Kosovo sei das Land, das sich weltweit am stärksten zu der von den USA angeführten Militärallianz NATO sowie der EU bekenne. Das erklärte Vjosa Osmani, die Präsidentin der abtrünnigen serbischen Provinz Kosovo, in einem Interview mit dem Sender Al Jazeera. Die 39-Jährige war jüngst zu einem offiziellen Besuch in Katar.
Schon mehrmals in der Vergangenheit hatten sich die politischen Vertreter von Kosovo ähnlich geäußert. Der ehemalige Premierminister Ramush Haradinaj hatte gar in einem Interview erklärt, dass Pristina gar keine eigene Außenpolitik habe, sondern zu einem "Klub von Ländern" gehöre, die von den USA angeführt würden.
Die Politik im Kosovo, das sich 2008 für unabhängig erklärt hatte – was Serbien bis heute offiziell nicht anerkennt – hält seit Jahren unbeirrt an dem Ziel einer NATO-Mitgliedschaft fest. Das Thema steht ganz oben auf der außenpolitischen Agenda in Pristina. Auch der Beitritt zur Europäischen Union ist eines der erklärten Hauptziele.
Gleich nach Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine forderte Pristina die USA und ihre Verbündeten dazu auf, die Aufnahme des Balkanlandes in die NATO zu beschleunigen. Auch die Errichtung eines "ständigen Stützpunktes" der US-amerikanischen Streitkräfte in Kosovo erachtete der Verteidigungsminister in Pristina als "dringend nötig". Denn so könnten "Frieden, Sicherheit und Stabilität auf dem westlichen Balkan und darüber hinaus" gewährleistet werden.
Nun sprach die kosovarische Präsidentin im Interview mit Al Jazeera erneut von einer Notwendigkeit der NATO-Präsenz in diesem Teil Europas – erneut vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine. Osmani warf gar Russland vor, dass es "mit dem gleichen Ansatz" wie in der Ukraine fortfahren werde. Und zwar anderen Ländern, "die sich für den euro-atlantischen Weg entscheiden, zu drohen und ihnen auch damit zu drohen, dass man wie in der Ukraine verfahren werde." Sie fügte hinzu:
"Aber das sollte uns nicht davon abhalten, der NATO beizutreten."
Osmani erklärte, dass die NATO ihrer Ansicht nach nicht nur eine Militärmaschine, sondern ein wertebasiertes System sei. Sie betonte in diesem Zusammenhang:
"Wir wollen dem Bündnis wegen der Werte beitreten, die es vertritt, aber auch wegen der Sicherheit, die es der Region bringen würde."
Laut Osmani habe die Aufnahme der Länder Albanien, Montenegro und Nordmazedonien in die transatlantische Militärallianz der Region mehr Sicherheit gebracht.
Bereits Mitte März berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass die kosovarische Präsidentin in einem Brief an US-Präsident Joe Biden die Bitte geäußert habe, den Einfluss Washingtons in den NATO-Mitgliedsstaaten zu nutzen und ihrem Land zu helfen, dem Militärbündnis beizutreten. In dem Schreiben, das auf den 10. März datiert sein soll, habe die 39-Jährige betont, dass "nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine der Beitritt zur NATO ihre wichtigste nationale Sicherheitspriorität" sei. Das sei "eine Notwendigkeit".
In dem Brief führte Osmani an:
"Wir sind den anhaltenden Bemühungen Russlands ausgesetzt, das Kosovo zu untergraben und den gesamten westlichen Balkan zu destabilisieren."
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts bezeichnete Osmani in ihrem Interview mit Al Jazeera Moskau auch als eine Gefahr "für die Demokratie". Vor allem, wenn der russische Präsident Wladimir Putin bekomme, was er wolle, sei "das das Ende der Demokratie". Es sei "das Ende der Regeln des Völkerrechts". Alle Länder, ob groß oder klein, müssten sich vereinen, um dies zu verhindern und "sicherzustellen, dass das Putin-Regime fällt."
Im Kosovo sind derzeit rund 3.700 NATO-Soldaten stationiert, davon 600 aus den USA. Die selbst ausgerufene Unabhängigkeit der abtrünnigen serbischen Provinz wird auch von vier NATO-Mitgliedsländern – Spanien, Rumänien, der Slowakei und Griechenland – nicht anerkannt.
Laut der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates, die nach dem völkerrechtswidrigen Angriff der NATO auf Jugoslawien 1999 die Grundlage für eine Stationierung der internationalen Truppen unter der Leitung der NATO bildet, besitzt Kosovo keine eigene Armee – lediglich leicht bewaffnete Sicherheitskräfte.
Den Bombardierungen Jugoslawiens ging ein bewaffneter Konflikt zwischen den albanischen Separatisten der sogenannten "Befreiungsarmee des Kosovo" (UÇK) und der Armee und Polizei Serbiens voraus.
Doch die leicht bewaffneten Sicherheitskräfte Kosovos sind in den vergangenen Jahren mit materieller Unterstützung der transatlantischen Militärallianz modernisiert und ausgebildet worden. Vor wenigen Jahren hatten die Behörden in Pristina gar angekündigt, die Einheiten stufenweise in vollwertige Streitkräfte umzuwandeln. Das wiederum hatte in Belgrad scharfen Protest ausgelöst – vor allem aus Sorge um die Sicherheit der wenigen verbliebenen Serben (noch rund 100.000) in der abtrünnigen Provinz. Die serbische Armee hatte sich 1999 wie vereinbart aus Kosovo zurückgezogen. Seitdem sollen die dort stationierten internationalen Soldaten für die Sicherheit aller Bewohner sorgen.
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