Von Wladimir Dobrynin
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist nach Peking zu einem dreitägigen Besuch gekommen. Zum Hauptziel der Reise des französischen Staatschefs wurde "das Bestreben nach Erneuerung von diplomatischen und wirtschaftlichen Kontakten zur Volksrepublik China" nach ihrer dreijährigen fast völligen Abwesenheit wegen der COVID-19-Pandemie erklärt, berichtete der Fernsehkanal BFMTV.
Geschäfte? Ja und Nein
Eine Betrachtung des Besuchsprogramms, die von Beratern des französischen Staatschefs verfasst wurde, verrät allerdings, dass er in Peking Wichtigeres zu tun hat. Macron wird von etwa 50 wichtigen Figuren der französischen Geschäftswelt begleitet. Man könnte glauben, dass dies von den Hoffnungen der Geschäftsleute auf günstige Kontrakte mit Vertretern der "Weltfabrik" zeuge.
Dennoch ist die Publikation skeptisch: "Unter Berücksichtigung der angespannten Beziehungen vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges werden Vertragsabschlüsse eine Seltenheit. Die Aufgabe der französischen Unternehmen besteht darin, an sich zu erinnern und die eigene Präsenz auf dem chinesischen Markt zu bestätigen."
Zur Bestätigung ihres Unglaubens an größere Vertragsabschlüsse im Bereich der Industrie berichten die Autoren, dass China beispielsweise in der Atomindustrie Frankreich kaum benötige. China baue bereits eine große Anzahl von Meilern in Eigenkonstruktion und werde dabei Frankreich bald zahlenmäßig übertreffen.
Ebenso wenig Hoffnungen habe Frankreich auf eine Zusammenarbeit mit Peking im Bereich der Eisenbahnindustrie. Den Journalisten zufolge werde das französische Schienenfahrzeugbauer Alstom den Wettbewerb mit dem erstarkten chinesischen Produzenten CRRC nicht aushalten und keine Ausschreibungen gewinnen.
Wenn es sich nicht um eine Wiederherstellung und weiteren Ausbau von Beziehungen handelt, wozu braucht Macron die dreitägige Reise? Am treffendsten formulierte es wohl die Zeitung Politico in seiner Überschrift:
"Macron will China bezaubern – nachdem es mit Putin nicht geklappt hat"
"Von einer Annäherung mit Russland abbringen"
"Das Scheitern mit Putin" bedeutet, dass trotz der Versuche des Westens, Peking zu beeinflussen, Xi Jinping sich von Washington oder Brüssel nicht überreden ließ. Und dass Chinas Staatschef trotz des von ihnen erwarteten Drucks auf den russischen Präsidenten, bis hin zu einem Abbruch der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Russland, diese im Gegenteil noch festigte.
"Frankreich hofft, Chinas Staatschef von einer Annäherung mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin abzubringen und will, dass China stattdessen eine Vermittlerrolle im Ukraine-Krieg einnimmt. Es ist allerdings unklar, über welche Druckmittel Macron verfügt – und der Hintergrund seines dreitägigen Besuchs ist nicht einfach. Europa leidet weiterhin unter den Folgen des Abbruchs von Handelsbeziehungen zu Russland und die geopolitische Spannung zwischen China und den USA, den beiden größten Volkswirtschaften der Welt, wächst", fassten die Autoren von Politico zusammen. "Doch während in Frankreich die Hoffnungen auf einen Durchbruch bescheiden sind, sind die Ansichten unter anderen westlichen Politikern noch trüber." Die Autoren fügten hinzu:
"Berücksichtigt man Macrons Versuche, eine zentrale Rolle bei der Regulierung von Konflikten zu spielen, etwa den Krieg in der Ukraine aufzuhalten oder das Nuklearabkommen mit Iran zu retten, haben die USA und andere Länder Zweifel, dass diese Reise größere Ergebnisse bringt."
Dennoch wünscht Washington dem französischen Präsidenten viel Glück beim Treffen mit Genosse Xi. Anonyme Mitarbeiter des Weißen Hauses, die von der Zeitung zitiert wurden, erinnern sich mit Bedauern an Macrons Versuche, als Friedensstifter aufzutreten und "Putins Konflikt mit der Ukraine kurz vor der Invasion vor über einem Jahr" zu lösen und erwarten, dass das Ergebnis diesmal nicht besser werde.
Freilich können diese Mitarbeiter nicht als neutrale Beobachter bezeichnet werden. "Bidens Administration hat gewisse Sorgen über eine eventuelle Annäherung Frankreichs an China zu einer Zeit, als die Spannungen in Beziehungen zwischen Washington und Peking ihren Höhepunkt seit Jahrzehnten erreichten", bemerkt Politico.
Eine Frau als Störfaktor
Doch warum prophezeit man Macrons Besuch ein Scheitern? "Cherchez la femme!", würde man in Frankreich dazu sagen. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird Macron nämlich bei seiner Reise nach China begleiten. Die spanische Zeitung El Confidencial vermutet, dass die EU-Politikerin den französischen Staatschef eher behindern als unterstützen wird.
