von Tom Fowdy
Soros ist wahrscheinlich der am meisten gehasste Milliardär weltweit, wofür es eine Vielzahl an Gründen gibt. Nicht alle davon sind legitim oder angemessen. Dennoch teilen Rechte und Linke ein tief verwurzeltes Gefühl der Abneigung. Für niemanden ist er ein Held. Er gilt entweder als ein verächtlicher politischer Buhmann, den man aufgrund seiner proaktiven, als liberal ausgegebenen Philanthropie mit vielen radikalen Bewegungen weltweit in Verbindung bringt. Oder er gilt als eine "Raubtierkapitalist", der davon profitiert hat, Volkswirtschaften verschiedener Länder durch seine Attacken gegen Währungskurse aus den Angeln zu heben.
Er ist der Mann, der "die Bank of England sprengte", eine Krise in Malaysia auslöste und half, die asiatische Finanz-, Währungs- und Wirtschaftskrise von 1997 zum Politikum werden zu lassen. Dass kaum jemand daran glaubt, sein finanzwirtschaftlicher oder politischer Interventionismus diene den Interessen der attackierten Länder, wird dabei immer wieder betont.
Als entschiedener Ideologe des Liberalismus hat sich der 91-Jährige nun entschlossen, China unter Xi Jinping wirklich nicht zu mögen. Und er hat in den letzten Wochen mehrere dementsprechende Meinungsartikel in führenden liberalen Medien veröffentlicht, einschließlich Financial Times und Wall Street Journal. Darin greift er Xi wegen dessen staatlicher Interventionen bei Umwälzungen im chinesischen Technologiesektor sowie wegen dramatischer Reformen an, die von vielen als "Linksruck" aufgefasst werden. Soros hat den Anführer Chinas als eine Bedrohung für die Werte der freien Welt gebrandmarkt.
Er hat auch die kürzlich von der US-Investmentgesellschaft BlackRock getroffene Entscheidung kritisiert, ihr erstes privates Unternehmen in China zu gründen. Obwohl dieses Unternehmen allein in der ersten Woche eine Milliarde Dollar einbrachte, bezeichnete Soros die Entscheidung als "schlechte Investition" und "schwerwiegenden Fehler", der die "nationale Sicherheit" der Vereinigten Staaten bedroht, wobei er vernichtend anmerkte, die Reformen von Xi würden Chinas Glaubwürdigkeit als Markt für private Investitionen untergraben.
Es wäre unfair, Soros in geschäftlichen Angelegenheiten einen Dummkopf zu nennen – nicht zuletzt deshalb, weil er nicht so erfolgreich gewesen wäre, würde er sich nicht in markwirtschaftlichen Dingen gut auskennen. Geht es allerdings um China, ist sein Verstand offenbar verblendet von Ideologie und durch seine bitteren wiederholten Fehlschläge in der Vergangenheit, Chinas Währung – den Yuan – zu "shorten", um dann die Kursgewinne zu kassieren. Seine Interessen lassen ihn nicht erkennen, dass das, was er von China erwartet, keineswegs zwangsläufig im Interesse Chinas oder dessen Bevölkerung ist.
In einem Blog auf der Investoren-Seite von Stansberry Research wurde Soros dafür von Dan Ferris gnadenlos kritisiert. Ferris beschrieb, wie schnell ideologische Vorureile unsere Investment-Überlegungen vernebeln oder auf nachteilige Weise prägen können, und erklärte:
"Um als Investor auf dem globalen Aktienmarkt erfolgreich zu sein, sollte man zuerst seine ideologischen Vorurteile für oder gegen ein bestimmtes politisches oder Glaubenssystem hinter sich lassen. Zum Beispiel ist die Vorstellung, Kommunismus sei schlecht und man solle deshalb niemals Aktien in einem kommunistischen Land kaufen, kein seriöses Investitionskonzept."
Und er fügt noch hinzu: "Um Erfolg zu haben, unterlässt man besser pauschalisierende Annahmen über politische Ordnungen."
Ein Investor ist selten ein Ideologe. Gewiss verabscheuen sie politische Risiken, aber sie verdammen nie allein auf dieser Grundlage irgendwelche Werten – es sei denn, diese sind nachweislich schädigend und für ihr Geld untragbar. Vermutlich ist die Meinung von Soros gerade deshalb unter Investoren die einer Minderheit.
