Afghanische Bürgermeisterin: "Warte darauf, dass die Taliban kommen und mich töten"

Die jüngste Bürgermeisterin Afghanistans, Zarifa Ghafari, sagte gegenüber britischen Medien, dass sie nach Ankunft der Taliban in Kabul um ihr Leben fürchte. Derweil riefen die Taliban Frauen in Afghanistan dazu auf, sich an der neuen Regierung zu beteiligen.

"Ich sitze hier und warte darauf, dass sie kommen. Es gibt niemanden, der mir oder meiner Familie hilft. Ich sitze nur mit ihnen und meinem Mann zusammen. Und sie werden Leute wie mich holen und mich töten", sagte Zarifa Ghafari, Bürgermeisterin von Maidan Shar, Hauptstadt der Provinz Maidan Wardak in Zentralafghanistan, gegenüber der britischen Zeitung i. Sie ergänzte: "Ich kann meine Familie nicht verlassen. Und überhaupt, wohin sollte ich gehen?"

Die 27-jährige Ghafari ist die jüngste Bürgermeisterin Afghanistans und die erste Frau, die das Amt in Maidan Shar bekleidet. i berichtete, dass Ghafari noch vor drei Wochen Hoffnung für ihr Land gehabt habe:

"Die jüngeren Menschen wissen, was passiert. Sie haben soziale Medien. Sie kommunizieren. Ich denke, sie werden weiter für den Fortschritt und unsere Rechte kämpfen. Ich glaube, dass dieses Land eine Zukunft hat."

Ghafari sei im Sommer 2018 von Präsident Aschraf Ghani ernannt worden, berichtete die New York Times. Obwohl es in Afghanistan schon früher weibliche Gouverneure und Bürgermeister gab, so die Times, sei sie eine der wenigen Frauen, die jemals ein Regierungsamt in der stark konservativen Stadt Maidan Shar bekleidet haben.

Als die Taliban wiedererstarkten, habe Ghafari einen Job in Kabul erhalten, wo sie für das Wohlergehen von Soldaten und Zivilisten, die bei Terroranschlägen verletzt wurden, zuständig gewesen sei, berichtete weiter. Der oberste Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahid, versprach am Sonntag, dass das Leben von Frauen und Oppositionellen geschützt werde.

Taliban wollen Frauen in der Regierung

Mujahid sagte, Kämpfer würden "an allen Eingängen von Kabul in Bereitschaft sein, bis eine friedliche und zufriedenstellende Machtübergabe vereinbart ist". In einer separaten Erklärung gegenüber NBC News sagte ein Taliban-Sprecher, dass die Kämpfer, die Kabul betreten, auf Anweisung hochrangiger Kommandeure unbewaffnet seien.

Die Taliban verkündeten zudem eine Amnestie und riefen Frauen zur Mitarbeit in der Regierung auf. "Das islamische Emirat will nicht, dass Frauen zu Opfern werden", versicherte das Mitglied der Kulturkommission der Taliban, Enamullah Samangani, am Dienstag im inzwischen von den Taliban kontrollierten Staatsfernsehen. Sie sollten dem islamischen Recht entsprechend in der Regierung mitarbeiten.

Samangani sagte, wie die künftige Regierung aussehen werde, sei noch nicht ganz klar. Es solle aber eine islamische Führung geben, an der sich alle Seiten beteiligen sollten. Ein Führungsmitglied der Taliban verhandelt offenbar mit Vertretern der gestürzten afghanischen Regierung. Eine über die Gespräche informierte Quelle sagte laut der Zeitung Welt, dass zu den Gesprächspartnern von Amir Chan Muttaki auch der frühere Chef des Verhandlungsrates Abdullah Abdullah und Ex-Präsident Hamid Karzai gehörten. Ziel der Taliban-Führung sei es, andere Gruppen in eine von ihnen geführte Regierung einzubinden.

Muttaki war in der 2001 vertriebenen Taliban-Regierung Hochschulminister und hatte der Quelle zufolge bereits Kontakt zu Mitgliedern der vom Westen unterstützten Regierung aufgenommen, bevor deren Präsident Aschraf Ghani ins Ausland floh. Weiter berichtet die Welt, dass informierte Afghanen gesagt hätten, dass die Gespräche nach Ghanis Flucht am Wochenende begonnen und bisweilen bis in die Nacht gedauert hätten – Informationen über die Gesprächsinhalte sind nicht bekannt.

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