Wie das Pentagon die ukrainische Frühjahrsoffensive organisiert

So offen, wie der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin es vergangene Woche ausgesprochen hat, sprach noch kein US-Offizieller: Die USA bereiten die Ukraine auf ihre überall angekündigte Frühjahrsoffensive vor. Was hat es damit auf sich und wie ernst muss Russland all das nehmen?

Von Wiktorija Nikiforowa, RIA Nowosti

"Die Ukraine darf keine Zeit mehr verlieren", mahnte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin die Eingeborenen-Truppe unmittelbar nach dem Treffen der "Kontaktgruppe zur Verteidigung der Ukraine". Die "Unabhängige" wird mit Tritten in die Offensive getrieben. Ein Termin steht bereits fest: Ende April oder Anfang Mai.

Auch hat das Pentagon über die Medien seine Unzufriedenheit darüber zum Ausdruck gebracht, dass das Kiewer Regime weiterhin Leichenberge in Artjomowsk anhäuft, obwohl Austin persönlich der Meinung ist, dass diese Stadt nicht von strategischer Bedeutung sei und dass es an der Zeit wäre, Leichenberge an anderen Orten auf der Landkarte aus der Landschaft wachsen zu lassen.

Die US-Militärführung gibt inzwischen offiziell zu, dass die ukrainische Armee in einem Jahr des Konflikts mehr als 100.000 Tote zu beklagen hat und dass "die besten und erfahrensten" Militärs ausgeschaltet wurden. Die monströsen Verluste haben zu nichts geführt, außer zum Verlust von etwa einem Fünftel des gesamten Territoriums der ehemaligen Ukraine. Aber es sind wir, die es schmerzt, die Statistik der Toten zu lesen, in Washington hat da niemand Emotionen. Die ukrainischen Soldaten müssen weiterkämpfen ‒ das ist die wichtigste Botschaft des Pentagons.

Hintergrund ist, dass im amerikanischen Establishment das dringende Bedürfnis nach konkreten Ergebnissen gereift ist, die Kiew vorweisen muss. Gelder sind geflossen, Waffen wurden geliefert, ukrainische Soldaten ausgebildet: Jetzt ist Zahltag. Die Leben der Eingeborenen werden als Zahlungsmittel akzeptiert.

Laut einer Quelle im Pentagon, die diese Information an die einflussreiche Zeitung Politico weitergab, wurden alle westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine in den letzten vier oder fünf Monaten genau in Erwartung einer ukrainischen Frühjahrsoffensive durchgeführt. Hunderte von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen sowie Fahrzeuge für den Brückenbau hat die Ukraine erhalten. Tausende ukrainische Soldaten wurden auf NATO-Trainingsgeländen ausgebildet. Außerdem wurde ein beträchtlicher Vorrat an 155-Millimeter-Granaten, an denen es im Winter mangelte, angehäuft. Die Proxy-Armee hat zwar noch keine Flugzeuge erhalten, aber sie rüstet ihre MiGs mit amerikanischen Mittelstreckenraketen aus. Und natürlich versorgt der amerikanische Patron seinen Vasallen mit Geheimdienstdaten und Aufklärung.

In welche Richtungen werden die ukrainischen Streitkräfte angreifen? Das Pentagon versichert uns immer wieder, dass es Sache Kiews sei, eine Strategie zu entwickeln. Doch, wie ein Sprichwort sagt, wer dem Mädchen das Essen zahlt, der tanzt mit dem Mädchen. Das US-Militär und die Spezialdienste diskutieren in der Presse ganz offen darüber, wohin die ukrainische Armee geworfen werden soll.

Die Krim sowie die Städte Melitopol und Mariupol sind die Top-Offensivziele. General a.D. Ben Hodges, der nicht vergessen kann, wie die Halbinsel elegant nach Russland segelte und der NATO-Geheimdienst den Vorfall nicht bemerkte ‒ dies ausgerechnet, als er Befehlshaber der alliierten Landstreitkräfte war ‒, ist ganz heiß auf die Krim.

Seine Idee ist, dass die ukrainische Armee den Dnjepr überquert, das gesamte Gebiet Cherson einnimmt und von dort aus die Krim mit HIMARS-Raketen bombardiert, so dass die Schwarzmeerflotte und der Flugplatz in Saki bedroht werden. Viele halten diesen Plan für unrealistisch: Es ist schwer vorstellbar, dass die Ukrainer in der Lage sein werden, den Dnjepr unter dem Feuer unserer Artillerie erfolgreich zu überqueren. Es werden jedoch fleißig Informationen über die Krim und ihre Luftverteidigung gesammelt. Mit dieser Mission war auch die amerikanische Reaper-Drohne unterwegs, die neulich im Schwarzen Meer versenkt wurde.

