Eine Analyse von Jewgeni Norin
Einen ähnlichen Konflikt, wie wir ihn heute im Donbass erleben, ereignete sich im Raum der untergegangenen Sowjetunion bereits im Jahr 1992. Die daraus entstandene Enklave existiert immer noch. Das international nicht anerkannte Territorium, das formell zu Moldawien gehört hat, entstand als Ergebnis eines kurzen militärischen Konflikts, der gleichzeitig absurd und grausam war. Der Konflikt von damals zeigt viele Parallelen zum aktuellen Konflikt in der Ukraine – einschließlich der persönlichen Geschichten der Teilnehmer.
Der Zusammenbruch der Sowjetunion wurde von einer Reihe bewaffneter Auseinandersetzungen begleitet. Einige davon sind als Beispiele für wahnsinnige, ungezügelte Gewalt in die Geschichte eingegangen, vergleichbar nur mit Konflikten in Afrika und im Nahen Osten. Unter ihnen sticht jedoch ein seltsamer, kurzer Krieg in der Region Transnistrien hervor.
Transnistrien ist ein auf der Landkarte kaum erkennbares Gebiet, das sich von Norden nach Süden entlang des Flusses Dnjestr, an der Grenze zwischen der Ukraine und Moldawien erstreckt, etwa 200 Kilometer lang und nur circa 20 Kilometer breit ist. Am Ende der Sowjetunion lebten in diesem Gebiet etwa 680.000 Menschen. Vor dem Zusammenbruch der UdSSR war Transnistrien ein verschlafenes Gebiet, in dem jahrzehntelang so gut wie nichts geschehen ist.
1992 hingegen tobte dort ein mehrmonatiger kriegerischer Konflikt, nachdem Rebellen, die sich aus Russen und Ukrainern zusammensetzten, die Waffen gegen die Regierung der gerade unabhängig gewordenen Republik Moldau erhoben hatten. Trotz seines sehr kleinen Ausmaßes wurde dieser Krieg zu einer Art Prolog für die gesamte blutige Geschichte der postsowjetischen Konflikte.
Transnistrien wurde während der Dynastie der Romanows ein Teil Russlands. Durch die Kriege zwischen dem Russischen und dem Osmanischen Reich wurden riesige Landstriche nördlich des Schwarzen Meeres Russland zugeschlagen. Unter Katharina II verlief die Grenze direkt am Ufer des Flusses Dnjestr. Zur selben Zeit wurde die zukünftige Hauptstadt von Transnistrien, die Stadt Tiraspol, gebaut. Anderthalb Jahrzehnte später eroberte Russland Bessarabien von den Türken zurück – den östlichen Teil des alten Fürstentum Moldau, dessen Territorium die Grundlage des heutigen Moldawien bildete.
Diese Länder lebten mehr oder weniger friedlich innerhalb des Russischen Reiches. Die Wurzeln der aktuellen Probleme reichen bis zu den Ereignissen von 1917 zurück. Infolge der Russischen Revolution und des Bürgerkrieges wurde Moldau ein Teil Rumäniens, aber Transnistrien blieb in der Sowjetunion. Die UdSSR übernahm implizit die Rolle des "Sammlers" russischer imperialer Ländereien und Transnistrien wurde aus politischen Gründen zur autonomen Region Moldawien erklärt. Nach den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges wurde Moldau von der UdSSR annektiert und Transnistrien an ihr Gebiet angegliedert.
Das Problem war, dass Transnistrien eine sehr spezifische Region für Moldawien darstellte. Ihre Wirtschaftsstruktur unterschied sich stark vom Rest der Republik. Im Gegensatz zum Agrarland Moldawien war Transnistrien in erster Linie eine industrialisierte Region. Obwohl die Bevölkerung nur 17 Prozent der Gesamtbevölkerung von Moldawien und zudem einen sehr kleinen Teil des gesamten Territoriums ausmachte, lieferte die Industrie von Transnistrien in der späten Sowjetzeit 40 Prozent des BIP der Republik und bis zu 90 Prozent ihrer Elektrizität.
