Kurz vor Mitternacht Kabuler Zeit hob das letzte der drei noch verbleibenden US-Militärflugzeuge vom Typ C-17 vom Hamid Karzai International Airport in Kabul ab, wie General Kenneth McKenzie, Befehlshaber des United States Central Command (CENTCOM) und zuständiger US-Kommandeur für die Region, in einer knappen Videoschalte mit Journalisten im Pentagon bestätigte. Er sagte:
"Ich bin hier, um die Vollendung unseres Abzugs aus Afghanistan zu verkünden."
Sobald die letzte Maschine des US-Militärs den afghanischen Luftraum verlassen hatte, veröffentlichte das US-Verteidigungsministerium ein Bild des "letzten US-amerikanischen Soldaten", der Afghanistan verlässt. Auf dem mit einem Nachtsichtgerät aufgenommenen Foto ist zu sehen, wie Generalmajor Chris Donahue die letzte Boeing C-17 besteigt.
Auch RT-Korrespondent Murad Gasdijew, der die Ereignisse der letzten Tage in Kabul vor Ort miterlebt hat, twitterte in der Nacht auf Dienstag:
"Der US-Krieg in Afghanistan hat 19 Jahre, zehn Monate und 25 Tage gedauert. Der Krieg ist vorbei. Die letzten US-Truppen haben soeben den Flughafen Kabul verlassen. Die Taliban haben gewonnen."
Die Taliban haben am Kabuler Flughafen den endgültigen Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan mit feierlichen Schusssalven in die Luft bejubelt, die über mehrere Kilometer hinweg in der Umgebung zu hören waren. In einem Tweet versicherte Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid, dass die abgefeuerten Schüsse Freudenschüsse seien und die Menschen sich keine Sorgen zu machen bräuchten.
Zum historischen Abzug äußerte sich auch das hochrangige Taliban-Mitglied Anas Hakkani auf Twitter:
"Wir schreiben wieder Geschichte. Die 20-jährige Besatzung Afghanistans durch die USA und die NATO endete heute Abend. Gott ist groß."
General McKenzie betonte in seiner Stellungnahme ferner, nun sei kein einziger US-Soldat mehr in Afghanistan. Er räumte aber ein, es sei nicht gelungen, alle Menschen auszufliegen, die man in Sicherheit hatte bringen wollen:
"Wir haben nicht alle rausgeholt, die wir rausholen wollten."
Man habe bis zum letzten Moment die Möglichkeit gehabt, weitere US-Bürger zu evakuieren. Aber einige hätten es nicht zum Flughafen geschafft, hieß es.
Seit Beginn der Evakuierungsmission der USA und ihrer internationalen Partner nach der Machtübernahme durch die Taliban Mitte August habe allein das US-Militär McKenzie zufolge mehr als 79.000 Zivilisten aus Kabul ausgeflogen, darunter rund 6.000 US-Amerikaner. Gemeinsam mit ihren Verbündeten hätten die Vereinigten Staaten insgesamt mehr als 123.000 Menschen außer Landes gebracht.
Nach Einschätzung des US-Außenministeriums sind noch zwischen 100 und 200 US-Amerikaner in Afghanistan, die das Land verlassen wollen. US-Präsident Joe Biden hatte allen ausreisewilligen US-Bürgern versprochen, sie aus Afghanistan herauszuholen. Der US-Präsident und sein Außenminister Antony Blinken versicherten, die US-Regierung werde nach dem Abschluss des Truppenabzugs weiter alles daran setzen, zurückgebliebene US-Amerikaner, aber auch andere Ausländer und schutzbedürftige Afghanen aus dem Land zu holen, nun aber mit diplomatischen statt mit militärischen Mitteln. Wie das geschehen soll ist allerdings unklar.
Der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte Joe Biden äußerte sich zunächst nur in einer schriftlichen Stellungnahme, in der er seine umstrittene Abzugsentscheidung erneut verteidigte. Für Dienstag kündigte der Präsident eine Ansprache an die Nation an.
Dass der Oberbefehlshaber einen derart historischen Moment – das Ende eines für die USA höchst schmerzhaften Einsatzes, der sich über die Amtszeiten von vier Präsidenten erstreckte – nicht selbst verkündet, ist bezeichnend. Angesichts des chaotischen Abzuges, der kürzlich vom Tod von 13 US-Soldaten durch einen Anschlag der Terrormiliz Islamischer Staat in Kabul überschattet wurde, ist Biden in den vergangenen Wochen zunehmend heftiger Kritik ausgesetzt.
Vor 20 Jahren waren ausländische Truppen unter US-Führung als Antwort auf die Terroranschläge von Al-Qaida-Terroristen vom 11. September 2001 in Afghanistan einmarschiert. Der internationale Einsatz führte damals zum Sturz der Taliban-Regierung, die der Al-Qaida Unterschlupf gewährt hatte. Der längste ausländische Militäreinsatz in der Geschichte der Vereinigten Staaten bürdete dem US-Haushalt enorme Kosten auf und forderte das Leben von insgesamt fast 2.500 US-Amerikanern. McKenzie betonte am Montag, der Preis für die Mission sei hoch gewesen.
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(rt/dpa)