Das Great Barrier Reef ist so gewaltig, dass es mit bloßem Auge vom Weltraum aus zu erkennen ist. Doch zum sechsten Mal in weniger als 25 Jahren wurde jetzt eine Massenbleiche festgestellt, die schwere Schäden an Korallenriff verursacht. Am Dienstag hat die australische Meeresparkbehörde des Great Barrier Reef (GBR) einen Bericht veröffentlicht, wonach über 90 Prozent der untersuchten Korallenriffe des Landes in irgendeiner Form von Bleiche betroffen sind.
Grund sind die immens hohen Meerestemperaturen, die dem weltberühmten Great Barrier Reef vor Australiens Nordostküste zu schaffen machen. Die Gewässer erwärmten sich bereits im Dezember 2021 und übertrafen dabei die historischen Höchstwerte, die normalerweise in den heißesten Sommermonaten auftreten. Den ganzen Sommer über bis Anfang April 2022 stiegen die Temperaturen weiter an, wobei drei verschiedene Hitzewellen die thermische Belastung im zentralen und nördlichen Great Barrier Reef (GBR) erhöhten, heißt es in einem neuen Bericht der Marineparkbehörde (GBRMPA), die der Regierung in Canberra untersteht. Laut dem Bericht "Reef Snapshot: Summer 2021-22", also einer Momentaufnahme des Riffs, das regelmäßig untersucht wird, hätten Luftaufnahmen gezeigt, dass von 719 untersuchten Riffen 654 zumindest teilweise eine Korallenbleiche aufwiesen.
Das extrem heiße Wetter habe das Meerwasser seit Dezember immer weiter erhitzt. In der Folge sind die Korallen so gestresst, dass sie die für die Färbung sorgenden Algen abstoßen, mit denen sie sonst zusammenleben. Sie bleichen aus.
Betroffen seien zahlreiche Riffe in allen Regionen des 2.300 Kilometer langen Naturwunders, das sich im tropischen Queensland von Cape York bis nach Bundaberg erstreckt. Das Muster der Bleiche variierte in der nördlichen Region von geringfügig (1-10 Prozent der Korallenbedeckung gebleicht) bis schwerwiegend (61-90 Prozent gebleicht). Es handele sich bereits um die vierte Massenbleiche seit 2016 und die sechste seit 1998, schreibt die Behörde.
Weiterhin ist es das erste Mal, dass es während eines "La Niña"-Jahres dazu kam – dem Gegenstück zu dem heißeren und trockeneren El Niño. Da "La Niña"-Jahre üblicherweise kühler sind, befürchten Forscher düstere Aussichten für kommende "El Niño"-Jahre.
"Trotz der 'La Niña'-Bedingungen erwärmten sich die Gewässer des Great Barrier Reef Anfang Dezember 2021, dem heißesten Dezember seit Beginn der Aufzeichnungen seit 1900", heißt es in einem Text zu dem Bericht.
Die UNESCO hatte im vergangenen Jahr angemahnt, das Riff auf die Rote Liste des gefährdeten Welterbes zu setzen. Auf Druck der australischen Regierung war es der Herabstufung aber gerade noch einmal entgangen. Erst 2023 soll erneut beraten werden. Premierminister Scott Morrison stellte im Januar ein Maßnahmen-Paket zum Schutz des Riffs vor. Über neun Jahre sollen insgesamt eine Milliarde Australische Dollar (630 Millionen Euro) in Maßnahmen zum Erhalt des Ökosystems investiert werden.
"Das Ausmaß der Korallensterblichkeit ist zwar noch nicht bekannt, aber wiederkehrende Bleichereignisse verändern die Zusammensetzung der Korallengemeinschaften am Riff tiefgreifend", sagte Sarah Hamylton, Präsidentin der Australian Coral Reef Society. Laut Hamylton sei ein glaubwürdiger nationaler Plan zur Verringerung der inländischen Treibhausgasemissionen "dringend erforderlich". Diese versursachen laut der Korallenriff-Wissenschaftlerin den Anstieg der Wassertemperaturen, und zwar "mit einer Geschwindigkeit, die mit dem Überleben des GBR vereinbar ist."
Doch Entscheidungen darüber würden in Australien durch politische Spenden, Lizenzgebühren, Steuern und Korruption beeinflusst, so die Wissenschaftlerin. Das Problem der Korallenbleiche am Great Barrier Reef laste auf dem nationalen Gewissen, mit weitreichenden Auswirkungen auf indigene Gemeinschaften, Tourismusunternehmen, Fischer, Landwirte, Bergleute, Arbeiter, lokale Stadträte und Bundespolitiker.
Mehr zum Thema - UNESCO will Great Barrier Reef als gefährdete Weltnaturerbestätte einstufen – Australien protestiert