Ein weiteres bedeutendes Merkmal war die ethnische Zusammensetzung der Region. Die Mehrheit der Bevölkerung von Moldawien stellten rumänisch sprechende Moldawier, die ethnisch mit ihren Nachbarn in Bukarest verwandt waren. In Transnistrien jedoch setzte sich die Mehrheit der Bevölkerung aus Slawen zusammen – Russen und Ukrainer. Aus offensichtlichen Gründen fand der Nationalismus in Moldawien, der mit einer Wiederbelebung der Beziehungen zu Rumänien einherging, in Transnistrien überhaupt keine Unterstützung. In der industriellen, russischsprachigen und slawischen Region blieben pro-sowjetische Ansichten auch während der Krise, die zum Zusammenbruch der UdSSR führte, weit verbreitet.
Solange die Sowjetunion stark blieb, war das alles kein Problem, denn in der UdSSR galt ethnischer Nationalismus als inakzeptabel. Die Völker wurden – zumindest offiziell – ideologisch verschmolzen. Ende der 1980er Jahre wurde die UdSSR durch eine Vielzahl von Schwierigkeiten vor eine Zerreißprobe gestellt. Insbesondere die Frage der Nationalitäten trat mit aller Macht wieder in den Vordergrund. In einer Zeit, in der die UdSSR mit einer Reihe interner Probleme konfrontiert war, verloren die Ideale der sowjetischen Idee rapide an Popularität, während der nationalistische Populismus unter den Völkern, die in den Randgebieten der UdSSR lebten, stark an Zuspruch gewannen.
Und schließlich noch ein wichtiges Detail: Die 14. Armee der Roten Armee war in Transnistrien stationiert. Da ihre Zusammenstellung eher einer riesigen Lagerstätte für Waffentechnik und Munition glich und weniger einem vollwertigen und kampfbereiten Kontingent befanden sich in der Region genug Waffentechnik und Munition, um ein solches zu bewaffnen. Darüber hinaus lebten in Transnistrien viele pensionierte Offiziere, die miteinander in Kontakt standen und eine ziemlich einflussreiche "Gemeinschaft" in der Region bildeten.
Transnistrien war 1989 alles andere als ein ruhiges, malerisches Fleckchen Erde der UdSSR in einer Zeit, in der Moldawien einen Aufschwung des Nationalismus und der ethnischen Romantik erlebte. Die Führer des aufstrebenden Staates verleugneten einerseits die sowjetische Vergangenheit, waren andererseits aber ein fester Bestandteil der sowjetischen Intelligenzija, mit vagen Vorstellungen davon, wie Staaten im Westen funktionieren. Dies wirkte sich natürlich auch auf ihre Ansichten darüber aus, wie eine Nation, die gerade ihre Eigenstaatlichkeit erlangt hat, Beziehungen zu ihren Bürgern aufbauen sollte.
Die Überzeugungen dieser Menschen reichten von aufrichtigem Fanatismus bis hin zum Wunsch, die nationalistische Karte zu spielen, um politisch Punkte zu sammeln. Zu den Protagonisten gehörte beispielsweise der damalige Premierminister Mircea Druc – der schon in der Blütezeit der Sowjetunion nationalistische Überzeugungen vertrat, in Wahrheit aber ein typischer Vertreter der sowjetischen Nomenklatura war, der sich in der Rolle eines privilegierten Beamten gefiel. Eine andere führende Figur der moldawischen Unabhängigkeitsbewegung, Mircea Snegur, war ursprünglich ebenfalls Karrierist in der Kommunistischen Partei. Aber durch den Zusammenbruch der UdSSR öffnete sich ihm der Weg, um den Schritt von einem gewöhnlichen regionalen Beamten zu einer Führerfigur eines kleinen und armen, aber unabhängigen Staates zu machen.
