IT-Konzerne wie Facebook, Twitter oder Amazon stehen des Öfteren in der Kritik, weil sie gefährdende Inhalte entweder vermeintlich zu wenig kontrollieren, oder aber weil sie Inhalte ablehnen oder löschen und sich dabei auf das eigene Hausrecht berufen, das nicht immer allen Beobachtern nachvollziehbar erscheint. Dass die privaten Konzerne Inhalte kontrollieren und Einfluss üben können, heißt auch, dass sie Entscheidungen fällen und so mit staatlichen Stellen in Konflikt geraten können. Auch intern wurde bei Facebook beispielsweise der Umgang mit Inhalten bereits angeprangert.
Aktuell stellt sich für die Internetriesen die Frage, wie sie mit den dynamischen Entwicklungen in Afghanistan umgehen. Denn auch die Taliban machen von reichweitenstarken sozialen Medien regen Gebrauch. Bei Twitter hat Sprecher Suhail Shaheen rund 413.000 "Follower", Sabihullah Mudschahid, der weniger auf Englisch postet, folgen 361.100 Nutzer (Stand Donnerstagnachmittag), die so zahlreiche Updates samt Fotos und Videomaterial über den Vormarsch auf die Hauptstadt Kabul erhalten konnten.
Seitdem der bisherige Präsident der Islamischen Republik Afghanistan Aschraf Ghani ins Ausland geflohen ist und die Taliban in Kabul wieder das Zepter und den Präsidentenpalast innehaben, stellt sich für die Tech-Unternehmen aus dem Silicon Valley die Frage, inwieweit die Taliban die offiziellen Konten der afghanischen Regierung übernehmen können. Ghani hat als "President of the Islamic Republic of Afghanistan" auf Twitter gut 933.000 Anhänger und war zuletzt offenbar am 18. August aktiv.
Der IT-Konzern Facebook machte klar, dass die Taliban weiter als Terrororganisation definiert und deren Nutzung der Plattform in Übereinstimmung mit den Richtlinien von Facebook, wonach gefährliche, unter Sanktionen stehende Organisationen nicht zugelassen sind, auch zur Löschung von Inhalten und Konten führen kann. Zur Einhaltung dieser unternehmensinternen Vorgabe setzt das weltgrößte soziale Netzwerk Mitarbeiter mit Lokalkenntnissen ein, die alle Inhalte aktiv durchkämmen.
"Wir verfügen über ein Team von Experten zu Afghanistan, die Muttersprachler in Dari und Paschto sind und sich im lokalen Kontext auskennen. Sie helfen uns dabei, sich abzeichnende Probleme aufzuspüren, und machen uns darauf aufmerksam", so eine Sprecherin.
Twitter hingegen beruft sich auf die Liste des US-Außenministeriums mit ausländischen Terrororganisationen (Foreign Terrorist Organisations, FTO), auf der die Taliban nicht aufgeführt sind. Seit dem Jahr 2002 jedoch werden sie als "speziell einzuordnende globale Terrororganisation" (Specially Designated Global Terrorist Entity) gelistet und als "Global Terrorist Entity" mit Sanktionen belegt. Ähnlich handhabt es die zu Googles Alphabet gehörende Videoplattform Youtube. Laut Alphabet sind die Taliban auf der Plattform seit Langem verboten. Gegenüber Reuters verwies das Unternehmen auf seine Regeln, wonach Hassbotschaften und gewaltsame Organisationen verboten sind.
Zuvor hatte das Unternehmen noch erklärt, wenn Regierungen Gruppierungen als ausländische Terrororganisationen einstuften, werde man entsprechend aktiv. Der Politikwissenschaftler Mohammed Sinan Siyech verwies gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters darauf, dass die Taliban auf internationaler Ebene ein anerkannter Gesprächspartner seien. So hätten China wie auch die USA Gespräche mit ihnen geführt.
Am Samstag hat auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim Besuch eines zentralen Erstaufnahmelagers für afghanische EU-Mitarbeiter in Madrid Gespräche mit den Taliban bestätigt. Diese Verhandlungen bedeuteten aber keineswegs eine Anerkennung der neuen Regierung, so von der Leyen. In der vergangenen Woche hat ein Pekinger Außenamtssprecher auf die Frage nach einer formellen Anerkennung der Taliban durch China gesagt: "Es ist übliche internationale Praxis, dass die Anerkennung einer Regierung nach ihrer Bildung erfolgt."
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