Die EU versuche, ihre Position in Bezug auf das zwischen China und der Union verhandelte umfassende Investitionsabkommen zu verschärfen. Peking fordert, dass dieses tatsächlich umfassend ist und den Handel mit Waren mit doppeltem Verwendungszweck beinhaltet. Von der Leyen behauptete dagegen in ihrer Rede während der EU-Kommissionssitzung am 30. März, dass vor allem zivile Bereiche entwickelt werden sollen, während alles, was mit dem Militär zu tun haben könnte, möglichst eingeschränkt werden solle.
Die Zeitung ist der Ansicht, dass dies aufgrund des Drucks aus Washington auf die EU-Führung geschehe. So hätten die Niederlande nach mehrmonatigen Verhandlungen mit den USA sich geweigert, ihre Spitzentechnologien zur Mikrochipherstellung an China zu verkaufen.
Von der Leyen fahre nach Peking, um zu zeigen, dass die EU in ihrer Beziehung zu China härter werde und rechne dennoch damit, dass der Zugang zum chinesischen Markt dabei nicht verloren geht, schrieb El Confidencial und implizierte, dass dies kaum möglich sein wird. Die Zeitung erinnerte daran, dass von der Leyen vor ihrem Besuch es nicht versäumte, Peking ein weiteres Mal einer "Wendung zum Autoritarismus" und Menschenrechtsverletzungen zu beschuldigen. Chinas Botschafter bei der EU, Fu Cong, reagierte auf ihre Worte wie folgt:
"Diese Rede enthielt viele Verzerrungen und Falschdeutungen der chinesischen Politik und Chinas Positionen."
Bei einer derart durch von der Leyen vorbereiteten Grundlage wäre es zumindest naiv zu glauben, dass China einem de facto wirtschaftlichen Ultimatum zustimmt. Wahrscheinlich beschloss die EU-Kommissionspräsidentin, Macron gerade deswegen zu begleiten, weil sie mit seiner Hilfe rechnet, dass gute Beziehungen zwischen Macron und Xi helfen werden, Peking einem Abkommen zu den Bedingungen der EU zuzustimmen.
Allerdings wird dieser Versuch kaum erfolgreich sein. Der Chefredakteur der Zeitschrift Rossija v globalnoj politike (Russland in globaler Politik), Fjodor Lukjanow, erklärte der Zeitung Wsgljad:
"Die EU hat keine wirksamen Druckmittel gegen China. In finanzieller Hinsicht sind die Beziehungen zwischen Brüssel und Peking ziemlich eng, und alles, was Europa tun kann, ist, die bestehenden Verbindungen allmählich zu kappen. Dies wird Europa keine Vorteile bringen, doch wie die Lage mit Russland zeigte, kümmert es sich nicht um solche Sachen."
"Druck wird nicht funktionieren"
Was ist für Europas Vertreter wichtiger – Geschäfte oder Politik? Wahrscheinlich beides. Und natürlich ist der Versuch sichtbar, unter der Leitung der USA, sich weiterhin zu bemühen, die Verbindung zwischen China und Russland zu zerreißen.
Man möchte glauben, dass Macron und von der Leyen gewisse Erfolgsaussichten bei dieser Mission haben. Zumindest interpretieren einige Analysten die Aussage des chinesischen Botschafters bei der EU genau auf eine solche Weise. Wie die New York Times berichtete, sagte der chinesische Diplomat Fu, dass Pekings Aussagen von einer "unendlichen Freundschaft" zwischen China und Moskau nichts als "rhetorische Figuren" seien, dass Peking die Zugehörigkeit der Krim und neuer Gebiete zu Russland nicht anerkenne und Moskau militärisch nicht unterstütze.
Scheinbar wartet die ganze Welt darauf, zu erfahren, welche Wahl Genosse Xi treffen wird: Wird er eine Annäherung an Russland oder an die EU vorziehen? Bedenkt man, dass China stets ausgehend von eigenen Interessen handelt, wird es wohl die EU-Vertreter höchstens höflich anhören und sie zum Ausgang begleiten. Peking wirft sich keinem Diktat unter.
Was Sanktionen angeht, die von der EU "zur Strafe" verhängt werden könnten, hat China eine Antwort darauf. So könnte es der EU die Seltenerdmetalle verweigern, die für die moderne Industrie von kritischer Wichtigkeit sind. Lukjanow erklärte:
"Macron und von der Leyen werden es nicht schaffen, China unter Druck zu setzen. Peking ist zu mächtig, um sich jemanden anzudienen, erst recht nicht der EU. Was die Meldungen von 'rhetorischen Figuren' angeht, könnten sie selbst rhetorische Figuren sein. Zumal ihre Echtheit von China nicht bestätigt wurde."
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.
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