Ein besonderes Problem stellte die Idee der Wiedervereinigung mit Rumänien dar, dem die Moldawier in Ethnie und Sprache nahestehen. Obwohl diese Idee damals in der "einheimischen" moldawischen Gesellschaft populär gewesen sein mag, war eine solche Zukunft für die Menschen in Transnistrien kategorisch inakzeptabel. Es waren der extreme Radikalismus und eine extreme Naivität der Protagonisten dieser Zeit, gepaart mit fehlender Kompromissbereitschaft, die dazu führten, dass das Problem zu einer zivilen Konfrontation und schließlich in zu einem Bürgerkrieg eskalierte.
Am Vorabend des Krieges
Alles begann 1989, als in Moldawien ein Gesetzesentwurf zur Einführung der moldawischen Sprache als einzige Amtssprache und den Übergang zum lateinischen Alphabet vorgelegt wurde. Diese Entscheidung wurde allein aufgrund der nationalistischen Gefühle der moldawischen Ultrapatrioten getroffen, ohne dass versucht wurde, die Stimmung der Öffentlichkeit bei dieser Frage zu sondieren.
In Transnistrien war die Situation besonders schwierig. Einerseits fürchteten sich die Menschen dort vor der immer schärfer werdenden nationalistischen Rhetorik, andererseits sprachen längst nicht alle Menschen in der Region Moldawisch. Innerhalb der Bevölkerung von Transnistrien hatte sich mittlerweile ein starkes Gefühl der Solidarität entwickelt. Werktätige großer Industrieunternehmen und pensionierte Militärangehörige fanden sich zusammen und gründeten im selben Jahr den Vereinigten Rat der Arbeiterkollektive, der die Interessen von Transnistrien als Ganzes vertreten sollte.
Im Sommer 1990 erklärte Moldawien seine Unabhängigkeit. Bereits am 2. September wurde auf einem Kongress der Abgeordneten von Transnistrien die Transnistrische Moldawische Republik ausgerufen. Ihr erster Präsident wurde ein ethnischer Russe namens Igor Smirnow, Sohn eines Schulleiters und einer Journalistin, der sein gesamtes Berufsleben in der Metallindustrie verbracht hatte. Obwohl er erst seit den 1980er Jahren in Transnistrien lebte, war Smirnow Direktor des Großbetriebes Elektromasch in Tiraspol und in der Region bestens bekannt.
Die Transnistrier waren durch mehrere Überlegungen motiviert. Angesichts des unbeholfenen Vorgehens und insbesondere der Rhetorik der neu proklamierten moldawischen Republik fürchteten sie einerseits eine Diskriminierung durch Nationalisten. Andererseits wollten viele Menschen in Transnistrien entweder die sowjetische Lebensweise und Lebensordnung bewahren oder zumindest von Moldawien finanzielle Zugeständnisse für die wirtschaftliche Leistung erhalten.
Allerdings hatte man in Chișinău, der Hauptstadt von Moldawien, bereits zugeschlagen: Die Romantiker betrachteten alle Autonomieprojekte als nichts anderes als einen von Meuterern inszenierten Aufstand. Und so nahm die Konfrontation Gestalt an. Auf der einen Seite der Barrikaden standen die Transnistrier – ethnische Russen und Ukrainer mit pro-russischen oder sogar sowjetischen Überzeugungen. Auf der anderen Seite blieb die Masse der Moldawier, die sich nationalistischen Ideen anschlossen.
In Wirklichkeit aber war die Situation viel komplizierter. Unter den Transnistriern gab es viele Moldawier mit sozialistischen Ansichten oder solche, die sich einfach aus Solidarität mit Freunden und Nachbarn der Miliz anschlossen. Auf der anderen Seite gab es innerhalb der moldawischen Sicherheitskräfte viele Russen, die sich aus Gründen der Karriere oder aus Loyalität auf die Seite des neu gegründeten moldawischen Staates schlugen.
Die 14. Armee der Sowjetunion, deren Hauptquartier sich in einer alten Festung aus dem 16. Jahrhundert in der Stadt Bender befand, war von Anfang an ein wichtiger Verbündeter von Transnistrien. Im Chaos, das den Zusammenbruch der UdSSR begleitete, hörte sie im Wesentlichen auf, Befehle aus Moskau entgegenzunehmen. Obwohl einige der Offiziere zögerten, sympathisierte die Mehrheit der Kader tatsächlich mit den Transnistriern, insbesondere mit denen, deren Familien in Moldawien lebten.
