Wenn Russland das "Entscheidungszentrum" in der Bankowaja-Straße, in dem sich das Büro des ukrainischen Präsidenten befindet, angreife, werde die Welt auf den Kreml zurückschlagen müssen. Dies äußerte der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij in einem Interview mit den kanadischen Fernsehsendern CTV und CBC. Er sagte:
"Wenn die Botschaft lautet, dass es einen Schlag gegen das Entscheidungszentrum geben wird, dann sollte die Welt wie folgt reagieren: "Hören Sie, wenn Sie Bankowaja treffen, wird es einen Treffer geben, wo Sie sind, wenn Sie das tun, sollten Sie wissen, dass es in einer Sekunde, unabhängig vom Ergebnis Ihres Treffers, einen Treffer in Ihrem Entscheidungszentrum geben wird."
Dabei spiele es keine Rolle, ob die Ukraine ein NATO-Land sei oder nicht, fügte Selenskij hinzu.
Die Ukraine ist kein Mitglied der NATO, hat aber seit Juni 2020 einen besonderen Status in der Zusammenarbeit mit dem Bündnis – einen Enhanced Opportunities Partner (EOP). Auch das Streben nach einem NATO-Beitritt ist in der Verfassung des Landes verankert.
Am 30. September, dem Tag, an dem die Verträge über den Beitritt neuer Gebiete zu Russland unterzeichnet wurden, beantragte Selenskij einen beschleunigten Beitritt zum Bündnis. Gemäß der NATO-Satzung ist für die Aufnahme neuer Mitglieder die Zustimmung aller 30 Mitgliedsstaaten des Militärblocks erforderlich.
Anfang Oktober forderte Selenskij die NATO auf, einen Präventivschlag gegen Russland zu führen. In der Rede vor dem australischen Lowy Institute sagte er:
"Was sollte die NATO tun? Verhindern, dass Russland Atomwaffen einsetzt. (…) Präventivschläge, damit sie (die Russen) wissen, was mit ihnen geschieht, wenn sie sie einsetzen. Nicht umgekehrt auf Russlands Nuklearschläge warten, um dann sagen zu können: 'Ah, so seid ihr also, na dann kriegt ihr es jetzt zurück'."
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, reagierte auf die Äußerungen des ukrainischen Präsidenten mit den Worten, der Westen stifte einen Atomkrieg an und "Selenskij habe sich in ein Monster verwandelt, dessen Hände den Planeten zerstören könnten".
Das Büro des ukrainischen Präsidenten dementierte daraufhin Selenskijs Aufruf zum Einsatz von Atomwaffen. Seinem Pressesprecher Sergei Nikiforow zufolge sprach der Staatschef, als er von einem Präventivschlag sprach, von Sanktionen, die bis zum 24. Februar in Kraft sein müssten.
Seit dem 24. Februar führt Russland eine militärische Sonderoperation in der Ukraine durch. Wladimir Putin nannte als Ziel die "Entmilitarisierung" und "Entnazifizierung" des Nachbarlandes sowie den Schutz der Bevölkerung des Donbass. Kiew reagierte mit der Verhängung des Kriegsrechts und der allgemeinen Mobilisierung.
Die russischen Behörden haben wiederholt mit Schlägen gegen Entscheidungszentren in Kiew gedroht, falls die Ukraine rote Linien überschreitet. Als Beispiele nannte das russische Außenministerium die Lieferung von Langstreckenwaffen und leistungsfähigeren Waffensystemen an Kiew.
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