Der russische Botschafter in Kabul, Dmitri Schirnow, hat am Montag in einem Interview mit RT die Meldungen einiger Medien dementiert, dass die russischen Diplomaten aus Afghanistan evakuiert würden. Die Botschaft funktioniere routinemäßig. Die Taliban garantieren die Sicherheit des Personals, das Territorium der Botschaft werde von bewaffneten Taliban-Einheiten bewacht:
"Heute Morgen kam zu uns eine Einheit mit einem zuständigen Leiter. Er informierte uns, sie würden für unsere Sicherheit und Ruhe verantwortlich sein, damit niemand uns angreifen oder verletzen könnte. Sie hätten schon mehrmals unsere Sicherheit garantiert und dies gelte auch heute. Ein Wachwechsel fand statt."
In Bezug auf die Politik Moskaus gegenüber Kabul nach der Machtübernahme der Taliban betonte Schirnow, Russland wolle, dass Afghanistan ein zivilisierter, von Drogen und Tyrannei freier Staat wird, wo Menschenrechte gewahrt werden und der außerdem gute Beziehungen zu anderen Ländern hat. Es sei noch zu früh, um die weitere Politik der Taliban zu beurteilen.
Dem Diplomaten zufolge hätten in Kabul kurz vor dem Machtwechsel Anarchie und Chaos geherrscht. Ständig hätte es Schießereien gegeben und die Stadt wäre von Kriminellen geplündert worden. Nachdem die Taliban-Truppen in Kabul eingezogen sind, sei die Lage ruhig.
Nach Angaben des Botschafters hätten sich etwa 50 russische Bürger an die Botschaft mit einem Antrag auf Hilfe bei der Ausreise aus Afghanistan gewandt. Der direkte kommerzielle Luftverkehr zwischen Afghanistan und Russland ist eingestellt. Schirnow zufolge sei dies nicht wegen der Taliban-Situation, sondern aufgrund der Corona-Pandemie passiert. Die Bürger hätten der Botschaft nichts über Drohungen seitens der Taliban berichtet. Dem Diplomaten zufolge wollten die meisten aus familiären Gründen ausreisen.
Für die heutige Lage macht Schirnow die Aktivitäten der USA in Afghanistan verantwortlich, die auf interne PR-Zwecke zurückzuführen seien. Die militärischen Aktionen, einschließlich der Bombenanschläge, die zu zivilen Opfern geführt hatten, hätten in der Bevölkerung Ressentiments hervorgerufen. Die Präsenz der USA und der NATO auf afghanischem Boden sei zunehmend als Besatzung betrachtet worden. Die Taliban hätten in der Zwischenzeit an Popularität bei der einfachen Bevölkerung gewonnen. Korruption und Vetternwirtschaft, in die die inzwischen gestürzte Regierung angeblich verwickelt war, hätten zudem zur Sympathie einiger Bürger gegenüber den Taliban beigetragen.
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