Dem eigentlichen Krieg stand im Wesentlichen ein Mangel an Waffen im Weg. Aber in den Depots des Landes lagerte eine riesige Menge davon. Infolgedessen plünderten beide Seiten die sowjetischen Depots. Moldawien bildete seine eigenen Streitkräfte, zunächst auf der Grundlage von Milizen aus Freiwilligen und den Kräften der Polizei, während Transnistrien eine eigene Miliz und eine Republikanische Garde gründete.
Zunächst versuchten die Moldawier, das Problem auf einfache Weise zu lösen. Igor Smirnow wurde während eines Aufenthalts in der Ukraine entführt, wahrscheinlich mit Wissen lokaler Spezialdienste. Die Konfrontation hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht das Ausmaß eines echten Krieges erreicht, worauf der Führer der transnistrischen Sezessionisten wieder freigelassen wurde, nachdem angedroht worden war, in Moldawien "das Licht auszuschalten", da die Stromproduktion für das ganze Land aus Transnistrien stammte.
Es war mittlerweile jedoch klar geworden, dass sich am Horizont handfeste Kämpfe abzeichneten. Von Kommunisten bis Monarchisten strömten Freiwillige aus Russland und der Ukraine nach Transnistrien, oft mit gegensätzlichen politischen Überzeugungen. Die russischen Kosaken, die inmitten des Zusammenbruchs der Sowjetunion eine Renaissance erlebten, schickten ebenfalls eine ungewöhnlich große Zahl von Freiwilligen, die sich durch ihre archaischen Uniformen und ihr brachiales Temperament hervortaten.
Die lokale Miliz zog eine Vielzahl von Protagonisten an, die in einer Ära der Anarchie in den Vordergrund traten. Der auffälligste von ihnen war Oberstleutnant Juri Kostenko, ein sowjetischer Armeeoffizier und Veteran des Krieges in Afghanistan. Er wurde wegen seines unausgeglichenen Temperaments aus der Armee verabschiedet, worauf er Anfang der 1990er Jahre einer der ersten Privatunternehmer in der Stadt Bender wurde. Inmitten des eskalierenden Konflikts bildete Kostenko sein eigenes Bataillon innerhalb der Republikanischen Garde und erlangte schnell den Ruf, ein wahnsinnig mutiger, aber gleichzeitig sehr grausamer Mann zu sein, der den Befehlen seiner Vorgesetzten keinerlei Beachtung schenkte.
Die Meinungen über ihn gingen auseinander. In der Stadt Bender wurde er einerseits als der effektivste Bekämpfer des organisierten Verbrechens in der Stadt betrachtet, andererseits als deren mächtigster Boss. Während seine Feinde seinen Wagemut zur Kenntnis nahmen, warfen ihm seine engsten Vertrauten Skrupellosigkeit vor.
Kostenko knüpfte Kontakte zu ehemaligen Weggefährten im Militär, die dafür sorgten, dass seine Milizen an Waffen gelangen konnten. Zahlreiche Bataillone wurden auf ähnliche Weise gegründet, wobei oftmals Offiziere der 14. sowjetischen Armee aktiv an der Bildung dieser Milizen teilnahmen, mit stillschweigender Erlaubnis des Armeekommandanten Gennadi Jakowlew.
Das erste Blut
1990 befand sich die UdSSR im Kampf gegen ihren Untergang, als in Transnistrien der Krieg ausbrach. Das erste Blut wurde in der Stadt Dubăsari vergossen, die geografisch in der Mitte der Transnistrischen Republik liegt. Am 2. November 1990 versuchte die moldawische Polizei, in die Stadt einzudringen und traf auf eine feindselige, aber unbewaffnete Menschenmenge. Einer der Polizisten verlor die Nerven und eröffnete das Feuer, worauf drei Menschen zu Tode kamen. Mit einer solchen Eskalation hatte selbst die Polizei nicht gerechnet und die Tötungen lösten Entsetzen und Empörung in der Bevölkerung aus. Der Krieg begann dadurch schnell eine Eigendynamik zu entwickeln. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Freiwillige nicht in Strömen – aber auch nicht zögerlich – der Miliz beingetreten. Jetzt aber meldeten sich die Männer der Stadt in Massen zum Dienst in der Miliz.
