Eine Analyse von Wladislaw Ugolny
Am Abend des 21. Februar vergangenen Jahres richtete sich der russische Präsident Wladimir Putin in seiner Rede an das russische Volk, in der er die Unabhängigkeit der Volksrepublik Donezk (DVR) und der Volksrepublik Lugansk (LVR) offiziell anerkannte.
Zuvor wurden an diesem Tag Abkommen über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung unterzeichnet. Dieses historische Ereignis hat das Leben der Bewohner beider Republiken nachhaltig verändert, und ging der Militäroffensive Moskaus in der Ukraine sowie der späteren Aufnahme von vier neuen Regionen in die Russische Föderation Ende September voraus. Für die Bewohner des Donbass war das Jahr jedoch nicht nur durch Ereignisse von globaler Bedeutung geprägt, sondern auch von einer Reihe vielleicht weniger bekannter Entwicklungen.
Die Hintergrundgeschichte
Als am 23. Februar 2014 in Kiew der vom Westen unterstützte Staatsstreich stattfand – der sich unter anderem auch gegen Russland richtete –, löste dies in der damaligen Ostukraine gewisse Prozesse aus. Diese markierten den Beginn des sogenannten "Russischen Frühlings": Eine Reihe von Pro-Russland-Demonstrationen auf der Krim und in Noworossija – ein weitgehend historischer Begriff für ein Gebiet, das acht Regionen der Südostukraine umfasst. Anhänger der pro-russischen Bewegung befürworteten ursprünglich die Schaffung eines von Moskau anerkannten unabhängigen Staates oder den direkten Beitritt der Gebiete zur Russischen Föderation.
Bis 2015 wurde dieses Ziel nur von Einwohnern von Sewastopol und der Krim erreicht. Im Donbass setzte die Unterzeichnung der Minsker Vereinbarungen den umfassenden Kämpfen ein vorübergehendes Ende, wobei sich die Konfrontation weitgehend auf die Politik und die Diplomatie verlagerte. Der regelmäßige Beschuss der Städte der Region durch die Ukraine wurde jedoch fortgesetzt. Im Rahmen der Minsker Vereinbarungen erkannte Russland die Republiken des Donbass als autonomen Teil der Ukraine an, während ähnliche Proteste in anderen Regionen von Kiew rigoros unterdrückt wurden.
In den folgenden Jahren wuchs in Moskau und in den Republiken die Erkenntnis, dass die Minsker Vereinbarungen nicht eingehalten werden würden. Seit Beginn der Militäroffensive im vergangenen Jahr haben westliche Staatslenker offen zugegeben, dass man auf diese Vereinbarungen nur deshalb eingegangen ist, um der Ukraine eine Pause zu verschaffen und ihr Zeit zu geben, vor der nächsten Kriegsphase aufzurüsten.
Mehrere Meilensteine markierten die vergangenen Jahre: Die Entscheidung Russlands, im Donbass ausgestellte Dokumente anzuerkennen (2017); der vereinfachte Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft für Einwohner der selbst ernannten Republiken (2019) und das Wahlrecht bei den Parlamentswahlen der Russischen Föderation (2021). Ab 2020 förderten auch die Republiken des Donbass den "Integrationskurs mit Russland", indem sie die Gesetzgebung entsprechend anpassten und russische soziale und öffentliche Dienste einführten.
Ideologisch wurden diese Prozesse durch eine Doktrin namens "Russischer Donbass" unterstützt, die Ende 2020 verabschiedet wurde. Das Dokument erklärte die Republiken zu einem Teil des russischen Nationalstaates mit dem historischen Ziel, sich Moskau anzuschließen. Die Veröffentlichung löste keine großartigen Reaktionen aus –, weder positive noch negative. Die Menschen erwarteten entschlossenere Schritte von den russischen Behörden.
