Die USA fordern Russland auf, die Erdgaslieferungen nach Europa durch die Ukraine zu erhöhen, um die in die Höhe schießenden Energiekosten einzudämmen. Dabei behalten sie ihre ablehnende Haltung gegenüber der Inbetriebnahme der russischen Pipeline Nord Stream 2 bei. In einem Interview mit Bloomberg TV erklärte der Senior-Berater für Energiesicherheit im US-Außenministerium Amos Hochstein:
"Die Realität ist, dass es Pipelines mit ausreichender Kapazität durch die Ukraine gibt, um Europa zu versorgen. Russland hat immer wieder erklärt, dass es über genügend Gasvorräte verfügt, um dies zu tun. Wenn das stimmt, dann sollten sie es tun, und zwar schnell durch die Ukraine."
Er sagte, die Gaslieferungen aus Russland nach Europa seien "unerklärlich niedrig, sowohl im Vergleich zu früheren Jahren als auch im Vergleich zu dem, wozu sie in der Lage sind". Hochstein hob hervor, dass die Weigerung des russischen Energiekonzerns Gazprom, für Oktober zusätzliche Gaslieferungen durch ukrainisches Gebiet zu buchen, "diese Besorgnis verstärkt".
Hochstein wirft Moskau vor, die Energiekrise in Europa auszunutzen, um die Inbetriebnahme der neu gebauten Nord Stream 2-Pipeline zu beschleunigen, die von Russland durch die Ostsee nach Deutschland führt. Der Beamte betonte, dass US-Präsident Joe Biden und seine Regierung die Inbetriebnahme der Pipeline ablehnen.
Währenddessen erreichen die Gaspreise in Europa immer neue Rekorde. Oktober-Futures an der niederländischen TTF-Börse erreichten in diesem Monat den Rekordwert von 963,9 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter, während der geschätzte Preis am 20. September bei 911,2 US-Dollar lag.
Der russische Energiekonzern Gazprom hat wiederholt auf den Zusammenhang zwischen den hohen Gaspreisen und die im Hinblick auf den nahenden Winter nicht mehr benötigten Reserven in den europäischen Untergrundspeichern hingewiesen. Am 19. September waren diese Reserven zu 72 Prozent gefüllt, wie die Nachrichtenagentur TASS berichtete, was fast 14 Prozent weniger ist als in den vergangenen fünf Jahren.
In der vergangenen Woche betonte Gazprom jedoch, dass seine derzeitigen Gaslieferungen nach Europa in vollem Umfang mit den bestehenden Verträgen übereinstimmen. Das Unternehmen war aufgrund der hohen Gebühren nicht bereit, zusätzliche Transitmengen in den durch die Ukraine verlaufenden Pipelines zu buchen.
Außerdem rechnet der Gaslieferant mit der Inbetriebnahme von Nord Stream 2, einer Pipeline, die jährlich für den Transport von 55 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas verwendet werden kann. Die tägliche Lieferkapazität der Pipeline ist vergleichbar mit der gesamten Flüssiggasmenge, die derzeit nach Europa geliefert wird.
Allerdings muss Russland nun bis zu vier Monate auf die für den Beginn der Lieferungen erforderliche EU-Zertifizierung warten. Das Projekt wurde auf Druck Washingtons und einiger osteuropäischer Länder, die in den zunehmenden Energieimporten aus Russland eine Bedrohung für die Energiesicherheit Europas sehen, wiederholt verzögert.
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