"Ein Dolchstoß in den Rücken", so beschrieb der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian die Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, ein neues Dreierbündnis namens AUKUS zwischen den USA, Großbritannien und Australien zu bilden. Unter dem Vorwand, China im Indopazifik die Stirn bieten zu wollen.
Vor dem Hintergrund dieser neuen Partnerschaft, kündigte Australien einen Rekordvertrag mit dem französischen Marineschiffbauunternehmen Naval Group auf, und einigte sich mit den USA und Großbritannien auf eine Verteidigungskooperation in der Indopazifik-Region.
Der Westen des 21. Jahrhunderts ist offenbar nicht mehr der Westen des nordatlantischen Raumes. Für die USA ist die Rivalität mit China an die Stelle des alten Ost-West-Konflikts getreten. Das US-Magazin The National Interest ging diesbezüglich der Rolle von Großbritannien bei der Unterzeichnung des Militärpaktes AUKUS nach und analysierte, wie sich die Briten nach dem Brexit in dem wieder erstarkenden Großmachtwettbewerb als neuer Hauptakteur zu positionieren versuchen. Der Autor des Artikels in dem US-Magazin vertritt die These, dass das heutige Europa zunehmend dem ähnele, was es vor 1939 einmal war.
"Ob AUKUS einen größeren Konflikt in Eurasien auslösen wird, bleibt abzuwarten."
Der britische Premierminister Boris Johnson hatte bereits den Brexit als Chance für sein Land gefördert, weitere globale strategische Abkommen ohne Einschränkung der EU zu schließen.
"Zu diesem Zweck versucht Großbritannien drei Ziele zu erreichen: Zu verhindern, dass eine europäische Macht zum Herausforderer Londons aufsteigt, Russland daran zu hindern, dass es das östliche Mittelmeer dominiert, sowie China daran hindern, die indopazifischen Handelsrouten zu kontrollieren, die für den wirtschaftlichen Wohlstand Großbritanniens von entscheidender Bedeutung sind."
Die französisch-britische Rivalität trete im östlichen Mittelmeer am deutlichsten zu Tage. London habe alle möglichen Schritte unternommen, um "das wahrgenommene nationale Interesse von Paris" zu untergraben. Insbesondere in Libyen. London wolle Frankreichs Aussichten schwächen, in Abwesenheit des Vereinigten Königreichs eine dominierende Macht in der EU zu werden. Zu diesem Zweck hätten sich die Briten auf die Seite der Türkei gestellt, dem Erzrivalen Frankreichs in Libyen und im östlichen Mittelmeerraum. Wobei Frankreich aber auch nicht gezögert habe, die Briten zu verärgern. Indem es in Libyen nämlich eine Politik der Annäherung an Russland verfolgte.
Londons Lobbyhelfer in der EU sei auch nach dem Brexit weiterhin Malta – ein Mitgliedsstaat des britischen Commonwealth. Im Mai 2020 legte Malta sein Veto gegen die Finanzierung der Operation IRINI ein, eine militärische Operation der EU-Staaten, um das Waffenembargo der Vereinten Nationen gegen das Bürgerkriegsland Libyen durchzusetzen. Dabei ging es insbesondere um Waffen, welche die Türkei an ihren Verbündeten liefern wollte, nämlich die ehemalige Einheitsregierung (GNA). Malta gehört ebenfalls zu den fünf Staaten, die eine von Frankreich und Griechenland auf den Weg gebrachte EU-Resolution blockierten. Diese sollte ein Waffenembargo gegen die Türkei verhängen, weil Ankara eine feindliche Politik gegenüber Zypern verfolgte und die Gasförderung im östlichen Mittelmeer vorantrieb.
London hat insbesondere türkische Drohnen auch weiterhin mit der für deren Herstellung notwendigen Technologie versorgt. Und das zu einem Zeitpunkt, als US-amerikanische und kanadische Firmen ein Waffenembargo gegen die Türkei verhängten. Im Mai 2020 halfen türkische Drohnen und Luftverteidigungssysteme der von der Türkei unterstützten GNA-Regierung bei der Rückeroberung von fast ganz Westlibyen. Dieses Gebiet hatte zuvor lange Zeit unter der Kontrolle von General Haftar und seinen Streitkräften gestanden.
Der Artikel des US-Magazins ging unter anderem auch auf den Syrien-Konflikt ein. Denn dort stoßen die unterschiedliche Interessen Frankreichs und Englands offenbar ebenso aufeinander: "Während Macron die Vertreter der syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) im Elysée-Palast empfing und damit den Zorn der Türkei auf sich zog, erklärte London, die YPG sei Teil der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), die von vielen NATO-Mitgliedern als terroristische Organisation angesehen wird."
Paris wird, so der Autor des Artikels, wahrscheinlich Schritte unternehmen um seinen "verletzten Stolz" wiederherzustellen. Das allerdings mit "schwerwiegenden Folgen".
"Die Franzosen stellten den Sinn einer NATO-Mitgliedschaft bereits in Frage, und die U-Boot-Frage gibt ihnen einen konkreten Anlass, Frankreichs Position im transatlantischen Bündnis zu revidieren, wie es Paris schon einmal 1966 unternahm."
Nachdem Frankreich sich bereits im östlichen Mittelmeer bei Russland "eingeschmeichelt" habe, sei von Paris zu erwarten, dass es seine Busenfreundschaft mit Moskau noch weiter stärken werde. Das sei mehr als genug, um die Grundlagen der NATO zu beschädigen sowie Bedenken bei Polen, den baltischen Staaten, der Ukraine und Georgien aufkommen zu lassen, so The National Interest.
Der Autor kommt bei TNI zu dem Schluss, Emmanuel Macron könnte zu "drastischen Schritten" in der Außenpolitik greifen – angesichts seines Schwächelns gegenüber seiner politischen Rivalin Marine Le Pen, die bekanntlich enge Beziehungen zu Wladimir Putin unterhält.
Mehr zum Thema - Paris: Europäer müssen Allianzen und Partnerschaften überdenken