Während dieser ganzen Zeit schoss die ukrainische Armee weiterhin regelmäßig Artilleriegranaten auf die Bewohner des Donbass, einschließlich auf jene, die mittlerweile die russische Staatsbürgerschaft erworben hatten. Dadurch sah sich die Region zunehmend mit einer humanitären Katastrophe und mit wachsender Armut konfrontiert, die durch Behinderung der wirtschaftlichen Entwicklung verursacht wurden.
Die offizielle Anerkennung der Unabhängigkeit sowie die Sicherheitsgarantien aus Moskau sollten diese Probleme ein für alle Mal lösen.
Sicherheitsgarantien für den Donbass
Um den 17. Februar 2022 herum erlebte der Donbass eine Eskalation des Konflikts, begleitet von ukrainischen Angriffen auf Wohngebiete. Normalerweise geschah so etwas alle ein bis zwei Jahre, wenn beide Parteien ihre Armeen an die Frontlinie brachten und versuchten, die jeweils andere Seite in Schach zu halten. Anfangs wurden diese Eskalationen als das betrachtet, was sie bisher auch waren. Aber die Anerkennung des Donbass und die daraus resultierenden Sicherheitsgarantien hatten das Spiel verändert.
In den Tagen vom 21. bis 23. Februar drehten sich die größten Streitigkeiten um die Festlegung der Grenzen der von Putin als DVR und LVR anerkannten Republiken. Die Bewohner des Donbass hatten verstanden, dass ihre Zukunft und die Beendigung der Kämpfe von der Antwort auf diese Frage abhängen.
Angesichts der jüngsten Geschichte wollten nur sehr wenige Menschen, dass die aktiven Kampfhandlungen wieder aufgenommen werden. Aber es herrschte ein tiefes Vertrauen darauf, dass die russische Armee ihrer Verantwortung gerecht wird und die Menschen im Donbass vor weiteren ukrainischen Angriffen schützen würde.
Evakuierung von Zivilisten in die Russische Föderation
Angesichts der zunehmenden Kriegsgefahr kündigte der Chef der DVR, Denis Puschilin, am 18. Februar 2022 die Evakuierung von Zivilisten an. In den folgenden drei Tagen wurden über 60.000 Menschen zu Flüchtlingen. Auch Sozialarbeiter, die sich um Waisen und Menschen mit Behinderungen kümmern, wurden nach Russland evakuiert. Aber leider haben Hunderttausende Menschen die aufkommende Gefahr unterschätzt. Sie verweigerten die Evakuierung, blieben in der Nähe der Frontlinie und sahen sich zunehmenden Angriffen ausgesetzt.
Mobilmachung im Donbass und Beginn der Kämpfe
Am 19. Februar 2022 gaben die DVR und LVR eine Generalmobilmachung bekannt. Viele Veteranen, die zum Zeitpunkt der Minsker Vereinbarungen die Streitkräfte verlassen hatten, kamen nun als Freiwillige zu den Volksmilizen zurück.
Allerdings wurde auch eine große Anzahl von Männern ohne Kampferfahrung zum Militärdienst einberufen. In manchen Fällen verfügten die Streitkräfte der DVR und LVR nicht mal über geeignete Munition. Beispielsweise wurden einige der Mobilisierten mit Stahlhelmen ausgestattet und mit Gewehren vom Typ Mosin-Nagant bewaffnet, die von den Russen bereits im Ersten Weltkrieg verwendet worden waren. Sie bildeten Schützenbataillone und Regimenter der Mobilisierungsreserve und sollten die dritte Verteidigungslinie besetzen. Im Februar und März sind diese Regimenter jedoch ohne eine angemessene Ausbildung in Kämpfe geschickt worden, einschließlich in den um Mariupol, wo sie große Verluste erlitten haben.
Die Republiken verloren durch die Mobilisierung zudem eine beträchtliche Anzahl von äußerst wichtigen Spezialisten: Ärzte, Energietechniker, Arbeiter der Gas- und Wasserversorgung, Fahrer und andere wichtige Facharbeiter. Mehrere Pannen begleiteten den Mobilisierungsprozess. Zum Beispiel wurden einige Studenten in die Armee einberufen, wurden aber umgehend demobilisiert, nachdem die DVR und LVR der Russischen Föderation beigetreten waren. Derzeit ist die Mobilisierung im Donbass ausgesetzt. Diese Angelegenheit unterliegt jetzt der Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation und wird mit der militärischen Strategieplanung Russlands abgestimmt.
