Eine Analyse von Paul A. Nuttall
Die Mitbewerber Macrons sind wegen seiner Zurückhaltung im anstehenden Wahlkampf zunehmend verärgert über das, was sie als einen unfairen Vorteil eines Amtsinhabers empfinden. Macron ist durch sein Amt in der Lage, die Medienagenda zu dominieren, indem er gleichzeitig mit der Rolle des Präsidenten von Frankreich und dem derzeitigen Vorsitz des Europäischen Rates jongliert. Allein in den vergangenen vierzehn Tagen hat er sich erfolgreich in den Mittelpunkt der Geschehnisse in Bezug auf die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine gestellt. Dreimal hat er mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen und ihn am vergangenen Montag bei einem Besuch im Kreml zu einem fast sechsstündigen Gespräch getroffen. Selbst seine glühendsten Kritiker müssen zugeben, dass Macron in den letzten Wochen staatsmännisch gewirkt hat.
Doch trotz Macrons jüngstem Erfolg auf der internationalen Bühne ziehen für den französischen Präsidenten in Afrika dunkle Wolken auf. Während die Medien der Welt nach Osten – nach Russland und in die Ukraine – blicken, wurde weitgehend ignoriert, was in Mali passiert ist. Mali ist eine große, aber extrem arme ehemalige französische Binnenkolonie in Westafrika. Das Land ist seit einigen Jahren ein politischer Scherbenhaufen und ein Brennpunkt dschihadistischer Aktivitäten im afrikanischen Westen. So sehr, dass 2013 eine von Frankreich geführte Koalition Truppen in der ehemaligen Kolonie stationierte, um der malischen Regierung bei der Abwehr von Angriffen islamistischer Militanter zu unterstützen. Der Truppeneinsatz wurde damals von der malischen Öffentlichkeit weitgehend begrüßt.
Obwohl die französisch geführte Koalition überwiegend erfolgreich war und die nördlichen Gebiete von Mali wieder unter Kontrolle bringen konnte, verschwanden die Militanten nicht. Sie führen seitdem einen Guerillakrieg in der Sahelzone, ein Gebiet, das vom Atlantik bis zum Roten Meer und durch Mali verläuft. Im August 2020 wurde die demokratisch gewählte Regierung von Mali, die von Paris unterstützt wurde, durch einen Militärputsch gestürzt. Dieser wurde von dem ehemaligen Chef der Spezialeinheiten des Landes, Oberst Assimi Goïta, angeführt. Damals behauptete Goïta, die Regierung sei durch Korruption gespalten und müsse daher entfernt werden. Die Öffentlichkeit in Mali und Oppositionspolitiker unterstützten den Putsch weitgehend. An seiner Stelle setzte Goïta, der sich selbst zum Vize-Premierminister ernannte, eine Zivilregierung ein, von der er behauptete, dass sie das Land zu neuen Wahlen führen würde. Doch im Mai 2021, nur neun Monate vor dem angesetzten Wahltermin, ließ Goïta den Präsidenten, den Premierminister und den Verteidigungsminister absetzen. Er selbst übernahm das Amt des Interimspräsidenten einer Übergangsregierung. Der Oberst behauptete, dass es sich nur um eine vorübergehende Regelung handeln würde, um die Wahlen im Februar 2022 sicherzustellen und zu überwachen.
Macron reagierte auf diesen Putsch – den zweiten innerhalb von weniger als einem Jahr – indem er zunächst die gemeinsamen französisch-malischen Militäroperationen einstellen ließ. Auch kündigt er an, die Zahl der französischen Streitkräfte in der Region zu reduzieren. Macron sagte:
"Es ist nicht die Rolle der französischen Armee, für die Tatenlosigkeit des malischen Staates einzuspringen."
Macrons Entscheidung, die französischen Truppen abzuziehen, ließ einige befürchten, das Land könnte das gleiche Schicksal wie Afghanistan erleiden und von neu ermutigten Dschihadisten überrannt werden.
In der Zwischenzeit wandte sich die Übergangsregierung von Goïta mit der Bitte um militärische Hilfe an Russland. Es folgten Berichte, dass russisches Militär zur Ausbildung der malischen Armee im Norden des Landes bereitgestellt wurde. Die Region ist aufgrund der Gewalt seitens der Dschihadisten nach wie vor nicht befriedet. Tatsächlich warnte der stellvertretende russische Außenminister, Oleg Syromolotow, im Dezember:
"In Afrika, insbesondere in der Sahara-Sahel-Zone, sind im Wesentlichen die Voraussetzungen für eine Wiederbelebung des terroristischen 'Kalifats' erfüllt."
Im Januar setzte die Regierung von Goïta die für Februar geplanten Wahlen bis ins Jahr 2025 aus. Das wiederum veranlasste die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS), deren Mitglied Mali ist, ein Handelsembargo gegen das Land zu verhängen. Die Situation in der Region wird durch weitere Umstürze aktuell noch zusätzlich verschärft. Ende Januar gab es im benachbarten Burkina Faso einen Putsch – der vierte in Westafrika in 18 Monaten – und ein weiterer wurde vorletzte Woche in Guinea-Bissau versucht. Gleichzeitig hat sich die Lage in Mali zunehmend verschlechtert und die Regierung verlangt, dass Dänemarks Militär das Land verlässt. Darüber hinaus bezeichnete der französische Außenminister, Jean-Yves Le Drian, das Regime von Goïta als "außer Kontrolle" und "illegitim". Dies wiederum führte dazu, dass dem französischen Botschafter 72 Stunden Zeit gegeben wurden, das Land zu verlassen.
Obwohl die Europäische Union ihre "Unterstützung und Solidarität mit Frankreich" bekundet hat, ist es schwer vorstellbar, wie die Franzosen in ihrer ehemaligen Kolonie noch eine Präsenz beibehalten können. Die Beziehung zwischen Paris und Bamako (Malis Hauptstadt) ist eindeutig zerrüttet. Wenn die Franzosen zum Rückzug gezwungen werden, wird dies vor allem für Macron eine schmerzhafte Erfahrung sein. Manche nennen es sogar sein "Waterloo" oder gar sein "Afghanistan".
Die Situation in Mali hat das Potenzial, das französische Prestige zu schädigen, wofür dann Macron den Pokal entgegennehmen muss. Das ist für den französischen Präsidenten äußerst unangenehm, zumal seine Mitbewerber im Vorfeld der Wahlen im April viel politisches Kapital aus der Situation schlagen werden. Wenn Mali während des Wahlkampfs zu einem wichtigen Thema wird und das Problem bis dahin nicht gelöst ist, könnte sich Mali tatsächlich als Macrons Waterloo erweisen.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Übersetzt aus dem Englischen.
Paul A. Nuttall ist Historiker, Autor und ehemaliger Politiker. Er war von 2009 bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments und war ein prominenter Aktivist für den Brexit.
Mehr zum Thema - Malische Übergangsregierung unter Druck – Massenproteste gegen Sanktionen und Frankreich