Übersetzung und Bearbeitung einer Mitteilung der internationalen Umweltschutzorganisation Navdanya International
Von Felicitas Rabe
Bin 5. Juli 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Vorschlag, wonach ein großer Teil genetisch veränderter Organismen (GVO) zukünftig von den bestehenden GVO-Vorschriften ausgenommen werden soll. Es handelt sich um die Organismen, die mittels der neuen Gene-Editing-Technik genetisch manipuliert wurden. Nach dem EU-Gesetzesvorschlag wären Rückverfolgbarkeit, Kennzeichnung und Risikobewertung für diese gentechnischen Produkte nicht mehr erforderlich.
Was steht wirklich auf dem Spiel? Warum investiert die Agrarindustrie Milliarden in diesen Sektor und betreibt Lobbyarbeit bei europäischen Politikern? Sind die "neuen GVO" wirklich neu und so sicher, wie die Industrie behauptet, oder sollte eine unabhängige Untersuchung nach dem europäischen Vorsorgeprinzip durchgeführt werden? Was wird nach dieser unumkehrbaren Entscheidung mit dem wachsenden Bio-Markt und unserer Artenvielfalt geschehen? Ist unsere Lebensmittel- und Saatgutsouveränität in Gefahr?
Die internationale Umweltschutzorganisation Navdanya International hat die Strategien der Agrarindustrie bei der Einführung der neuen Generation von genetisch veränderten Organismen (GVO) untersucht. Unter der Überschrift "Nichts Neues in den neuen GVOs – Das Tor zur totalen Konzernherrschaft" wurde dazu von Navdanya ein neuer, umfangreicher Bericht veröffentlicht. Am Montag, dem 7. August, gab Navdanya eine Zusammenfassung des Berichts heraus. Sie wurde aus dem Englischen übersetzt und bearbeitet.
Noch mehr Patente und Profite für die Biotech-Industrie
Die sogenannten Gentechnologien sind nichts anderes als genetisch manipulierte Organismen (GVO) der zweiten Generation. Politiker und Unternehmen verwenden dafür jetzt Begriffe wie "wissenschaftsgestützte Politik" und "wissenschaftlich fundierte technische Entscheidungsfindung". Sie versuchen, hochriskante Technologien wissenschaftlich und moralisch zu rechtfertigen, indem sie diese Technologien über die Natur, die Funktionen des Ökosystems und den Beitrag der Landwirte stellen.
Die Einführung dieser neuen Technologien ermöglicht es den Unternehmen lediglich, das patentierbare Material zu vergrößern. Biotech-Enthusiasten sehen in diesem neuen Wirtschaftszweig das Allheilmittel, das alle unsere ökologischen, Klima-, Biodiversitäts-, Gesundheits- und Wirtschaftskrisen lösen könnte. Dank der Gene-Editing-Technik können sie für ihren Profit jetzt auch noch einen bisher unzugänglichen Teil der Natur mobilisieren.
Im Labor produzierte Ergebnisse werden als Beweis für Erfolg und Innovation dargestellt und als Lösungen für globale Bedrohungen präsentiert. Indem alles Wissen, mit Ausnahme der von der Industrie finanzierten wissenschaftlichen Erkenntnisse, als irrelevant für die Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft eingestuft wird, kontrolliert die Industrie das Narrativ der "richtigen und angemessenen" Lösung.
Schwindel bei der Lebensmittelkennzeichnung
Lobbygruppen haben bereits begonnen, die allgemeinen Vorschriften zur Kennzeichnung von GVO zu ändern. Kennzeichnungen wie "Bio" und "GVO-frei" sollen zugunsten von "gesund" oder "nachhaltig" verschwinden – unabhängig von dem Verfahren, das zur Herstellung des Produkts verwendet wird. Nachdem zuletzt mehrere Länder Rechtsvorschriften zur Kennzeichnung von GVO-Bestandteilen in Lebensmitteln erlassen hatten, suchen Interessengruppen schon wieder nach Möglichkeiten, diese Kennzeichnungen zu umgehen oder zu ändern, um ihre Biotech-Produkte besser vermarkten zu können.
Die fehlende Rückverfolgbarkeit von gentechnisch veränderten Organismen und die Abzweigung von genetischem Material bedrohen unmittelbar das Überleben der ökologischen und agrarökologischen Landwirtschaft sowie der traditionellen und einheimischen Agrodiversität. Dies stellt einen weiteren Angriff auf die Ernährungssouveränität dar. Darunter versteht man das Grundrecht der Menschen auf gesunde, sichere und ökologisch erzeugte Lebensmittel, sowie auf angemessene Informationen über die Herkunft und die Produktionsmethoden von Lebensmitteln.
Verseuchung der Natur mit genmanipulierten Pflanzen
Eine Kreuzkontamination könnte unerkannt bleiben. Jedes genetische Chaos oder jede Zerstörung, die durch einen veränderten Organismus verursacht wird, könnte rasch auf einen entsprechenden wilden oder konventionellen Bestand übergehen. Dies führt zu einem Dominoeffekt möglicher Folgen.
Die gleichen Argumente, die in den 1990er Jahren für die Einführung der ersten Generation von GVO verwendet wurden, werden nun für diese Deregulierung der GVO-Gesetze benutzt. Dabei handelt sich um eine Reihe falscher Versprechungen: das Versprechen von mehr Klimanachhaltigkeit, höheren Ernteerträgen für mehr Lebensmittelsicherheit, Schädlingsresistenz, besserer Gesundheit usw., die sich alle im Laufe der Zeit als völlig falsch erwiesen haben.
Schlussfolgerung: Zusammenhänge zwischen Leben und Natur respektieren und schützen
Das industrielle Lebensmittelsystem, das mit denselben falschen Versprechungen von Nahrungsmittelsicherheit, Nachhaltigkeit und Klimaanpassung vorangetrieben wird, hat bereits verheerende Folgen. Es gibt wenig Grund zu der Annahme, dass die neue Ära der genmanipulierten Organismen anders sein wird.
Nahrungsmittelkreisläufe sind eng mit natürlichen Kreisläufen sowie mit der Kultur und der lokalen Wirtschaft verwoben. Indem man versucht, diese ursprüngliche Form der Lebensmittelproduktion auszulöschen, will man die Auswirkungen des industriellen Ernährungsmodells ausblenden. "Business as usual" soll beibehalten werden. Um des Profits willen dürfen echte Lösungen nicht in den Vordergrund rücken und so wird eine neue Version der gleichen gescheiterten Technologien weltweit vorangetrieben.
Neue Gene-Editing-Techniken lenken die Aufmerksamkeit immer weiter von den echten Alternativen ab, die zur ökologischen Regeneration beitragen können. Jetzt ist es wichtiger denn je, unsere Lebensmittel- und Saatgutsouveränität zu schützen. Wir müssen von unseren demokratischen Regierungen verlangen, dass sie tatsächlich auf den Willen des Volkes hören und die Landwirte und Bürger vor den Risiken dieser neuen Technologien schützen. Wir müssen die Konzerne für die von ihnen verursachte Zerstörung verantwortlich machen. Die wirklichen Lösungen liegen in der Schaffung integrierter Ökosysteme auf der Grundlage von Biodiversität, Fürsorge für die Natur und einer Wissenschaft, die die Zusammenhänge zwischen Leben und Natur versteht und respektiert.
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