Am 30. Oktober beginnt in Rom ein zweitägiger Gipfel der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20). An dem Treffen beteiligen sich nicht nur die Staats- und Regierungschefs der führenden Wirtschaftsmächte, sondern auch ihre Finanz- und Wirtschaftsminister sowie Vertreter regionaler und internationaler Organisationen. Es ist das erste Mal seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie, dass ein internationaler Gipfel solcher Tragweite in Präsenzform ausgetragen wird.
Ins Gespräch kommen voraussichtlich der Klimawandel und die Energiekrise. Am zweiten Gipfeltag beginnt in Glasgow parallel die Weltklimakonferenz. Dort soll beraten werden, wie das 2015 im Pariser Klimaabkommen formulierte Ziel erreicht werden kann, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Auf dem G20-Programm stehen außerdem Diskussionen über einen Übergang zur nachhaltigen Entwicklung im Rahmen des 15-jährigen UN-Plans und Mittel gegen eine Regionalisierung der globalen Wirtschaft. Wichtige Themen des diesjährigen Forums sind auch die Situation in Afghanistan und die COVID-19-Pandemie.
G20 gegen Coronavirus
Die wichtigsten Wirtschaftsmächte wollen sich dafür einsetzen, dass bis September 2022 mindestens 70 Prozent der Bevölkerung in allen Ländern weltweit gegen Corona geimpft werden. Die Gesundheits- und Finanzminister der G20 haben am Freitag bei ihrem Treffen in Rom das Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO unterstützt, die bis Ende dieses Jahres eine Impfrate von über 40 Prozent anstrebt. In einer G20-Erklärung vom Freitag heißt es:
"Wir werden Schritte unternehmen, um die Versorgung mit Impfstoffen und wichtigen medizinischen Produkten anzukurbeln."
Obwohl die G20-Gesundheitsminister keine konkreten Maßnahmen vereinbart haben, hofft Ettore Greco, Vizechef des italienischen Instituts für Internationale Beziehungen (IAI), dass die führenden Wirtschaftsmächte neue Mechanismen ankündigen werden, die mehr Koordination zwischen den Mitgliedsstaaten im Gesundheitswesen gewährleisten sollen. Andrei Bystrizki, Vorstandsvorsitzender der Stiftung des Internationalen Diskussionsklubs Waldai, schließt seinerseits nicht aus, dass es Fortschritte bei der gegenseitigen Anerkennung von Impfzertifikaten geben könnte.
Russland und China machen per Videoschalte mit
Angesichts der COVID-19-Pandemie nehmen der russische Präsident Wladimir Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping an dem G20-Gipfel in Rom per Videoschalte teil. Nach Angaben des Kremlsprechers Dmitri Peskow wird sich Putin an mindestens zwei Sitzungen beteiligen. Ettore Greco zufolge könnte man die Entscheidung Moskaus und Pekings vor dem Hintergrund der steigenden Spannung mit dem Westen auch als Signal einer Distanzierung von dem G20-Format deuten.
USA nehmen am G20-Gipfel wieder teil
Nachdem Donald Trump das vorige G20-Treffen in Riad so gut wie ignoriert und sich durch seinen Finanzminister Steven Mnuchin hat vertreten lassen, macht sein Nachfolger Joe Biden an der Konferenz physisch mit. Der Demokrat will am Rande des Gipfels über die Energiekrise, die Lieferketten, das iranische Atomprogramm und andere aktuelle Themen diskutieren. Am Freitag hat Biden als zweiter katholischer Präsident in der US-Geschichte im Vatikan Papst Franziskus besucht und später mit seinem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron verhandelt.
Angela Merkel und Olaf Scholz treten in Rom als Duo auf
Die Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt bei dem Treffen in Rom Abschied von der ganz großen Weltbühne. Sie vertritt Deutschland dort aber nicht alleine, sondern mit dem möglichen Bald-Bundeskanzler Olaf Scholz. Das deutsche Duo wird unter anderen US-Präsident Biden, Frankreichs Präsident Macron und den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan treffen. Der SPD-Politiker wertet das als "gutes Kontinuitätssignal" an die internationalen Partner. Ihm zufolge blickten viele Länder auf die Entwicklung in Deutschland und wollten sichergehen, dass man auf die nächste Bundesregierung unter dem wahrscheinlichen Kanzler Scholz setzen könne. Alle könnten sich auf Deutschland verlassen.
Tausende Polizisten und Soldaten im Einsatz
Der Gipfel wird von 8.000 bis 9.000 Polizisten gesichert. Rund 2.000 Soldaten bewachen außerdem wichtige Gebäude, Sehenswürdigkeiten, Botschaften und Ministerien. Am Freitag ist es bereits zu kleineren Protesten für eine gerechtere Verteilung von Impfstoffen und eine Schulreform in Italien gekommen. Am Samstag will die kommunistische Partei gegen Ministerpräsident Mario Draghi demonstrieren. Aktivisten unter anderem von Fridays for Future wollen sich Samstagnachmittag nach eigenen Angaben südlich der Altstadt in Rom versammeln und in Richtung historisches Zentrum ziehen. Laut Nachrichtenagentur Ansa werden bis zu 5.000 Teilnehmer erwartet.
Die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer besteht aus der Europäischen Union und den stärksten Volkswirtschaften aller Kontinente: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei und die USA. Diese Staaten repräsentiert knapp zwei Drittel der Weltbevölkerung und vereinen vier Fünftel der weltweiten Wirtschaftskraft und drei Viertel des Welthandels. Bei jedem Gipfel sind auch internationale Organisationen wie die Weltbank und die Vereinten Nationen (UN) zu Gast. Seit dem Jahr 2008 finden die Treffen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs statt.
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(rt/dpa)