Der Plan der Moldawier war einfach und ziemlich logisch – den Fluss Dnjestr zu überqueren und Transnistrien in zwei Teile zu spalten. Nicht weit von Dubăsari entfernt stand auf einem Hügel eine kleine Skulptur, die einen Pionier darstellte, der in ein Signalhorn bläst. Direkt unter dieser Skulptur wurden Schützengräben ausgehoben, und sie diente als Orientierungspunkt für die Artillerie. Am Ende der Kämpfe wirkte die von Granatsplittern und Gewehrkugeln beschädigte Skulptur aus Gips wie ein Symbol der Zeitwende zwischen den Epochen.
Keine Seite verfügte jedoch über eine reguläre Armee, und statt eines Blitzkrieges kämpften sowohl Moldawier als auch Transnistrier monatelang in den Schützengräben. Dieser Krieg unterschied sich jedoch von den Schützengräben des Ersten Weltkrieges dadurch, dass beide Seiten schlecht vorbereitet waren und es ihnen an schweren Waffen fehlte, was eine effektive Kriegsführung unmöglich machte. Ein weiterer bemerkenswerter Unterschied zum Ersten Weltkrieg war, dass der Krieg inmitten einer wunderschönen, südlichen Umgebung stattfand.
Der Krieg als Picknick
Im Allgemeinen betrachteten viele der Kämpfer den bevorstehenden Krieg als paramilitärischen Picknick-Ausflug. Soldaten und Mitglieder der Miliz kamen oft mit Kanistern voller Wein an die Front, manchmal nahmen sie auch ihre Freundinnen mit und fotografierten sich begeistert gegenseitig in Uniform und mit ihren Waffen.
Ein Kämpfer erinnerte sich, dass in der neutralen Zone riesige Kirschbäume wuchsen, auf die der Feind hinaufkletterte, um Kirschen zu pflücken, während er sich dabei der Schusslinie des gegnerischen Feuers aussetzte, aber anschließend die Ernte genoss, für die er sein Leben riskiert hatte.
Manchmal wurden diese "Picknicks" jedoch von wirklich erbitterten Kämpfen unterbrochen. Die Moldawier versuchten, die Front zu durchbrechen, während die Miliz regelmäßig die Depots der 14. Armee plünderte, um Waffen und Munition zu erbeuten. Manchmal forderten die Bewacher der Depots die plündernde Miliz sogar auf, sie zu fesseln oder ein wenig zu schlagen, damit sie ehrlich beteuern konnten, dass man ihnen die Ausrüstung unter Anwendung von Gewalt gestohlen hatte.
Während dieser blutigen "Picknicks" brach die UdSSR zusammen, aber das änderte für die Kämpfer vor Ort nicht viel. Der moldawischen Seite gelang es nicht, die Front um Dubăsari zu durchbrechen. Ein wichtiger Faktor war, dass nur wenige Menschen in Transnistrien oder Moldawien wirklich kämpfen wollten. Während die transnistrischen Milizen ihre eigenen Häuser und Höfe verteidigten, fehlte den Moldawiern diese Motivation. Es gab keinen ernsthaften Grund für diesen Krieg und nur wenige wollten darin sterben. Infolgedessen zogen sich die Kämpfe nur schleppend dahin.
Im Sommer 1992 beschlossen die Moldawier, die Richtung der Offensive zu ändern. Ziel war diesmal die Stadt Bender. Im Gegensatz zu fast ganz Transnistrien liegt diese Stadt am Westufer des Dnjestr, sodass der Fluss nicht überquert werden musste. Im Gegenteil, die Brücke über den Dnjestr lag hinter den Verteidigern der Stadt. Außerdem war die Stadt mit ihren mehr als 140.000 Einwohnern für lokale Verhältnisse eine relativ große Stadt, und dort befand sich auch das Hauptquartier der 14. Armee, was bedeutete, dass sie sowohl ein Waffenarsenal als auch ein starkes Kontingent an transnistrischen Unterstützern beherbergte.
