Au revoir, Kolonialismus – Marokkaner wollen Englisch statt Französisch

In Marokko wird in einer Kampagne gefordert, Französische als erste offizielle Fremdsprache des Landes durch Englisch zu ersetzen. Die Befürworter sehen darin eine Abkehr von der kolonialen Geschichte und bessere Chancen für die junge Generation. Auch britische Unternehmer scheinen ein gewisses Potenzial zu erkennen.

Die Sprachenvielfalt und -fähigkeit in Marokko ist womöglich für den gemeinen europäischen Besucher aus einem Ein-Sprachenland beeindruckend, unübersichtlich oder einfach bemerkenswert. Denn neben dem marokkanischen Arabisch als offizieller Amtssprache wird in den Behörden ebenso das Hocharabische verwendet. Während vielerorts noch dazu Berbersprachen gesprochen werden, sind aufgrund der französischen, und nicht zuletzt der spanischen Kolonialgeschichte des Landes bei vielen Marokkanern auch Kenntnisse in diesen beiden Sprachen vorhanden. Vor allem junge Menschen sprechen außerdem Englisch.

Während für Besucher Französischkenntnisse in weiten Teilen des Landes nützlich sind, erweist es sich als sehr hilfreich, auch den marokkanisch-arabischen Dialekt Darija zu beherrschen.
Die Sprache der Kolonialmacht Frankreich hat im Land zudem immer noch halboffiziellen Status. Etwa 33 Prozent der Marokkaner sprechen Französisch, davon rund 13,5 Prozent fließend, wie die Nachrichtenagentur Middle East Eye unter Berufung auf die Organisation Internationale de la Francophonie schreibt.

Aber das soll sich nun ändern. Zumindest, wenn es nach den Befürwortern der Kampagne "Ja zu Englisch statt Französisch in Marokko" geht.

Sie wollen Englisch statt Französisch als erste offizielle Fremdsprache des Landes einführen.

Den Unterstützern der Kampagne zufolge gilt Französisch nicht nur als Sprache der Kolonialherren, sondern ist auch unpraktisch. Schließlich werde es, im Gegensatz zu Englisch, weltweit kaum gesprochen. Im Rahmen einer Petition zur Unterstützung der Kampagne wurden bislang mehr als  4.100 Unterschriften gesammelt.

Auch Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit von Frankreich zeigt sich das Französische im Land weiterhin lebendig. Nicht nur aufgrund der Verwendung der Sprache in vielen Lebensbereichen, sondern auch im wirtschaftlichen Sektor. Noch im Jahr 2005 entfielen nämlich über 75 Prozent des marokkanischen Außenhandels auf Frankreich.

Dabei wird die marokkanische Hauptstadt Rabat von einigen sogar selbst als Kolonialmacht angesehen. Im Rahmen des von der Trump-Administration vorangebrachten Abraham-Abkommens hatte auch Marokko diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen. Im Gegenzug stimmte Trump zu, Marokkos "Souveränität" über das gesamte umstrittene Westsahara-Territorium anzuerkennen. Der Autonomievorschlag des Königreiches sei die "einzige Grundlage für eine gerechte und dauerhafte Lösung des Streits um das Gebiet der Westsahara." Marokko hatte die riesige Westsahara-Region, eine ehemalige spanische Kolonie, im Jahr 1975 annektiert. Für einige Befürworter der derzeitigen Kampagne zur Förderung der englischen Sprache im Land scheint vor diesem Hintergrund weniger die Frage nach der kolonialen Vergangenheit ausschlaggebend zu sein. Von weitaus größerer Bedeutung dürfte wohl die Frage sein, wer von der Einführung des Englischen profitiert.

Aus dem Vereinigten Königreich jedenfalls, das aufgrund seiner kolonialen Vergangenheit auch oft kritisiert wird, kommen vermehrt Stimmen wie die des Brexiteers Robert Kimbell. Der hob zuletzt auf Twitter das wirtschaftliche Potenzial und die Visionen des Unternehmers Richard Branson für die Westsahara hervor. Auch dazu passt das aktuelle Engagement der Englisch-Befürworter.

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