Eine Analyse von Maria Müller
False-Flag-Attacken gegen Zivilisten und erfundene Vorwände für ein militärisches Eingreifen markierten die Weltgeschichte. Nicht zu vergessen ist der Überfall auf den deutschen Sender Gleiwitz durch SS-Männer, die als polnische Nationalisten getarnt waren, und so den Vorwand zum Einläuten des Zweiten Weltkrieges schufen. Seitdem gibt es eine lange Liste solcher inszenierten "Vorfälle" oder falschen Behauptungen, mit denen im 20. und 21. Jahrhundert die USA und andere NATO-Staaten in einem fremden Land intervenierten. Den Angriffen und Kriegen fielen Hunderttausende unschuldiger Menschen zum Opfer, man denke nur an Vietnam, Afghanistan, den Libanon, Irak, Libyen, Syrien, Jugoslawien … ohne die Militärüberfälle der USA in Lateinamerika zu erwähnen.
Große Gefahr eines gefälschten Angriffs mit Massenvernichtungswaffen
Heute steht die Welt erneut vor der großen Gefahr einer Provokation, die schlussendlich doch noch dazu führen könnte, dass NATO-Truppen in der Ukraine am Krieg teilnehmen. Maßgebliche Führer des transatlantischen Bündnisses stellen sich bislang noch gegen einen NATO-Einsatz auf ukrainischem Boden. Doch manche versuchen, ein "wahrscheinliches" oder "geplantes" russisches Vorgehen mit Bio- und Chemiewaffen immer stärker herbeizureden, was unweigerlich einen Vorwand für ein militärisches Eingreifen der NATO schaffen würde.
Nachdem das russische Militär Dokumente über die vom US-Verteidigungsministerium in der Ukraine betriebenen Biolabore veröffentlichte, kam eine neue Entwicklung in Gang. Die Papiere enthielten Listen von hochinfektiösen Bakterien und Viren sowie Beschreibungen von damit durchgeführten Experimenten, deren vollständige Offenlegung nun auch das chinesische Verteidigungsministerium fordert, zuletzt am 24.03. 2022.
Suggestive Warnungen schaffen ein Klima von Anschuldigungen
Seitdem steigerten sich täglich neue suggestive Warnungen von US-Politikern bis hin zum US-Präsidenten Joe Biden und dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz. Ohne die geringsten konkreten Daten oder Anhaltspunkte vorzuweisen, rufen sie immer lauter: Falls Russland "seine chemischen Waffen" in der Ukraine einsetzen würde, müsse es mit schwersten Konsequenzen rechnen. Denn dann wäre die "rote Linie" überschritten.
Bundeskanzler Scholz legte noch eines drauf: Am 23. März warnte er nicht nur vor chemischen Waffen, sondern auch vor den Biowaffen Russlands.
Womit belegen die Wortführer der neuen Diffamierungskampagne ihre Anschuldigung, Russland könne Massenvernichtungswaffen in der Ukraine einsetzen wollen? Noch nicht einmal ein gefälschtes Foto steht zur Verfügung.
Eine professionelle Verdrehungskunst dominiert die Ukraine-Informationspolitik
US-Präsident Joe Biden argumentierte am 21.03. allen Ernstes, dass "Russlands falsche Anschuldigungen, Kiew verfüge über biologische und chemische Waffen, zeigen, dass der russische Präsident Wladimir Putin erwägt, sie selbst in seinem Krieg gegen die Ukraine einzusetzen".
Wahrlich logische Rückschlüsse für einfache Gemüter! Immerhin bemerkt die Presse-Agentur Reuters, dass Biden keine Beweise anführe. Stichtag der Kampagne war der 19. März 2022 offenbar.
Das Verminen einer chemischen Anlage nahe der Stadt Sumy
An diesem Tag wurden in der Ukraine mehrere Vorfälle gemeldet, bei denen Angehörige des Asow-Bataillons in chemischen Anlagen Sprengsätze anbrachten oder Chemikalienbehälter in der Nähe von Siedlungen, Schulen oder öffentlichen Gebäuden abstellten.
Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums Generaloberst Michail Misinzew warnte, dass in der ukrainischen Stadt Sumy "Nationalisten" die Ammoniak- und Chlorlager des Chemiewerks Sumychimprom vermint hätten. Falls die russischen Streitkräfte einmarschieren, sollten die Lager zerstört und die Bewohner massiv vergiftet werden.
Zwei Tage später war es dann soweit: Die ukrainischen Behörden behaupteten, Russland habe eine Chemiefabrik im Nordosten der Ukraine beschossen und dadurch giftiges Ammoniak in die Luft geschleudert. Offenbar waren Gasbehälter perforiert worden. Glücklicherweise trieb der Wind die giftigen Schwaden von der Stadt Sumy weg, sodass niemand zu Schaden kam.
Bewusste Falschinformation der ukrainischen Regierung
Dazu äußerte sich der russische Vertreter Dmitri Poljanski im UN-Sicherheitsrat am 22. März:
"Die Behauptungen des Regimes in Kiew, dass die oben genannte (Chemie-)Fabrik von den russischen Streitkräften beschossen worden sei, hat sich als bewusste Falschinformation entlarvt. Wir sprechen von konkreten Fakten. Die ukrainischen Nationalisten setzen Ammoniak als Waffe ein. Die Bevölkerung von Sumy weiß nun, dass die Gefahr bereits zur Realität wurde."
Eine weitere Meldung des russischen Militärs am 19.03. lautete:
"Im Dorf Kotljarowo in der Region Nikolajew wurden Tanks mit giftigen Chemikalien im Gebäude der örtlichen Grundschule platziert, die bei Annäherung russischer Truppen detonieren sollen."