Alle dieser Begebenheiten drängten das moldawische Militär dazu, in einen offenen Kampf überzugehen. Allerdings lief dabei nicht alles nach Plan und die Minister und Generäle schoben sich in der Folge gegenseitig die Verantwortung dafür zu. Am Ende versuchte man, die Schuld auf den Präsidenten Mircea Snegur zu schieben, der wiederum behauptete, dass er nichts von den Kämpfen wisse.
Seltsamerweise arbeitete die moldawische Polizeibehörde in Bender weiter, musste sich aber hauptsächlich selbst verteidigen. Am 19. Juni verhaftete die Polizei einen Major der transnistrischen Garde, der auf fahrlässige Weise, nur von einem Fahrer begleitet, durch die Stadt fuhr. In der Stadt brach eine spontane Rebellion aus, in dessen Folge die Polizeistation umzingelt wurde. Zum selben Zeitpunkt rückte eine Gruppe moldawischer Truppen gegen die Stadt Bender vor, während gleichzeitig in den städtischen Schulen die Feiern zum Schulabschluss stattfanden. Die moldawischen Soldaten werden sich später noch lange an den äußerst ungünstigen Zeitpunkt ihres Angriffs erinnern.
Der Angriff auf Bender ging unvermittelt in einen unglaublich chaotischen Straßenkampf über. Den Moldawiern gelang der Durchbruch zur Brücke über den Dnjestr, während transnistrische Milizen versuchten, vom Ostufer her in die Stadt einzudringen. Die Moldawier setzten Feldgeschütze ein und begannen damit, auf Fahrzeuge zu schießen, die versuchten, über die Brücke zu gelangen. Alles erschien wie eine Schlacht aus napoleonischer Zeit, mit Kanonen, die direkt auf Fahrzeuge und Panzer feuerten, die versuchten, in Bender einzufahren.
Interessanterweise wurde diese Kanonen-Batterie von einem ethnischen Russen, einem Oberst namens Leonid Karasew, kommandiert, der in Moldawien lebte und von den Ideen des Lokalpatriotismus durchdrungen war. Er feuerte persönlich einen Schuss aus einer Kanone ab, dass es die jungen Soldaten mit der Angst bekamen.
Währenddessen bestiegen Kosaken, nachdem sie erheblich Alkohol getrunken hatten, am Ostufer ihre Autos, fuhren unter Beschuss über die Brücke und eroberten die Kanonen-Batterie im Nahkampf. Oberst Karasew überlebte, aber seine Waffen gingen verloren. Später wurden sie in Bender zur Schau gestellt, beschriftet mit Graffiti, wo zu lesen war: "Ich werde nicht mehr schießen."
Schließlich strömte Verstärkung vom Ostufer nach Bender: Soldaten und Offiziere der 14. Armee, die auf der Seite von Transnistrien standen – und von denen viele Familie in der Stadt hatten – und sich den Kämpfen anschließen wollten. Dazu genügte es einfach, durch das Tor der Festung in die Stadt zu schreiten.
Der Kampf um Bender hätte viel zerstörerischer sein können, als er sich in Wirklichkeit entwickelte, da ein erheblicher Teil der Stadt aus Industrieanlagen bestand und das Wetter heiß und trocken war. Eisenbahnzüge, die Treibstoff transportierten, steckten am Bahnhof fest, und die Getreidesilos der Stadt waren mit getrockneten Kernen von Sonnenblumen vollgepackt. Ein Feuer brach aus und drohte, die Stadt vollständig zu zerstören.
Dank des unglaublichen Einsatzes ihrer Feuerwehr wurde die Stadt Bender gerettet. Selbst Feuerwehren aus Chișinău, von der gegenüberliegenden Seite der Front, kamen zu Hilfe. Der Feuerwehrmann Wjatscheslaw Tschetschelnitski erinnerte sich, dass er jeden Tag etwa ein Dutzend Einsätze hatte. Formal waren die Kämpfer bereit, die Feuerwehrleute ihre Arbeit machen zu lassen, aber in der Praxis bestanden beide Seiten aus paramilitärischen Milizeinheiten, Freiwilligen und bestenfalls Polizisten, denen schnell die Nerven durchgingen.