Die Befreiung von Mariupol und der Zustrom von Flüchtlingen
Mariupol war im Jahr 2014 mit 450.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt im Donbass. Es war auch das Zentrum der Metallurgie und der wichtigste Seehafen der Region. Nach dem Ausbruch der Feindseligkeiten im Jahr 2014 wurde die Stadt kurzzeitig von der DVR kontrolliert, kam aber im Juni unter die Kontrolle der ukrainischen Regierung. In den folgenden acht Jahren befand sich die Frontlinie lediglich 20 Kilometer vom östlichen Stadtrand von Mariupol entfernt. Die Stadt diente als östlicher Außenposten der ukrainischen Armee. Das Asow-Regiment der Nationalgarde der Ukraine, bekannt für seine Pro-Nazi-Ideologie, besetzte dabei bedeutende Positionen.
Nach Beginn der Militäroffensive wurde Mariupol aufgrund seines wirtschaftlichen Potenzials und der Lage der Stadt an der Autobahn von Rostow am Don nach Dschankoj, die auch als "Landkorridor zur Krim" bekannt ist, zu einem der wichtigsten strategischen und politischen Etappenziele. Der Kampf um Mariupol dauerte vom Beginn der Militäroperation bis zum 20. Mai, als die letzten verbliebenen Kämpfer der ukrainischen Garnison, die sich in den Katakomben der Asowstal-Metallhütte verschanzt hatten, schließlich kapitulierten.
Mariupol musste während dieser Kämpfe extrem leiden und ein Großteil seiner Wohngebäude wurde zerstört. Da die Ukraine die Einwohner der Stadt nicht evakuieren ließ und humanitäre Korridore verhinderte, wurden Hunderttausende Menschen in ihrer Heimatstadt zu Geiseln. Gleichzeitig war zu diesem Zeitpunkt der Katastrophenschutz der DVR mit dem rasant anschwellenden Flüchtlingsstrom heillos überfordert. Bevor sich der russische Staat mit seinen politischen Strukturen der Sache annehmen konnte, halfen das russische Militär und teils sogar Journalisten, die über die Erstürmung der Stadt berichteten, mit humanitärer Hilfe aus. Freiwillige spielen bis heute noch eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung humanitärer Hilfe im Donbass.
Zum ersten Mal seit acht Jahren hatten die Einwohner von Donezk die Möglichkeit, Hilfe zu leisten und sie nicht nur zu erhalten. Ein breites Netzwerk von Freiwilligen half den Flüchtlingen, die in Schulen und anderen nicht funktionierenden Einrichtungen untergebracht wurden. In dieser Situation kam es auch zu den ersten Reibereien zwischen den Bewohnern des Donbass und den Menschen aus den Gebieten, die zuvor unter ukrainischer Kontrolle standen. Bestimmte Konflikte resultierten aus einer latenten Paranoia und dem Misstrauen unter Einheimischen, die vermuteten, dass sich unter den Flüchtlingen Spione oder Saboteure befinden könnten. Obwohl die Verdächtigungen größtenteils unbegründet waren, gaben sich ukrainische Agenten durchaus manchmal als Flüchtlinge aus, wie es der Mord an Darja Dugina gezeigt hat.
Das kurze Comeback der ukrainischen Griwna
Ursprünglich führten die DVR und LVR eine Parallelwährung und unterhielten weiterhin gewisse wirtschaftliche Beziehungen zur Ukraine. Nach der von Kiew im Jahr 2016 verhängten Wirtschaftsblockade wurde die Griwna jedoch durch den russischen Rubel ersetzt. Die ukrainische Währung wurde nur noch von Senioren ins Land gebracht, die einreisen mussten, um ihre Renten abzuholen.
