Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij und sein US-Kollege Joe Biden führten am Donnerstagabend ein Telefongespräch. Dieses begann eine Stunde später als von Kiew angekündigt und dauerte fast anderthalb Stunden. Eines der Hauptthemen des Gesprächs war die Konfliktbeilegung im Donbass sowie die Unterstützung seitens der USA an die Ukraine und Sanktionen gegen Russland im Falle einer "russischen Aggression" dort und eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO. Außerdem informierte Selenskij Biden über den Verlauf der innerpolitischen Reformen in der Ukraine.
Der Leiter des ukrainischen Präsidialbüros Jermak kommentierte nach den Gesprächen, sie hätten gleich mit dem Wichtigsten begonnen: Biden setzte Selenskij von seinem vorausgegangenen Videogespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Kenntnis. Selenskij selbst bestätigte nach dem Telefonat, der US-Staatschef habe ihn mit dem Inhalt seiner Konferenz mit Putin "vertraut gemacht".
US-Beteiligung an der Friedensregelung
Der ukrainische Präsident, so Jermak, "diskutierte mit Biden die Formate der US-Beteiligung an der Konfliktbeilegung im Donbass". Laut Jermak lasse der Gesprächsverlauf die Folgerung zu, dass "die USA beschlossen haben, sich aktiv am Friedensprozess zu beteiligen. […] Dies könnte parallel zum Normandie-Format verlaufen", mutmaßte er live in der Sendung "Recht auf Macht" des ukrainischen Fernsehsenders 1+1.
Jermak sagte, die USA stünden ausführlich in Kenntnis über den Inhalt der Verhandlungen der Kontaktgruppe zur Konfliktbeilegung im Donbass, ebenso wie über die ukrainischen Initiativen zur Rückkehr zum Waffenstillstandsregime, zur Öffnung der Kontrollpunkte und zum Austausch von Gefangenen.
Ferner habe Biden seinem ukrainischen Kollegen für den Fall einer russischen Aggression gegen die Ukraine Sanktionen gegen Russland (vor denen er auch Putin gewarnt habe) und Unterstützung für die Ukraine zugesichert – tatsächlich, so Jermak, hätten die USA "bereits mit dem Leisten von Hilfen begonnen".
Dabei, so Jermak, habe sein Chef Biden gegenüber bekräftigt, die Ukraine habe nicht vor, jemanden anzugreifen: "Wir wollen nur Frieden in unser Land bringen, unser Territorium zurückholen und unsere Menschen."
Überhaupt sei, so Jermak, das Gespräch sehr konstruktiv, gehaltvoll und in "warmer Atmosphäre" verlaufen:
"Am Schluss sagte Biden folgende wichtige Worte: 'Ich bin sicher, Herr Präsident, dass Sie die Möglichkeiten haben, und ich glaube daran, dass Sie schaffen werden, was niemand vor Ihnen im Lande geschafft hat. Denn ich habe eine besondere Beziehung zu Ihrem Land, habe es sehr gern und glaube an seinen Erfolg.'"
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Dieser butterweiche Ton des Klassenschleimers des Leiters des ukrainischen Präsidialbüros im Fernsehen entsprach auch dem Ton und Inhalt des Twitter-Beitrags des ukrainischen Präsidenten selbst zu diesem Thema. Wladimir Selenskij twitterte am Donnerstagvormittag Folgendes:
"Der US-Präsident machte mich mit dem Stand seiner Verhandlungen mit Wladimir Putin vertraut. Außerdem besprachen wir mögliche Formate der Konfliktbeilegung im Donbass. Tangierten auch das Thema des Verlaufs der Innenreformen in der Ukraine."
Als Letzter vor vollendete Tatsachen gestellt
Zahlreiche ukrainische Twitter-Nutzer äußerten heftige Kritik an ihrem Präsidenten. Beileibe nicht an letzter Stelle standen dabei Klagen über einen Souveränitätsverlust der Ukraine:
"Du wurdest als Letzter über das Schicksal deines Landes in Kenntnis gesetzt."
"Die haben sich beraten und Beschlüsse gefasst, und sie an euch zur Kenntnis und zur Ausführung weitergeleitet. Normal."
"Na wenigstens hat er ihn informiert, auch schon was. Er hätte die größte Führungspersönlichkeit der Moderne auch ignorieren können."
"Vor vollendete Tatsachen gestellt? Und welche neuen Formate sind denn da plötzlich aufgetaucht?"
"Wetten, du hast keine cojones, um zu erzählen, was für eine Tracht Prügel du bekommen hast? Aber wir verstehen schon, dass dir wie einem kleinen Külottenexkreteur ordentlich was auf den Allerwertesten zuteil wurde."