Kampfdokumente des ukrainischen Militärs verzeichnen Anlagen der chemischen Produktion
Am 22.03. spricht der russische Repräsentant im UN-Sicherheitsrat Dmitri Poljanski darüber, dass den russischen Streitkräften die Kampfdokumentation der 4. Brigade der ukrainischen Nationalgarde in die Hände gefallen ist.
Sie enthält eine Karte mit Koordinaten aller Anlagen auf dem Territorium der Ukraine, in denen giftige Substanzen gelagert oder hergestellt werden, sowie die technischen Daten bestimmter Substanzen.
Politischer Flankenschutz für terroristische Chemie-Aktionen
Natürlich berichten die westlichen Medien nichts davon. Denn diese Karte ist bereits der Beweis, dass die ukrainische Armee False-Flag-Aktionen mit Chemikalien in ihr Waffenarsenal mit einbezieht. Ist es dann nicht gefährlich, wenn westliche Politiker wie Bundeskanzler Scholz präventiv Russland beschuldigt? Wenn er damit den ukrainischen Militärs samt ihren rechtsradikalen Sonderbataillonen im wahrsten Sinne des Wortes propagandistische Deckung gibt? Der politische Flankenschutz macht erst den Weg frei für solche chemischen Attacken. Ohne ihn könnten sie politische Zweifel gegen Präsident Selenskij und sein Militär wecken und würden wahrscheinlich noch gebremst werden können. Spätestens seit der UNO-Sitzung am 22. März sind Scholz, Biden und die weiteren NATO-Staatsoberhäupter informiert. Wie reagiert die OSZE, die auch für das Überwachen von Chemiewaffen aller Art zuständig ist?
" Wir haben die internationale Gemeinschaft bei zahlreichen Gelegenheiten sowohl in der OPCW als auch im UN-Sicherheitsrat vor solchen Provokationen gewarnt. Zusätzlich haben wir dem Rat am 10. März ein Dokument über mehrere Szenarien chemischer Provokationen unter falscher Flagge durch die ukrainischen Radikalen vorgelegt", sagte Poljanski vor dem Sicherheitsrat.
Eine dirigierte Medienkampagne für ein neues Narrativ
Doch am 20.03.2022 geht die Kampagne erst richtig los. Nun betont der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, es werde eine aggressive Reaktion geben, falls Russland Chemiewaffen gegen Ukrainer einsetzt.
Ebenfalls am 20. März schwört der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, Russland würde wegen des Einsatzes chemischer oder biologischer Waffen in der Ukraine mit einer "erheblichen Reaktion nicht nur der Vereinigten Staaten, sondern auch der Weltgemeinschaft" konfrontiert werden.
Am gleichen Tag erklärt die republikanische Kongressabgeordnete Liz Cheney, dass der Einsatz chemischer Waffen durch Russland in der Ukraine von den USA und der NATO als "rote Linie" betrachtet werden sollte.
Der ukrainische Präsident Selenskij sagt einen "Dritten Weltkrieg" voraus, falls die Verhandlungen mit Putin scheitern. (20.03.)
Und Bundeskanzler Olaf Scholz hat persönlich den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Telefonat am 23. März vor dem Einsatz von Chemie- und Bio-Waffen in der Ukraine gewarnt.
Diese Stimmen sind nur eine Auswahl. Man sieht, wie ein solches Thema stufenweise über mehrere Tage hinweg "aufgebaut" wird und sich die Akteure die Bälle zuwerfen.
Russland hat seine chemischen Waffen unter OSZE-Aufsicht 2017 komplett beseitigt
Am 22.03.2022 erklärte die Botschaft Russlands in den USA nochmals über Twitter:
"Im Jahr 2017 hat Russland seinen Bestand an Chemiewaffen aufgelöst. Diese Tatsache wurde von der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen dokumentiert. Die USA wiederum verzögern absichtlich die Vernichtung der verbleibenden drei Prozent ihrer chemischen Waffen, die immer noch eine ernsthafte Bedrohung für den Planeten darstellen. Wir fordern die USA auf, alle ihre Chemiewaffen zu beseitigen."
Ein Angriff mit Chemiewaffen oder ein provoziertes Chemikalienunglück wäre für Russland politisch absolut kontraproduktiv
Was der immer weiter anwachsende Chor der suggestiven Verdrehungskünstler dabei weglässt, ist die politisch-militärische Strategie Russlands in der Ukraine. Die Föderation benötigt die künftige Zustimmung und Mitarbeit der ukrainischen Zivilbevölkerung in einem neutralen, entwaffneten, pazifistischen und vor allem entnazifizierten Land. Russland hat diese Ziele von Anfang an klar genannt. Das ist ein sehr schwieriges Unterfangen. Chemie-Angriffe gegen die Zivilbevölkerung würden diesen erklärten Zielen diametral zuwiderlaufen. Warum sollte Russland sich selbst schaden?
Solche Angriffe würden die Kriegsziele Russlands zunichtemachen – insofern liegen sie tatsächlich – objektiv – im Interesse des Westens.
Ein Nachtrag in letzter Minute:
Präsident Joe Biden sagte am Ende des NATO-Gipfels in Brüssel, wenn Russland chemische Waffen in der Ukraine einsetzen würde, werde dies "eine Reaktion" der NATO auslösen.
Auf die Frage, ob die USA spezifische Informationen über den Einsatz oder die Vorbereitung des Einsatzes chemischer Waffen durch Russland gesammelt hätten, sagte Biden, er könne keine Geheimdienstdaten kommentieren, sagte aber: "Wir würden antworten."
Das Weiße Haus in Washington, D.C. hatte bereits zuvor gewarnt, Moskau könnte sich darauf vorbereiten, chemische oder biologische Waffen einzusetzen oder eine "False-Flag-Operation" damit durchführen.
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