Der Westen hat gelogen, als er behauptete, die Ukraine benötige Zugang zum Seetransport, um die steigenden Lebensmittelpreise und die Gefahr einer Hungersnot in den armen Ländern zu lindern, sagte der russische Präsident Wladimir Putin. Die meisten der Schiffsladungen, die im Rahmen des von der Türkei und den Vereinten Nationen vermittelten Abkommens mit Russland aus der Ukraine kamen, gingen in die EU-Staaten, erklärte der russische Staatschef am Mittwoch in einer Rede auf dem Wirtschaftsforum Ost in Wladiwostok. Putin sagte:
"Im Rahmen des UN-Welternährungsprogramms, das ja nämlich den bedürftigsten Ländern helfen soll, wurden nur zwei Schiffe beladen. Ich betone: nur zwei von 87. Und von zwei Millionen Tonnen Lebensmittel wurden nur 60.000 Tonnen – und somit nur drei Prozent dieser Menge – an Entwicklungsländer geliefert."
Putin bezog sich in seiner Rede auf die Vereinbarung, die es zivilen Schiffen erlaubt, in ukrainischen Schwarzmeerhäfen ein- und auszulaufen, um Getreidelieferungen zu übernehmen. Die Regelung war Ende Juli in Kraft getreten. Putin fügte in seiner Rede hinzu, dass die Bedingungen der Vereinbarung wahrscheinlich geändert werden sollten.
Von der türkischen Stadt Istanbul aus übernimmt ein gemeinsames Koordinierungszentrum die Planung der Lieferungen. Der Export der landwirtschaftlichen Erzeugnisse über das Schwarze Meer wird dabei von russischen, ukrainischen, türkischen und UN-Teams verwaltet.
Der russische Regierungschef wies darauf hin, dass die Einigung als Möglichkeit angepriesen wurde, den Anstieg der Preise auf dem Weltmarkt einzudämmen und den am stärksten betroffenen Ländern zu helfen. In der Praxis sei aber fast das gesamte aus der Ukraine verschiffte Getreide an wohlhabende EU-Länder gegangen, sagte Putin.
"Viele europäische Länder waren in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten Kolonialherren, und sie sind es auch heute. Sie haben die Entwicklungsländer einfach wieder einmal getäuscht. Und sie setzen diese Täuschung fort."
Durch eine solche Vorgehensweise werden die Probleme mit der Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln nur noch schlimmer werden, warnte der russische Präsident weiter. Putin ergänzte:
"Steigende Preise auf den Weltmärkten könnten für die meisten der ärmsten Länder, die mit Engpässen bei Nahrungsmitteln, Energie und anderen lebenswichtigen Gütern zu kämpfen haben, eine echte Tragödie bedeuten: Während im Jahr 2019 nach Angaben der UN 135 Millionen Menschen auf der Welt von schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen waren, hat sich diese Zahl inzwischen um das Zweieinhalbfache auf 345 Millionen erhöht. Das ist doch furchtbar."
Anfang der Woche hatte der russische Außenminister Sergei Lawrow den westlichen Staaten vorgeworfen, nach dem Abschluss des Ukraine-Deals zur Getreideausfuhr die sekundären Exportbeschränkungen für Lebensmittel und Düngemittel aus Russland nicht aufgehoben zu haben. Die Vereinten Nationen, die die Einigung gemeinsam mit der Türkei unterzeichnet hatten, versprachen, ihren Einfluss geltend zu machen, damit die Beschränkungen aufgehoben werden.
Im fernöstlichen Wladiwostok findet diese Woche zum 7. Mal das Eastern Economic Forum (EEF) statt. Am Mittwoch nehmen an einer hochrangigen Plenarsitzung neben dem russischen Präsidenten auch Spitzenpolitiker aus Armenien, China, Indien, Malaysia, der Mongolei, Myanmar und Vietnam teil.
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