wenn auch in letzter Zeit nur noch eher symbolischen Zugehörigkeit zum Moskauer Patriarchat (die UOK ist seit 1990 mit weitgehender Selbstverwaltung ausgestattet) unter massivem Druck. Zwei Abspaltungen wurden von den neuen Machthabern seitdem unverhohlen bevorzugt und mit staatlicher Förderung bedacht, etwa im Rahmen der Einführung der Militärkapläne. Ungehindert, zum Teil sogar mit staatlicher Unterstützung, ergreifen Anhänger dieser Abspaltungen unter Einsatz von Gewalt Besitz von Kirchen und verdrängen die traditionellen Gemeinden.
Ende 2018 wurden die Abspaltungen unter der Schirmherrschaft des damaligen Präsidenten Poroschenko zur "Orthodoxen Kirche der Ukraine" vereinigt, die 2019 von dem Patriarchen von Konstantinopel als "unabhängig" anerkannt wurde. In der orthodoxen Weltkirche ist dieser Akt weiterhin umstritten und wird teilweise als ein nicht kanonischer Eingriff in den Hoheitsbereich des Moskauer Patriarchen verurteilt. Unter ukrainischen Gläubigen findet die Neugründung bislang nur beschränkt Zuspruch.
Seit 2018 gibt es wiederholt Bestrebungen und politische Initiativen, die Klöster der Ukraine an die neu gegründete Nationalkirche zu übertragen. Wladimir Selenskij, der sich in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit noch sichtbar aus dem konfessionellen Konflikt heraushielt, hat sich nach Beginn der russischen militärischen Intervention im Februar 2022 offen dazu bekannt, die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche vernichten zu wollen.
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