Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat erklärt, dass es viele Lehren aus Afghanistan und der Machtübernahme durch die Taliban zu ziehen gilt. Da die militante Gruppe den Krieg gewonnen hat, müsse die EU nun mit ihr zusammenarbeiten.
Jegliche Zusammenarbeit Brüssels mit der neuen Führung in Afghanistan "wird von einer friedlichen und inklusiven Lösung und der Achtung der Grundrechte aller Afghanen, einschließlich der Frauen, der Jugend und der Angehörigen von Minderheiten, abhängig gemacht". Außerdem müssen andere Verpflichtungen, wie die Bekämpfung der Korruption und die Verhinderung der Nutzung afghanischen Territoriums durch Terroristen, eingehalten werden, so Borrell in einer Online-Pressekonferenz vor Journalisten.
Die EU werde dem afghanischen Volk weiterhin Hilfe leisten, fügte er hinzu und forderte die Taliban auf, das humanitäre Völkerrecht zu achten.
Nach dem vollständigen Zusammenbruch der von den USA unterstützten afghanischen Regierung, die seit 2001 als offizielle Regierung agierte, hat die Miliz nun die volle Kontrolle über Afghanistan. Der Hohe Vertreter der EU-Außenpolitik erkannte die politische Realität vor Ort an und erklärte:
"Die Taliban haben den Krieg gewonnen, also müssen wir mit ihnen reden."
"Wir müssen mit den Behörden in Kabul in Kontakt treten, egal, wer sie sind, um so schnell wie möglich einen Dialog aufzunehmen, damit eine humanitäre Katastrophe und eine mögliche Migrationskrise verhindert werden."
"Diese neue Realität tritt 20 Jahre nach dem Beginn der militärischen Operation ein, die von den USA mit Unterstützung der NATO im Oktober 2001 eingeleitet wurde."
Borrell wies darauf hin, dass sich das ursprüngliche militärische und politische Ziel – die Zerschlagung der Terrorgruppe Al-Qaida – "auf den Aufbau eines modernen Staates in Afghanistan verlagert" habe. Er stellte fest:
"Der erste Teil der Mission war erfolgreich, der zweite nicht."
Borrells Äußerungen erfolgten nach einem Treffen der EU-Außenminister und deren Beratungen mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und US-Außenminister Antony Blinken.
Der rasche Zusammenbruch der afghanischen Armee, in deren Ausbildung der Westen viel Geld und Mühe investiert hat, kam für alle überraschend, bedauerte der EU-Außenpolitikchef und stellte fest:
"Ich glaube, dass sogar die Taliban von ihrem Sieg überrascht waren."
"Wir müssen anerkennen, dass wir Fehler gemacht haben, vor allem bei der Einschätzung der militärischen Fähigkeit der afghanischen Armee, der Taliban-Offensive zu widerstehen."
Borrell wies darauf hin, dass es nun an der Zeit sei, in die Zukunft zu blicken und auf das Ziel hinzuarbeiten, das EU-Personal und seine afghanischen Verbündeten aus dem Land zu evakuieren.
Mehr zum Thema - Taliban: Wir möchten weder interne noch externe Feinde haben