Außerdem verfehlte die Artillerie, die auf die Stadt schoss, oft ihre Ziele oder feuerte einfach willkürlich in die Stadt hinein. Viele Feuerwehrfahrzeuge kehrten daher oft beschädigt von ihren Einsätzen zurück, Feuerwehrleute mussten mit ihren Schläuchen zu den Brandherden kriechen. Am Ende konnten die Feuerwehrleute jedoch stolz auf sich sein: Bender wurde vom Feuer gerettet. Wjatscheslaw Tschetschelnitski zahlte jedoch einen schrecklichen Preis für diesen Triumph. Sein Bruder Igor, ebenfalls ein Feuerwehrmann, wurde bei Löscharbeiten durch eine Mörsergranate getötet.
Ein russischer General beendet die Sache
In der Stadt gab es noch mehrere Tage lang chaotische Straßenschlachten. In der Zwischenzeit fanden in der russischen Politik gravierende Veränderungen statt. Die 14. Armee, einst sowjetisch, wurde offiziell in die russischen Streitkräfte eingegliedert – und nun wurde der Krieg in Transnistrien zu einem Problem für die junge Russische Föderation. Infolgedessen reiste Alexander Lebed, ein damals in der russischen Armee angesehener General, inkognito in die Republik, um herauszufinden, was in Transnistrien vor sich geht. Er kam zu einem offensichtlichen Schluss: In der Region herrschte blutiges Chaos, und die 14. Armee war tatsächlich außer Kontrolle geraten und kämpfte unabhängig von einer Befehlskette und spontan.
Lebed begann damit, die Ordnung im Hinterland wiederherzustellen und die Plünderer und Banditen festzunehmen, die sich im Holzwerk verschanzt hatten. Dann, in der Nacht des 2. Juli, organisierte er einen kurzen, aber sehr intensiven Artilleriebeschuss auf die vorrückenden moldawischen Truppen. Mit seinem Hintergrund als sowjetischer Offizier verachtete Lebed die transnistrischen Rebellen, die er als Anarchisten bezeichnete, während er das moldawische Militär mit seiner nationalistischen Regierung als Faschisten betrachtete und versprach, beiden Seiten "einen Platz auf dem Strafbock zu verschaffen". Als eigentliches Ziel sowohl seiner Drohungen als auch seiner Angriffe stellte sich jedoch die moldawische Armee heraus, da diese die aktivere Partei war.
Das abrupte Ende des Konflikts
Der Krieg endete sehr abrupt. Tatsächlich benutzte General Lebed die 14. Armee wie einen Vorschlaghammer, mit dem alles umgenietet wurde, was nicht bereit war, die Kämpfe zu beenden. Zu denen, die über die Einstellung der Feindseligkeiten gar nicht erfreut waren, gehörte der charismatische Rebellenführer Oberstleutnant Kostenko. Er hatte es geschafft, sich während des Krieges viele Feinde zu machen, einschließlich seiner eigenen Vorgesetzten, denen er grundsätzlich nicht gehorchte. Kostenko wurde eines Nachts auf einer Autobahn abgefangen und kurzerhand liquidiert. Später wurde er zu einer Art "König am Fuße des Berges" lokalen Legende, nach der Kostenko manchmal sein eigenes Grab besucht. Wenn man jedoch das Garn der Legende weglässt, muss man festhalten, dass dieser Robin Hood des 20. Jahrhunderts tot ist.
