John Bolton zum Ukraine-Krieg: "Was wir erleben, ist eine Geschichte des westlichen Scheiterns"

In einem Interview mit dem "Spiegel" zum Ukraine-Krieg sagte der Ex-Sicherheitsberater der US-Regierung, er sei nicht davon überzeugt, dass Russland die gesamte Ukraine einnehmen wolle. Bolton erläuterte, Putin habe gesehen, dass die NATO schwach sei. Dies bedeute für ihn, dass Russland stark sei.

In einem Interview mit dem Spiegel zum Ukraine-Krieg sagte der Ex-Sicherheitsberater der US-Regierung, John Bolton, er sei nicht davon überzeugt, dass Russland die gesamte Ukraine einnehmen wolle.

"Ich glaube, Putin will die östlichen und südlichen Teile der Ukraine, wo vor allem die russischsprachigen Ukrainer leben. Und er will die totale Kontrolle über die Nordküste des Schwarzen Meeres, die er ja fast schon besitzt."

In einem solchen Szenario könne Russland aus diesem Teil der Ukraine einen russischen "Marionettenstaat" machen. Bolton glaube, Putin könnte diesen Plan schon erreicht haben, wenn seine Truppen nicht zusätzlich auf Kiew vorgerückt wären. 

Angesprochen auf seine Eindrücke von Präsident Putin, erklärte Bolton, dass er Putin als "kaltblütigen" und "rationalen Denker" kennengelernt habe, der die nationalen Interessen Russlands im Auge habe. Was rational sei oder nicht, "darüber mögen wir im Westen andere Ansichten haben als Putin". Aber das, was er nun in der Ukraine tue, sei völlig stimmig mit dem, was er immer gesagt habe, fügte Bolton hinzu. 

Auf die Frage, ob Putin sich dazu entschließen könnte, auch Atomwaffen einzusetzen, wenn Russland seine Ziele in der Ukraine nicht mit konventionellen Mitteln erreicht, meinte Bolton, er "glaube nicht, dass er dies tun wird". Denn das würde den Anführern der NATO-Staaten zeigen, dass es eine Gefahr für die Sicherheit und den Frieden in ganz Europa gebe, "nicht nur für die Ukraine".

"Im Moment sieht doch unsere Position folgendermaßen aus: Wir stehen so lange hinter den Ukrainern, bis es für uns unangenehm wird. Der Einsatz einer Atombombe würde diese Rechnung über den Haufen werfen, und deshalb glaube ich nicht, dass Putin das tun wird."

Auf die Frage, ob die gegenwärtige Lage im Zuge des Ukraine-Krieges so gefährlich wie die Kubakrise im Jahr 1962 ist, sagte Bolton dem Spiegel, die Situation heute sei nicht mit der von damals zu vergleichen. "Wir stehen nicht annähernd an einem Punkt, wo die Gefahr bestünde, dass Salven von Nuklearraketen abgefeuert würden."

"Was wir erleben, ist eine Geschichte des westlichen Scheiterns. Wir klopfen uns auf die Schultern und gratulieren uns gegenseitig, wie vereint die NATO ist. Aber wir haben es nicht geschafft, die Invasion der Ukraine zu verhindern."

Putin habe gesehen, so Bolton, dass die NATO schwach sei, was für ihn bedeute, dass Russland stark sei. Er habe gesehen, wie Donald Trump die "Existenz der NATO" als Ganzes infrage stellte; "vielleicht hat er sogar gedacht, dass Trump in einer zweiten Amtszeit die NATO verlassen würde". Auf jeden Fall sei Putin sicher nicht beeindruckt von der NATO gewesen, nachdem so viele interne Brüche offenkundig geworden seien. 

In seinen Memoiren "Der Raum, in dem es geschah" ging Bolton scharf mit Trump ins Gericht und warf ihm totale außenpolitische Ahnungslosigkeit vor. Bereits seit Jahren unterstützt Bolton republikanische Kandidaten, die sich dafür einsetzen, US-amerikanische Interessen in der Welt aggressiv geltend zu machen und im Notfall mit Gewalt durchzusetzen.

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