Nach der Befreiung vieler Gebiete und der zunehmenden Verbreitung ukrainischer Banknoten setzten die Behörden im Donbass einen festen Wechselkurs fest, der den Bewohnern ein kurzes Comeback der fast vergessenen Währung ermöglichte. Die Griwna konnte in der Region jedoch nicht mehr Fuß fassen und ist seit 2023 außerhalb der Devisenbörsen nicht mehr im Umlauf.
Die Befreiung der gesamten LVR
Im Verlauf der Militäroperation gelangte die LVR fast vollständig unter die Kontrolle der russischen Truppen. Dies wurde mit der Befreiung des städtischen Ballungsraums Litschansk-Sewerodonezk erreicht. Diese Kämpfe waren für die LVR genauso wichtig wie die Kämpfe um Mariupol für die DVR.
Im Juli 2022 übernahmen russische Truppen die Kontrolle über den gesamten Grenzverlauf der LVR zur Ukraine. Obwohl die komplette Kontrolle nur zwei Monate später mit dem Rückzug aus der Region Charkow im September und Oktober endete, war die Stadt Lugansk keine Frontstadt mehr.
Der groß angelegte Wiederaufbau der Donbass-Infrastruktur
Für den Zeitraum von acht Jahren nach der Unterzeichnung der Minsker Vereinbarungen schien der Donbass in der Zeit festgefroren zu sein, nachdem man irgendwie die städtische Infrastruktur bewahren konnte, die vor dem Krieg existierte. An manchen Orten, wie in Donezk, war die Infrastruktur in gutem Zustand, aber an anderen Orten, wie in Makejewka oder Lugansk, war die Situation wesentlich prekärer. In ländlichen Gebieten verfügten viele Schulen noch immer über Außentoiletten, und die ukrainischen Straßen, die für ihren desolaten Zustand allgemein bekannt sind, brachen nicht selten unter der Last der schweren Militärtechnik ein.
Im vergangenen Jahr gab es einige wesentliche Änderungen. Die Russische Föderation hat ein Patronage-Programm für Städte und Bezirke im Donbass ins Leben gerufen. Moskau übernahm die Schirmherrschaft über Donezk und Lugansk, während Sankt Petersburg sie für die stark zerstörte Stadt Mariupol übernahm.
Tausende Spezialisten, Bauarbeiter, Wasserversorgungsingenieure, Ärzte und andere Facharbeiter, die für das reibungslose Funktionieren einer zivilen Infrastruktur notwendig sind, wurden in den Donbass geschickt. Auch Investitionen aus Russland fließen in die Region.
Donezk kann noch nicht vollständig an diesem Programm teilnehmen, weil die Stadt immer noch regelmäßig von der ukrainischen Armee angegriffen wird. Aber in Lugansk und Mariupol, wo die Kämpfe endgültig beendet wurden, ist der Wiederaufbau in vollem Gange. Dazu gehören die Sanierungen der Straßen und der Brücke über den Fluss Sewerskij Donez sowie die Wiederherstellung der Infrastruktur zur Wasseraufbereitung und der öffentlichen Verkehrsmittel in Lugansk. Mariupol wird praktisch von Grund auf neu hochgezogen, einschließlich der Krankenhäuser und Schulen.
Die Ankunft russischer Unternehmen im Donbass
Vor Beginn der Militäroperation mussten die Bewohner des Donbass auf verschiedene Systeme zurückgreifen, um Bankkarten zu verwenden und Geldtransaktionen zu tätigen, da die Republiken über keine funktionierende Bankinfrastruktur verfügten. Das, was einer Bank am nächsten kam, waren lokale Strukturen, die der Zahlung von Steuern und Stromrechnungen sowie dem Bezug von Renten und Gehältern vom Staat dienten.
Viele Bewohner des Donbass verließen sich auch auf die Dienste sogenannter "Kassierer": Menschen, die in der Lage waren, Geld aus dem Ausland zu beziehen und für eine Provision von fünf Prozent bar auszuzahlen. Solche Geschäfte wurden auf reiner Vertrauensbasis abgewickelt und waren nicht gesetzlich geregelt.
