Im Privatjet: Opa entführt sechsjährigen Überlebenden italienischen Seilbahn-Unglücks nach Israel

Eigentlich hätte der kleine Eitan, der einzige Überlebende des Seilbahn-Unglücks vom Lago Maggiore, am Montag in Pavia seinen ersten Schultag gehabt. Doch am Wochenende wurde er vom Großvater heimlich nach Israel gebracht. Die Verwandten in Italien sind entsetzt.

Bei dem weltweit aufsehenerregenden Seilbahn-Unglück am Lago Maggiore hatte der kleine Eitan im Frühjahr seine beiden Eltern, den Bruder und zwei Urgroßeltern verloren. Die Anteilnahme am schweren Schicksal des einzigen Überlebenden war groß. Während die körperlichen Verletzungen des Sechsjährigen langsam heilten, entbrannte zwischen den Verwandten väterlicherseits in Italien und der Familie der Mutter in Israel ein Sorgerechtsstreit um den Vollwaisen. Und dieser ist am Wochenende eskaliert: Der Großvater brachte den Jungen entgegen einer richterlichen Anordnung und zum großen Schreck der sorgeberechtigten Tante Aya Biran-Nirko aus Italien in einem Privatjet nach Israel.

Biran-Nirko beschuldigt den Großvater, ihren Neffen entführt zu haben: "Wir machen uns so große Sorgen", sagte die Frau am Sonntag unter Tränen, als sie vor ihrem Haus in Pavia mit Reportern sprach. Ihr Anwalt Massimo Sana bestätigte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage, dass der kleine Eitan nach Israel gebracht worden war.

Eigentlich hätte der Großvater mit dem Jungen nur einen Ausflug machen sollen. Am Abend aber kamen beide nicht zurück zu Biran-Nirko, die von einem Gericht als Vormund bestimmt worden war. Den Reisepass des Sechsjährigen habe der Großvater trotz einer Anweisung des Gerichts nicht abgegeben, sagte die Tante väterlicherseits.

Die Staatsanwaltschaft in der norditalienischen Stadt Pavia ermittelt bereits wegen Kidnappings. Zugleich würden internationale Regelungen geprüft, um den Jungen nach Italien zurückzuholen, ergänzte der Anwalt. Auch diplomatische Kanäle wurden demnach aktiviert. Das israelische Außenministerium teilte zunächst mit, man prüfe den Fall.

Vor "Rührung geschrien"?

Die Verwandten in Italien fürchten nach der Seilbahn-Katastrophe am Pfingstsonntag ein weiteres Trauma für den Jungen. Dabei habe für ihn doch am Montag mit der Einschulung in die erste Klasse ein neues Leben anfangen sollen. "Sein Bett ist leer, die Spielsachen und Kleider wurden zurückgelassen, sein neuer Schreibtisch, der Schulranzen, die Hefte, Bücher, Federmäppchen ...", klagte die Tante. In Pavia in der Lombardei habe Eitan schon als Säugling gelebt, das sei seine Heimat.

Doch genau dem widersprechen die Verwandten in Israel. "Wir haben Eitan nach Hause zurückgebracht", sagte Gali Peleg, die Schwester der bei dem Unglück am 23. Mai getöteten Mutter des Jungen, dem israelischen Radiosender 103FM am Sonntag. "Wir haben Eitan nicht entführt, wir werden dieses Wort auch nicht verwenden."

Der Junge sei der in Israel lebenden Familie "unrechtmäßig entzogen" worden, er stehe ihr und der Familie der Mutter näher als der Tante in Italien. "Bei dem Treffen hier hat er vor Rührung geschrien und gesagt: Endlich bin ich in Israel", behauptete die Frau.

Eitan hatte im Frühjahr als Einziger den Seilbahn-Unfall auf dem Monte Mottarone am Lago Maggiore überlebt, bei dem neben seinen fünf Verwandten noch neun weitere Menschen starben. Ein Zugseil war gerissen, die Notbremsen waren bisherigen Ermittlungen zufolge blockiert, sodass die Gondel talwärts rauschte, an einer Seilbahnstütze aus der Verankerung sprang und zu Boden krachte.

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(rt/dpa)