Der Konflikt in Transnistrien war mittlerweile völlig festgefahren. Obwohl er sich zu einem blutigen Konflikt mit insgesamt bis zu tausend Toten entwickelte, darunter etwa 400 Zivilisten, war es eindeutig ein "Krieg ohne wirklichen Grund" und die gegnerischen Parteien konnten schließlich zur Vernunft zurückkehren. Bis heute hat Transnistrien die Beziehungen zu Moldawien nicht vollständig abgebrochen. Obwohl die Transnistrische Republik Moldau international nie offiziell anerkannt wurde, funktionieren ihre Wirtschaft und die sozialen Strukturen. Rebellenführer Igor Smirnow wurde Präsident und blieb es bis 2011. Obwohl er oft der Korruption beschuldigt wurde, ist es erwähnenswert, dass er seine Macht geordnet abgegeben hat.
Die Veteranen des Konflikts in Transnistrien zogen in andere Konfliktgebiete in der ehemaligen UdSSR weiter. Einer der außergewöhnlichsten unter ihnen war Igor Girkin, der später unter dem Pseudonym "Strelkow" bekannt wurde. Er kam als gewöhnlicher Rebell nach Transnistrien, bewaffnet mit seinem eigenen Karabiner aus dem Zweiten Weltkrieg, nachdem er gerade seinen Abschluss am Institut für Geschichte in Moskau gemacht hatte. Dieser umtriebige Mann kämpfte später in Bosnien an der Seite der Serben, dann in Tschetschenien an der Seite der russischen Armee und führte 2014 mehrere Monate lang die Rebellen in der Ostukraine in einem Krieg, der viel mit jenem in Transnistrien gemeinsam hatte. Ironischerweise musste er sich dort ukrainischen Nationalisten entgegenstellen, die mit ihm zusammen in Transnistrien auf der Seite der Rebellen gekämpft hatten. Viele Biografien der Kriegsteilnehmer sind ähnlich. Einige kämpften aus idealistischen Gründen, andere aus reiner Abenteuerlust und nahmen später an Konflikten auf dem Balkan, in Abchasien, Ossetien und Tschetschenien teil – kurz gesagt, an allen Kriegen und Konflikten, die sich aus dem Zusammenbruch der UdSSR ergaben.
Nach dem Krieg stellte sich der Status von Transnistrien selbst als zweideutig heraus. Ein kleines russisches Kontingent von Soldaten zur Sicherung des Friedens befindet sich bis heute noch in der Republik, was vielen Einwohnern auch Arbeit bietet. Aber die Republik hat nach wie vor keine internationale Anerkennung.
Auffallend ist jedoch, dass im Vergleich zu anderen Brennpunkten, die Feindseligkeiten zwischen den Parteien in Moldawien auf ein Minimum reduziert wurden. Heutzutage pflegen die Menschen aus Transnistrien und Moldawien oft persönliche Beziehungen und wirtschaftliche Kontakte. Obwohl Transnistrien seine Autonomie sehr streng verteidigt, ist es der Republik gelungen, die Beziehungen zu dem Staat, von dem es sich getrennt hat, nicht zu zerstören. Glücklicherweise begannen nach dem Krieg nationalistische Ideen in Moldawien schnell an Popularität zu verlieren.
Die Probleme, vor denen Transnistrien und Moldawien heute stehen, sind ähnlich, beide sind arme Provinzrepubliken. Wenn wir jedoch bloß den bewaffneten Konflikt betrachten, so muss man feststellen, dass dieser einer der am tiefsten eingefrorenen Konflikte im postsowjetischen Raum ist.
Der Krieg in Transnistrien ist ein wahres Mahnmal sowohl für die menschliche Dummheit als auch für den Idealismus. Krieg ist immer eine Tragödie, aber viele der Teilnehmer des Konflikts in Transnistrien pflegen romantische Erinnerungen an ihn. Die Transnistrische Moldawische Republik konnte sich aus eigener Kraft selbst bewahren und obwohl sich ihre sowjetische Orientierung in eine russische verändert hat – oder sogar eine Art Verschmelzung von russischer Geisteshaltung und sowjetischer Nostalgie vollzogen wurde –, besteht sie weiter. Und die moldawische Seite ist nicht bereit, diesen Konflikt mit Gewalt zu lösen.
Übersetzt aus dem Englischen.
Jewgeni Norin ist ein russischer Historiker mit Fokus auf Russlands Kriege und internationale Politik.
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