Nachdem Russland die Republiken offiziell anerkannt hatte, öffnete die erste russische Bank, die Promswjasbank (PSB), in der Region. Trotz eingeschränkter Angebote in Bezug auf Kreditvergabe und anderen Bankdienstleistungen integrierte die PSB den Donbass in das russische Bankensystem und beseitigte die Notwendigkeit halblegaler Systeme zur Abwicklung von Finanztransaktionen.
Ähnliche Neuerungen betrafen auch die Mobilfunkbranche. Der Donbass wurde zuvor von zwei lokalen Mobilfunkanbietern, Phoenix und Lugakom, abgedeckt, die beide auf die Infrastruktur ukrainischer Netzbetreiber angewiesen waren. Bis Ende 2022 wurden die mobilen Dienste von den russischen Anbietern Beeline, MegaFon und Tele2 bereitgestellt.
Keine Grenzen mehr
Nach dem Beitritt der Donbass-Republiken zu Russland wurden die Staatsgrenzen aufgehoben. Dies galt sowohl für die Grenze zwischen Donezk und Lugansk, die trotz alliierter Beziehungen während des achtjährigen Konflikts bestehen blieb, als auch für die Grenze zu Russland.
Diese Barrieren stellten für die Bewohner des Donbass eine erhebliche Unannehmlichkeit dar, da Reisen nach Russland und zurück wesentlich länger dauerten und mit beträchtlichen Wartezeiten an den Grenzübergängen verbunden waren. Weil die Donbass-Republiken zudem außerhalb der russischen Zollzone lagen, schlug sich das auf die Kosten beim grenzübergreifenden Handel nieder, was sich wiederum negativ auf die lokale Wirtschaft auswirkte. Die Staatsgrenze als wirtschaftliche Grenze ist somit weggefallen. Es bleiben vorerst jedoch Kontrollposten, um Papiere zu überprüfen und den illegalen Transport von Waffen oder Munition zu unterbinden.
Kein Wasser, keine Heizung und Pipelines, die eine Katastrophe nur verzögern
Die größte humanitäre Krise, mit der die Bewohner der DVR im vergangenen Jahr konfrontiert war, war das Fehlen einer zuverlässigen Wasserversorgung. Beide Seiten waren auf den Wasserkanal Sewerskij-Donez-Donbass angewiesen: Wasser aus Slawjansk floss zuvor in die DVR und dann nach Mariupol, das damals unter ukrainischer Kontrolle stand. Nach Beginn der Militäroperation und der Schlacht um Mariupol blockierte die Ukraine jedoch diesen Kanal.
Dies führte in den Bereichen Wasserversorgung, sanitäre Einrichtungen und Hygiene zu einer humanitären Katastrophe. In einigen Gebieten des Donbass wurde Wasser nur alle drei Tage nach einem bestimmten Zeitplan bereitgestellt. Dies ermöglichte es den Bewohnern jedoch, gerade einmal genug Wasser zu sammeln, um die persönliche Hygiene eingeschränkt aufrechtzuerhalten. Allerdings gab es auch Gegenden, die bestenfalls einmal im Monat Wasser hatten, während andere gar keines erhielten.
Infolgedessen mussten die Menschen oft unter Beschuss Trinkwasser holen, sie sammelten Regenwasser und wuschen sich in dem alles andere als sauberen Fluss Kalmius. Die Kosten für das Bohren eines einzelnen Brunnens stiegen bis auf 100.000 Rubel (rund 1.300 Euro).
Der Bau von Wasserleitungen aus den östlichen Stauseen der Region hat die Situation nicht wesentlich verbessert und konnte nur den Verlust des Donezk-Stausees kompensieren. Schließlich ordneten die russischen Behörden, die es satthatten, auf die Befreiung von Slawjansk zu warten, den Bau einer Wasserleitung aus dem Gebiet Rostow an und finanzierten sie. Ihr Bau soll im Frühjahr 2023 fertiggestellt werden, jedoch wird auch diese Leitung das Versorgungsproblem nicht vollständig lösen können.
