Kolonialmacht 2.0: EU will Uganda und Tansania Bau einer Ölpipeline verbieten

Das Europäische Parlament versucht Uganda und Tansania den Bau einer Ölpipeline zu verbieten. Dabei könnte das Projekt nicht nur die Entwicklung der afrikanischen Länder, sondern auch Europas angeschlagene Energieversorgung unterstützen. Was treibt Brüssel an?

Von Anastassija Popowa

Was passiert, wenn man französische und chinesische Investitionen, postkoloniale Streitigkeiten mit Brüsseler Bürokratie vermischt und obendrauf beheiztes Erdöl dazugibt? Aus einer solchen Mischung kann nichts Gutes entstehen.

Zu dieser Ansicht ist man inzwischen in Uganda gekommen. Dort versucht die EU, die französische Firma TotalEnergies um ihr größtes Projekt zu bringen, an dem auch Chinesen mit acht Prozent beteiligt sind. Es handelt sich um die weltweit längste beheizte Ölpipeline, die das auf 50 Grad erwärmte schwarze Gold vom Vorkommen am Albertsee zum Hafen Tanga in Tansania befördern soll. Diese 1.500 Kilometer an Rohren könnten das ostafrikanische Land ohne Meereszugang zu einem der größten Rohölexporteure verwandeln. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge könnte das Transportvolumen im Durchschnitt 230.000 Barrel pro Tag erreichen. Der Umfang der Ölvorräte wird dabei auf über 6,5 Milliarden Barrel geschätzt.

Das noch im Jahr 2006 entdeckte Ölvorkommen könnte aus Uganda einen wichtigen Spieler auf dem internationalen Energiemarkt machen, denn es ist das größte afrikanische Landvorkommen südlich der Sahara. Auch Europa würde jetzt zusätzliches Öl durchaus gebrauchen. Man möchte glauben, dass Investitionen und Bau direkt beginnen können, denn entsprechende Dokumente sind unterzeichnet. Eine bequeme Alternative zu russischen Energieträgern. Und auch ein Meereszugang wäre vorhanden, denn die Pipeline würde direkt zu einem Hafen führen. Doch dann mischte sich Europaparlament ein.

Die Abgeordnetenversammlung erließ einen Beschluss, der von Uganda und Tansania fordert, das zehn Milliarden US-Dollar teure Projekt einzustellen. Dieses berge nämlich "große Risiken" und rufe "ernsthafte Besorgnis in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen" hervor. Nochmals: Brüssel fordert von zwei afrikanischen Ländern, auf das für sie wichtigste Energieprojekt, das ihnen einen Weg auf den Weltmarkt ebnen soll, zu verzichten. [Hervorhebungen des Originals, Anm. d. Übersetzers]

Uganda war regelrecht schockiert, auch wenn das Land europäische Unverschämtheit gewohnt ist. Eine Reaktion erfolgte umgehend – Brüssels Versuch, zu diktieren, was das Land zu tun habe, wurde als anmaßend und nicht hinnehmbar bezeichnet. Eine Stellungnahme des ugandischen Parlaments sprach von "wirtschaftlicher Sabotage und Erpressung".

Das Außenministerium bereitete ein Dokument vor, das von europäischen Abgeordneten Erklärungen fordert. Im Sommer hatte Uganda sie nämlich empfangen und bewirtet, durchs Land geführt und mit dem Projekt bekannt gemacht, ihnen erklärt, wie fortschrittlich und umweltfreundlich es sei. Das Öl soll durch Solarzellen erwärmt werden, Menschen, deren Grundstücke vom Bau der Pipeline betroffen werden, Entschädigungszahlungen erhalten.

Doch nach ihrer Rückkehr aus dem Afrika-Urlaub ins Europaparlament verlasen die Abgeordneten die noch im Voraus verfassten Texte, die nach Ansicht der Regierung Ugandas und der französischen Firma TotalEnergies nichts mit der Realität zu tun haben – beispielsweise im Hinblick auf die CO₂-Emissionen. Die Parlamentarier verkündeten: Das Projekt werde dem Klima 34 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid jährlich bescheren. Nach Berechnungen der Entwickler wird der Ausstoß insgesamt 13 Millionen Tonnen während einer Periode von 20 Jahren betragen.

Die Auftritte und Reden waren wie voneinander kopiert. Ein Redner nach dem anderen bekam einen hysterischen Anfall und machte sich Sorgen, mal um bestimmte Volksstämme, mal um ugandische Bauern, mal um Rothschild-Giraffen, mal um Nilpferde. Sie alle würden in ihren Rechten verletzt und schuld sei die Ölpipeline. Ich habe mir extra die Transkriptionen aller Auftritte angesehen und sie sprachen tatsächlich von Nilpferden. Die EU-Parlamentarier haben momentan wohl keine anderen Sorgen als Nilpferde in Afrika.