Aber seine Ansichten sprechen Bände über die Realitätsferne vieler in Politik und Medien des Westens, die oft ebenso ideologisch urteilen, wenn es um China und dessen Sichtweise geht.
Während sie ebenso wie Soros den Untergang predigen und dabei auf die zunehmenden Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und China verweisen, bleiben die meisten der berühmtesten Investoren auf der Welt – wie etwa Ray Dalio, der Gründer von Bridgewater Associates als dem größten Hedgefonds der Welt – außerordentlich optimistisch, was das Land und dessen Zukunftsaussichten betrifft. Nie waren chinesische Anleihen unter ausländischen Investoren beliebter. Und warum? Weil China ein riesiger Markt ist, mit dem weltweit größten Wirtschafts-, Finanz- und Verbraucherpotential und weil das Land die Vereinigten Staaten etwa im Jahre 2032 darin übertreffen wird.
Xi hat tatsächlich in einigen Bereichen hart durchgegriffen, aber Ferris bemerkt, dass die Talsohle bereits erreicht sei und die Wirtschaft wieder rollt. Chinesische Firmen produzieren, kaufen und exportieren in zunehmend größerem Maße. Für die große Mehrheit der Investoren geht es nicht darum, ob sie das eigene Geld in diesem Markt investieren, sondern eher um die Frage, wo man investieren sollte und wie die Gewinner zu finden sind. Technologie-Giganten wie Didi und Tencent mögen gegenwärtig schlechte Tipps sein, aber wie ist es mit Branchen wie Einzelhandel, Mode, Fahrzeuge, Nahrungsmittel, Hardware, Halbleiter und Immobilien? Die Liste ließe sich verlängern und selbst die tagtägliche giftige Propaganda der Mainstream-Medien der Vereinigten Staaten und Westeuropas vertreibt die Investoren nicht. Aber selbst wenn wir die Meinungen der Anleger völlig außer Acht lassen, ändert sich dann die Argumentation?
Die Antwort lautet: Nein. Denn die andere Kritik an den Äußerungen von Soros lautet, dass er stets davon ausgeht, das, was er sagt, sei gut für den Markt ist, und das, was seinen Interessen dient, diene auch den Bedürfnissen des ganzen Landes und sollte daher den Vorzug genießen.
Schon der Gedanke, China werde womöglich vom "vorbestimmten Pfad zur Liberalisierung" abweichen, den es ab 1978 eingeschlagen hat, und könnte davon auch noch gedeihen, ist in den politischen Kreisen des Westens nackte Blasphemie. Soros ist offenbar ein Anhänger jener Gedankenwelt, wonach Chinas anhaltender Wohlstand davon abhänge, dass es sich liberalisiert, und dass alles, was von diesem Pfad abweicht, zum Scheitern verurteilt sei. Daher die jüngste Litanei von Horrorvisionen, in denen Xis Umwälzungen abwertend mit der verheerenden Kulturrevolution des Vorsitzenden Mao in den 1960er Jahren verglichen werden.
Bei dem Thema China weiß Soros einfach nicht, wovon er spricht. Er ist ein kluger Kopf, aber auch bekannt (und allgemein verabscheut) für seinen Opportunismus. Er hat ideologische Scheuklappen hinsichtlich seiner Überzeugung, dass staatliche Eingriffe und der Reiz des "Kommunismus" von Natur aus grundsätzlich schlecht sind. Seine gescheiterten Wetten gegen den Yuan machen deutlich, wie falsch er lag, und er läuft Gefahr, zu einer sehr vermögendem Version von Gordon Chang zu werden, jenem diskreditierten US-Autor, der – gleich einigen fanatisch predigenden Evangelikalen: "Das Ende naht!" – seit nunmehr zwei Jahrzehnten Chinas Zusammenbruch vorhersagt. In dieser Zeit wurde China – wie es die BBC ausdrückte – zum "Wirtschaftswunder" der ganzen Welt.
Soros "shortet" nicht nur Währungen, sondern er rasiert auch seine eigene Glaubwürdigkeit, indem er auf den bevorstehenden Zusammenbruch eines politischen Systems wettet, weil es für ihn einfach keinen Sinn ergibt – im Unterschied zu Hunderten von Millionen Chinesen wie auch zu vielen cleveren ausländischen Investoren.
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Übersetzt aus dem Englischen. Tom Fowdy ist britischer Autor und Analyst für internationale Beziehungen, mit Schwerpunkt auf Ostasien.
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