US-Präsident Joe Biden hat erklärt, es sei "unwahrscheinlich", dass die Rakete, die in Polen nahe der ukrainischen Grenze einschlug und zwei Menschen tötete, von Russland abgefeuert worden war. Er wies darauf hin, dass der Flugverlauf des Geschosses nicht mit einem Angriff durch russische Streitkräfte vereinbar sei.
In einer Stellungnahme vor Reportern am Rande des G20-Gipfels auf der indonesischen Insel Bali wurde Biden am Mittwochmorgen nach ersten Beratungen mit NATO-Mitgliedern gefragt, ob es "zu früh ist, um zu sagen, ob diese Rakete von Russland aus abgefeuert wurde". Der 79-Jährige antwortete:
"Es gibt vorläufige Informationen, die das widerlegen."
Biden fügte hinzu:
"Ich möchte das nicht sagen, bevor wir nicht alles untersucht haben, aber angesichts der Flugbahn ist es unwahrscheinlich, dass sie aus Russland abgefeuert wurde."
Das Weiße Haus hatte zuvor mitgeteilt, dass Biden ein "Notfall"-Treffen mit hochrangigen Vertretern der NATO-Staaten sowie Japans einberufen habe, um die mysteriöse Explosion im polnischen Dorf Przewodów am Dienstag zu erörtern. In einer gemeinsamen Erklärung nach dem Gespräch betonten die Staats- und Regierungschefs, dass sie die polnische Untersuchung des Vorfalls unterstützen und "in engem Kontakt bleiben werden, um die nächsten Schritte festzulegen".
Es ist unklar, welche Maßnahmen daraufhin ergriffen werden könnten, da dies von den Ergebnissen der Untersuchung abhängen wird. Warschau deutete jedoch bereits an, dass es Artikel 4 des NATO-Gründungsvertrages aktivieren könnte, der die 30 Staaten der Militärallianz zu "Konsultationen" verpflichtet, wenn ein Mitglied der Auffassung ist, militärisch bedroht zu sein, oder wenn es ein anderes "Anliegen" besprechen möchte. Diese Regelung unterscheidet sich von Artikel 5, einer kollektiven Sicherheitsgarantie, die alle NATO-Staaten verpflichtet, ein anderes Mitglied zu verteidigen.
Laut der Nachrichtenagentur Reuters hat der polnische Präsident Andrzej Duda erklärt, es sei "sehr wahrscheinlich", dass Polen bald Artikel 4 anwenden werde. Er fügte jedoch hinzu, dass den Ermittlern zurzeit konkrete Beweise fehlten, die auf eine für die Explosion verantwortliche Partei hindeuten.
Während der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij nicht lange brauchte, um Moskau für die Explosion verantwortlich zu machen, wies das russische Verteidigungsministerium in einer Erklärung jede Verantwortung zurück. Es betonte, dass die in polnischen Medien kursierenden Fotos, die angeblich Raketensplitter zeigen sollen, "nichts mit russischen Waffen zu tun haben". Das russische Ministerium fügte hinzu, solche Behauptungen seien "eine bewusste Provokation, um die Situation eskalieren zu lassen".
Stunden nach der Explosion am Dienstag, bei der zwei Menschen getötet worden sind, erklärte das US-Militär, es könne die Behauptungen über eine russische Involvierung in den Vorfall nicht bestätigen. Damit widersprach es offensichtlich einen früheren Bericht der US-Nachrichtenagentur AP, in dem ein ungenannter US-Geheimdienstmitarbeiter zitiert wurde, dem zufolge eine russische Rakete in dem polnischen Dorf eingeschlagen sei.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg berief für den heutigen Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung der NATO-Botschafter ein. Bei dem Treffen werde es um den "tragischen Vorfall" in Polen gehen, sagte eine Sprecherin.
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