Mit Einbruch des kalten Wetters ist die Situation katastrophal geworden. In einigen Gebieten konnten die Zentralheizungen nicht mehr mit der erforderlichen Wassermenge befüllt werden und fielen aus.
Verminte Städte und zunehmender Beschuss
Im Jahr 2022 starben in der Donezker Volksrepublik 1.091 Menschen durch ukrainische Artillerieangriffe und weitere 3.533 wurden verletzt. Diese Zahlen sind vergleichbar mit jenen von 2014 bis 2015. Erneute Feindseligkeiten und hochintensive Kämpfe haben das Leben der Einwohner des Donbass zur Hölle gemacht. Während es vor einigen Jahren nur in den von Zivilisten weitgehend evakuierten Frontgebieten zu Artillerieangriffen kam, werden nun die dicht besiedelten Gebiete Donezk, Gorlowka und Makejewka direkt angegriffen.
Darüber hinaus begannen die Streitkräfte der Ukraine, die Städte im Donbass mit PFM-1-Minen – auch "Schmetterlingsminen" genannt – zu bestücken, die bei geringstem Kontakt explodieren und Menschen töten oder schwer verletzen können. Die Auswirkungen daraus bleiben im Gedächtnis der Menschen eingebrannt und in Überlieferungen erhalten – so wie in diesem Video, in dem eine Frau solche "Schmetterlinge" aufsammelt, um sie ihren Kollegen bei der Arbeit zu zeigen. Oder in diesem Video, das einen amateurhaften Versuch zeigt, die Minen aus der Distanz zur Detonation zu bringen. Auch in den Liedtexten von Musikern aus dem Donbass ist von diesem Leid zu hören.
Seit Februar 2022 ist Donezk keine Stadt mehr, die sich über ein mögliches Ende ihres achtjährigen Leids freuen kann. Donezk ist zu einem Ort geworden, an dem die Bewohner nach einem Angriff mit ukrainischen Grad-Raketen in Scharen in nahe gelegene Geschäfte strömen, um Zigaretten und Kleinigkeiten zu kaufen, in der Gewissheit, dass sie 30 bis 60 Minuten Zeit haben, bevor der Raketenwerfer wieder geladen ist und auf eine andere Position zielen wird.
Militärische und zivile Verluste
Der Donbass hat viele Einwohner und Unterstützer verloren, die sich in der Region niedergelassen hatten. Unter den Gefallenen war Olga Katschura – militärischer Rufname "Korsa" –, die einzige weibliche Kommandantin eines Raketenbataillons und Heldin von Gorlowka.
Taras Gordienko – Rufname "Clooney" – , ein intelligenter, aber beinharter und effektiver Kommandant, der vor dem Krieg in der IT-Branche gearbeitet hatte und während des Sturms auf Mariupol starb. In Wolnowacha fiel während der Evakuierung von Zivilisten Wladimir Schoga – Rufname "Wocha" – , der die legendäre "Division Sparta" nach dem Tod ihres Gründers Arsen Pawlow – der legendäre "Motorola" – übernahm. Igor Manguschew – Rufname "Bereg" –, der sich in den letzten sechs Monaten seines Lebens mit der Entwicklung von Taktiken zur Bekämpfung von Drohnen beschäftigt hatte, kam ebenfalls ums Leben.
Das sind nur einige namhafte Opfer. Doch der Krieg hat jeden im Donbass in Mitleidenschaft gezogen. Alles, wovon die Bewohner geträumt haben – Sicherheitsgarantien, Frieden, die Rückkehr zum normalen Leben, eine funktionierende Infrastruktur – all jenes ist noch nicht erreicht, es muss erst noch erkämpft und erarbeitet werden.
Übersetzt aus dem Englischen
Wladislaw Ugolny ist ein russischer Journalist aus Donezk.
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