Bereits zwei Tage nach der Geburt können See-Elefantenmütter die Stimme ihrer eigenen Jungen erkennen und von anderen Jungtieren unterscheiden. Das hat ein Forscherteam vom Institut für Meereswissenschaften der Universität von Kalifornien, dem Institut für Neurowissenschaften Paris-Saclay und der Universität Lyon herausgefunden.
Während der Zeit im Spätherbst, wenn die See-Elefantenjungen zur Welt kommen, herrscht ein großes Stimmenwirrwarr in den See-Elefantenkolonien, weil sowohl die Mütter als auch die Jungen regelmäßig rufen. "Eine Kakophonie in einer Robbenkolonie", wie Dr. Caroline Casey es beschreibt, die dem Forschungsteam angehört und an der University of California in Santa Cruz arbeitet.
Laut dem in der Fachzeitschrift Biology Letters veröffentlichten Artikel wollten die Forscher erfahren, ob und wie die See-Elefanten-Mütter trotz des lauten "Geplappers" all der anderen Tiere inmitten des Lärms der Kolonie in der Lage sind, mit ihren eigenen Jungen zu kommunizieren, und warum manchmal auch fremde Jungtiere gesäugt werden.
Dazu stellten sie Mikrofone in der Nähe, also mitten in einer Herde von See-Elefanten in Kalifornien auf, ebenso auch Lautsprecher, über die sie zuvor aufgenommene Rufe der Jungtiere abspielen konnten.
Bei der Untersuchung der Aufnahmen und der Wiedergabe einiger dieser Aufnahmen in der Herde stellten die Forscher fest, dass die Mütter innerhalb von zwei Tagen nach der Geburt in der Lage waren, die Rufe ihres eigenen Nachwuchses zu erkennen und von den Rufen anderer Jungtiere in der Nähe zu unterscheiden. Doch reagierten einige Mütter extrem stark auf die Rufe ihrer Kinder, während andere eher variabel reagierten. Dabei zeigte sich, dass Mütter, die konsistent in ihrer Reaktion waren, eher schwereren Nachwuchs heranzogen. Die Stabilität der mütterlichen Reaktionen könnte demnach ein wichtiger sozialer Faktor sein, der das Wachstum der Welpen beeinflusst und sich letztlich auf die Überlebensrate nach der Entwöhnung auswirkt.
Jedoch blieb die Frage nach dem Füttern der anderen Jungtiere, denn dies verlangt den Müttern einiges ab: während des Säugens fasten die See-Elefanten-Mütter über Wochen und verlieren so bis zur Hälfte ihres Körpergewichts, während die Jungtiere aufgrund des hohen Fettgehalts der Muttermilch um das Siebenfache an Gewicht zunehmen.
"Die Weibchen fasten den ganzen Monat, in dem sie säugen", erklärt Dr. Casey. "Es ergibt also keinen Sinn für sie, ihre Ressourcen für das Jungtier einer anderen Mutter zu verwenden." Dennoch wurden in der untersuchten Kolonie in Kalifornien viele Weibchen beobachtet, die Jungtiere säugten, die sie nicht selbst zur Welt gebracht hatten.
Eine definitive Antwort auf die Frage nach der Fütterung anderer Jungtiere, obwohl der eigene Nachwuchs an der Stimme erkannt wird, haben die Forscher noch nicht. Sie vermuten jedoch, dass dabei sogar der Mensch eine Rolle gespielt hat. Denn See-Elefanten wurden im 19. Jahrhundert vom Menschen fast ausgerottet. Laut den Wissenschaftlern ist davon auszugehen, dass alle heute lebenden Individuen – rund 300.000 Tiere – mit den etwa 20 Tieren verwandt sind, welche damals überleben konnten.
Daher sind die heute lebenden Tiere alle relativ nah miteinander verwandt und die Jungtiere einer Kolonie sind sich genetisch gesehen sehr ähnlich. Dr. Casey und das Team möchte der Frage nachgehen, ob die Mütter also manchmal ihr eigenes Junges nicht erkennen, oder einfach so selbstlos sind, die Großfamilie durchzufüttern.
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