Wie die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, stehen hinter allen Beschlüssen über Rechtsverletzungen in dem einen oder anderen Land in erster Linie wirtschaftliche oder politische Interessen. Alles, was zurzeit auf dem afrikanischen Kontinent passiert, muss unter die Lupe genommen werden, besonders, wenn alle möglichen Ökologen und Umweltschützer auf die Bühne treten. Leider sorgt sich nur eine Minderheit unter ihnen um das Klima. Die absolute Mehrheit lässt sich für politischen Druck und Wirtschaftskriege instrumentalisieren. Angesichts der sich gegenwärtig wandelnden geopolitischen Kräfteverhältnisse wäre es ganz interessant zu wissen, wer mit diesem französischen Projekt in Afrika unzufrieden war – könnte es doch sowohl Europa und Asien mit dem so dringend gebrauchten zusätzlichen Treibstoff versorgen als auch die Entwicklung der afrikanischen Länder unterstützen.

Eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Natürlich ist es für die USA vorteilhaft, eine Art Monopolstellung zu bewahren, Unsummen am Verkauf von Öl und Gas nach Europa zu verdienen und Europa selbst dabei halb erstickt zu halten. Und wenn wir die Nichtregierungsorganisationen betrachten, die die Einstellung des Projekts am lautesten forderten, stellt es sich heraus, dass sich deren Hauptsitz in den USA befindet.

Andererseits steht das größte französische Öl- und Gasunternehmen, das den vierten Platz bezüglich der Fördermengen belegt und in 130 Ländern arbeitet, ungefähr seit August unter Druck, weil es den russischen Markt noch immer nicht verließ. Dabei hatte TotalEnergies mehrmals seine Solidarität mit der Ukraine bekundet und finanzielle Unterstützung für Kiews Streitkräfte versprochen.

Im März dieses Jahres hatte der Vorstandsvorsitzende von TotalEnergies, Patrick Pouyanné, erklärt, dass sein Unternehmen nicht plant, Russland völlig zu verlassen, weil es dort dreizehn Milliarden US-Dollar investiert habe. Er sagte damals:

"Wissen sie, was passiert, wenn ich den Vertrag für russische Gaslieferungen kündige? Ich werde Milliarden an Russland zahlen."

Im Sommer war das Unternehmen dennoch gezwungen, ihre Präsenz in Russland zu verringern. Die Presse beschuldigte es einer "Beihilfe zu Kriegsverbrechen" und einer "Finanzierung der russischen Armee". TotalEnergies wehrte sich, indem es in Zeitungen Gegenerklärungen veröffentlichte.

Der Hysterie schlossen sich die höchsten Amtsträger der Ukraine an und begannen praktisch öffentliche Erpressungen. Selenskijs Hauptberater – Oleg Ustenko und Michail Podoljak – forderten von TotalEnergies auf Dividenden zu verzichten und all dieses Geld der Ukraine zu überweisen. Es handelte sich um 440 Millionen US-Dollar, die die Firma vom Verkauf ihres 19-prozentigen Anteils am russischen Nowatek erhalten sollte. Das sei Blutgeld, schrieben die Berater. Pouyanné schwieg sich aus, doch bis Ende September muss der Verkauf des französischen Anteils an Nowatek abgeschlossen werden.

Der Leser könnte sich nun fragen, was das mit Uganda zu tun hat. Wie sich herausstellte, ist dies mindestens ein weiterer Druckhebel gegen TotalEnergies. Marie Toussaint, die im Europaparlament als Abgeordnete Frankreichs auftrat und sich besonders große Sorgen um Nilpferde machte, sprach von der Pipeline wie folgt:

"Dieses Projekt gehört TotalEnergies, einem der wenigen Unternehmen mit einem europäischen Status und dem Umweltverschmutzer auf Platz 17. Das ist genau diejenige Firma, die noch gestern mit der birmanischen Junta zusammenarbeitete und die russische Bomber mit Treibstoff versorgte."

Im Übrigen verdient auch Uganda aus Brüssels Sicht eine Bestrafung in Form der Unterminierung eines derart wichtigen Infrastrukturprojekts. Muhoozi Kainerugaba, Befehlshaber der ugandischen Landstreitkräfte und Sohn des Staatspräsidenten, veröffentlichte in seinem offiziellen Twitter-Account ein Foto von Wladimir Putin und schrieb:

"Wir hören ihn. Ein Angriff auf Russland ist ein Angriff auf Afrika!"

Der Staatschef fügte indessen hinzu, dass Uganda andere Auftragnehmer finden werde, sollten die Franzosen den Bau der Pipeline verweigern. Es gestaltet sich eine bemerkenswerte Lage.

Wie die UNO-Abstimmung zeigt, stellte sich der afrikanische Kontinent nicht auf die Seite des kollektiven Westens. Im Gegenzug versucht der Westen unter dem Deckmantel des Umweltschutzes und der Menschenrechte, Projekte zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region zu sabotieren. Gleichzeitig verzichtet er auf potenzielle Vorteile für sich selbst und greift sein eigenes großes Privatunternehmen an, das all diese Zeit zwischen zwei Stühlen zu sitzen versuchte. Anscheinend erhalten die Abgrenzungslinien immer klarere Umrisse. Entweder seid ihr auf der einen Seite, oder auf der anderen. Eine dritte, neutrale Variante scheint nicht mehr zu existieren.

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Übersetzt aus dem Russischen.

Anastassija Popowa ist die Leiterin des europäischen Büros des russischen Medienkonzerns WGTRK.