Die zweite Richtung ist die Küste des Asowschen Meeres. Entweder Berdjansk über Melitopol oder Mariupol über Wolnowacha. Außerdem wäre ein Angriff auf Mariupol auch ein Schachzug im Informationskrieg. Von der Küste des Asowschen Meeres aus sollen die HIMARS die Krimbrücke unter Beschuss nehmen, um die Halbinsel vollständig zu isolieren.

Bei beiden Optionen geht es darum, die Nachschubwege unserer Truppen abzuschneiden und den "Korridor zur Krim" zu blockieren. Einige Analysten glauben, dass die ukrainische Armee über genügend Kräfte verfügt, um in zwei Richtungen gleichzeitig anzugreifen ‒ sowohl im Süden als auch am Asowschen Meer.

Es ist möglich, dass es noch weitere angebliche Angriffsrichtungen gibt, die aber in den Medien noch nicht bekannt gemacht wurden. Denis Puschilin, der amtierende DVR-Chef, sagte, dass die Ukrainer Truppen in Tschassow Jar in der Nähe von Artjomowsk zusammengezogen hätten. Es sieht so aus, als ob das ukrainische Militär auch dort seinen Gegenangriff organisieren könnte. Das wäre ebenfalls gut für ihre Propaganda ‒ als ob sie Bachmut verteidigt hätten.

Militärisch sehen diese Pläne gefährlich verrückt aus. Das Traurige daran ist jedoch, dass es für Selenskij und seine Herren auch ein "Ergebnis" sein wird, wenn der Gegenangriff scheitert. Kiews Pennywise (Horrorclown aus Stephen Kings "Es" - Anm. d. Red.) wird mit der Zahl der Toten prahlen, mit ihrem Blut spekulieren und mehr Geld und Waffen fordern. Washington wird einen Vorwand haben, um die europäischen Vasallen unter Druck zu setzen und zu sagen: "Seht, wie mutig die Ukrainer sterben, und was ist mit euch?" Generell sollte die vom Pentagon geplante Frühjahrsoffensive in der Ukraine nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Wir haben zwar einen unbestreitbaren Vorteil gegenüber der ukrainischen Armee in Bezug auf Ausrüstung, Artillerie und Luftfahrt. Unsere Volkswirtschaften sind in Umfang und Zustand einfach nicht vergleichbar. Das Kiewer Regime hat jedoch einen Vorteil: Es wirft seine Bürger ohne Gewissensbisse mit einer Portion Sadismus in den Tod. Diejenigen, die spiegelbildlich einen unbegreiflichen Masochismus an den Tag legen, sterben für die Interessen von Mark Milley, Lloyd Austin und anderen Menschen, die von ihnen extrem weit entfernt sind. Und das ist die Waffe, die das Selenskij-Regime bis zum Ende einsetzen wird.

Für den Fall, dass die Proxys versagen, hat sich das US-Regime bereits eine weiche Matte hingelegt, auf die es sanft zu fallen gedenkt. In einem kürzlich erschienenen Bericht der RAND Corporation erinnern uns die Militäranalysten daran, dass im Ukraine-Konflikt die Interessen der Vereinigten Staaten für die US-Führung an erster Stelle stehen müssen. Doch ein langer Krieg, so stellt sich heraus, ist nicht im amerikanischen Interesse ‒ er ist zu teuer, zu gefährlich und gibt keine Möglichkeit, zur Zähmung Chinas überzugehen. Daher muss Washington Kiew dringend davon überzeugen, Gebietsverluste hinzunehmen und einen schlechten Frieden zu schließen, der bekanntlich besser ist als ein guter Streit.

Den Ukrainern wird von jenseits des Ozeans eine transparente Botschaft übermittelt: Ihr könnt euch für unsere Interessen umbringen, aber sobald sich unsere Interessen ändern, werden wir euch im Stich lassen und uns nicht einmal mehr an euch erinnern. Versprechen ist nicht gleichbedeutend mit heiraten. Es ist erstaunlich, wie die "Kleinrussen" ständig davon träumen, alle zu überlisten, und dann in die primitivsten, wie es scheint, Fallen tappen. Die Gegenangriffsfalle könnte zu ihrer letzten werden.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 18. März auf ria.ru erschienen. 

Mehr zum Thema - Papst Franziskus über Ukraine-Krieg: "Niemand kann mehr behaupten, dass es kein Weltkrieg ist"