In Afghanistan befinden sich nach Angaben von Außenminister Heiko Maas noch zehntausende Menschen, die nach Deutschland ausgeflogen werden sollen. Es handelt sich demnach um Ortskräfte – ehemalige afghanische Mitarbeiter von Bundeswehr oder Ministerien. Die Bundesregierung ist bereit, sie und ihre Familienangehörigen bei der Ausreise zu unterstützen. Nach jetzigem Stand geht es um mehr als 40.000 Menschen. Berlin sucht nun nach Wegen, wie die Evakuierungen vonstattengehen sollen.
Der Außenminister ist hierfür zu einer diplomatischen Reise in die Region rund um den Hindukusch aufgebrochen. Maas will die Nachbarn Afghanistans in den deutschen Rettungseinsatz einbinden. In Usbekistan betonte der 54-Jährige heute, dass Berlin nur denjenigen Menschen bei der Ausreise helfen will, die eine Zusage für die Aufnahme in Deutschland haben:
"Es geht uns nur um diese Personengruppe."
Usbekistan soll die erste Anlaufstation für die evakuierten Menschen werden. Nach Angaben von Maas sei Taschkent bereit, Deutsche, afghanische Ortskräfte und Schutzbedürftige, die nach Deutschland ausgeflogen werden sollen, ins Land zu lassen. Die Grenzen Usbekistans sind eigentlich für Flüchtlinge aus Afghanistan dicht.
Elf Tage lang war der Flughafen der usbekischen Hauptstadt der zentrale Pfeiler der Luftbrücke zwischen dem afghanischen Kabul und Deutschland, über den mehr als 5.000 Menschen evakuiert wurden. Die militärische Evakuierung ist inzwischen beendet. Nun sollen die Nachbarländer Usbekistan, Tadschikistan und Pakistan die Zwischenstation für die auf dem Landweg Ausreisenden sein.
Maas soll am Nachmittag weiter nach Duschanbe in Tadschikistan reisen. Am Dienstag sind dann Gespräche in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad geplant. Den Nachbarländern Afghanistans hatte Maas bereits zu Beginn seiner Reise wirtschaftliche und humanitäre Hilfe zugesagt. Er erklärte:
"Es ist in unserem eigenen Interesse zu verhindern, dass der Kollaps in Afghanistan die ganze Region destabilisiert."
Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge wollen die EU-Innenminister am Dienstag erklären, dass sie weitere "unkontrollierte Bewegungen großer Immigrantengruppen" aus Afghanistan verhindern wollen. Laut dem Entwurf für die Dringlichkeitssitzung der Minister, in die Reuters Einsicht hatte, sollen neue Sicherheitsrisiken für EU-Bürger abgewendet werden.
Auch die Türkei ist nach Angaben von Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu nicht bereit, weitere afghanische Flüchtlinge aufzunehmen. Nach einem Treffen mit Außenminister Maas in Antalya am vergangenen Wochenende erklärte Çavuşoğlu:
"Die Türkei hat ihre ethische Verantwortung übernommen. Wir können keine zusätzlichen Migrationslasten aufnehmen."
Das Land hatte in den letzten Jahren bereits einige hunderttausende afghanische Migranten ins Land gelassen.
Vorschlag einer Sicherheitszone in Kabul
Frankreich und Großbritannien wollen bei einer am Montag stattfindenden Dringlichkeitssitzung der Vereinten Nationen zu Afghanistan eine Resolution einreichen, in der eine Sicherheitszone in Kabul vorgeschlagen wird. "Unser Resolutionsvorschlag zielt darauf ab, eine sichere Zone in Kabul unter der Kontrolle der Vereinten Nationen zu definieren, die die Fortsetzung der humanitären Operationen ermöglichen würde", sagte der französische Präsident Emmanuel Macron in einem Interview mit der Zeitung Le Journal du Dimanche. Damit sollten Menschen geschützt werden, die versuchten, das Land zu verlassen.
Maas sprach sich derweil für Gespräche mit China und Russland über die Krise in Afghanistan aus. Es gebe Bemühungen, "international alle wichtigen Player an einen Tisch zu bringen, und dabei wird es wichtig sein, auch Russland und China dabei zu haben", sagte er am Montag beim Besuch in Taschkent.
China und Russland gehören neben den USA, Frankreich und Großbritannien zu den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats, der das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen ist.
Anders als die westlichen Staaten sind die beiden Länder auch nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan noch mit Botschaften in Kabul vertreten. Laut Maas ist auch eine Afghanistan-Konferenz der Nachbarländer geplant. Dazu zählen neben Usbekistan auch Tadschikistan, Pakistan, Turkmenistan, Iran und China.
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(rt/reuters/dpa)