Ukrainische Oligarchen haben, wie auch flüchtige Kriminelle und kolumbianische Drogenschmuggler, Immobilien in den Vereinigten Staaten genutzt, um ihre unrechtmäßig erworbenen Vermögen zu waschen. Das ergab die Studie "Acres of Money Laundering: Why U.S. Real Estate is a Kleptocrat's Dream" der Global Financial Integrity (GFI), einer Denkfabrik mit Sitz in Washington, D.C., die ihren Fokus auf illegale Finanzströme, Korruption, illegalen Handel und Geldwäsche legt.
Mindestens 2,3 Milliarden US-Dollar wurden demnach allein in den letzten fünf Jahren über US-Immobilientransaktionen gewaschen. Die Analysten haben eine Datenbank mit mehr als 100 Fällen von Geldwäsche im Immobilienbereich in den USA, Großbritannien und Kanada aufgebaut, die zwischen 2015 und 2020 gemeldet worden waren.
Laut Lakshmi Kumar, der Policy-Direktorin bei GFI, bieten Immobilien in den USA "eine wirklich einfache Möglichkeit, unrechtmäßig erworbene Gewinne mit wenig Aufsicht und wenigen Fragen zu verstecken".
Die Analyse liefert laut GFI schlüssige Beweise dafür, dass aktuelle regulatorische Maßnahmen der USA, um diese Art von Geldwäsche zu unterbinden, kritische Mängel aufweisen, und dass eine umfassende Reform erforderlich ist, damit den Bedrohungen für das US-Finanzsystem und der nationalen Sicherheit angemessen begegnet werden kann.
Im Vergleich zu den übrigen G7-Staaten sind die Vereinigten Staaten aktuell das einzige Land, das von Immobilienfachleuten nicht verlangt, dass sie die Gesetze und Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche (AML) einhalten.
Eine besondere Rolle spielen laut der Analyse Angestellte von Finanzinstituten, Anwälte, Immobilienmakler und Anlageberater, die durch "vorsätzliche Blindheit oder direkte Komplizenschaft" wiederholt die Geldwäsche durch vermögende Privatpersonen erleichtert haben. Die Nutzung anonymer Briefkastenfirmen und komplexer Unternehmensstrukturen ist vorrangiges Instrument zur Geldwäsche. In über 80 Prozent der Fälle in den USA wurden die Eigentumsverhältnisse verschleiert.
Problematisch sei auch, dass sich die US-Anti-Geldwäsche-Regelung auf den Kauf von Wohnimmobilien konzentriert, während ein erheblicher Teil von 30 Prozent der von GFI untersuchten Fälle Gewerbeimmobilien betrifft, die in der Regel deutlich höhere Werte aufwiesen und somit zur Transaktion größerer Summen dienen.
"Wenn man über Wohnimmobilien spricht, geht es vor allem darum, den wirtschaftlichen Eigentümer zu identifizieren, denn wenn man herausfindet, wer der wirtschaftliche Eigentümer ist, erfährt man auch, wer der Kriminelle ist", so die Expertin Kumar gegenüber dem Journalisten-Netzwerk ICIJ (International Consortium of Investigative Journalists). "Bei einer gewerblichen Immobilieninvestition muss man nicht die Mehrheit der Anteile besitzen, um ein Krimineller zu sein. Sie können zwei Prozent einer 500-Millionen-Dollar-Immobilie besitzen und [trotzdem] Millionen damit waschen." Kriminelle, die auf diesem Weg unrechtmäßig erworbenes Vermögen waschen, seien eher besonders raffinierte – oder eben durchtriebene – Geldwäscher, da es um hohe Summen und hohe Komplexität geht, bei denen längerfristig "angelegt" wird.
Die Geschäfte des ukrainischen Oligarchen Igor Kolomoiski beispielsweise fallen in diese Kategorie. Zusammen mit Gennadi Bogoljubow habe er im Mittleren Westen der USA ein Immobilienimperium aufgebaut, in das veruntreute Milliarden aus der ukrainischen PrivatBank flossen – dem größten ukrainischen Finanzinstitut, zu dessen Miteigentümern bis Dezember 2016 Igor Kolomoiski gehörte. Zu dem US-Immobilienimperium der beiden Ukrainer zählten laut der Untersuchung Bürotürme und -parks in Cleveland, Louisville und Dallas im Wert von 100 Millionen US-Dollar sowie mehrere Stahlwerke in Kentucky, West Virginia und Michigan plus eine Motorola-Produktionsstätte in Illinois. Um die unterschlagenen Gelder in US-Immobilien zu leiten, griffen Kolomoiski und Bogoljubow auf die Dienste von zwei in Miami ansässigen Geschäftspartnern zurück. Diese unterhielten ein Netzwerk von Unternehmen, welche Immobilien kaufen, Hypotheken beantragen und erworbene Büroräume vermieten. Eines der Unternehmen, Optima Ventures, wurde nach der Krise von 2008 der größte Besitzer von Gewerbeimmobilien in Cleveland, einer Region, die zu der Zeit eine wirtschaftliche Wiederbelebung bitter benötigt hätte.
Doch stattdessen, so der Bericht, hinterließen der bereits aus seiner Zeit als Gouverneur in der Ukraine für fragwürdige Methoden bekannte Kolomoiski und Bogoljubow mit ihren Investitionen eine "Spur der Verwüstung in den gesamten USA, indem sie Hypotheken ausfallen ließen, Grundsteuern nicht zahlten, ihre Bürotürme schlecht verwalteten und ehemalige Fabrikangestellte arbeitslos oder in gefährlichen Fabrikbedingungen dastehen ließen, nachdem sie ihre Produktions- und Stahlwerke verlassen hatten. Im Frühjahr dieses Jahres verhängte das US-Außenministerium Sanktionen gegen den "Oligarch und ehemaligen ukrainischen Beamten", der, wie US-Außenminister Blinken sagte, in "erhebliche Korruption" verwickelt gewesen sei. Kolomoiski war über Jahre eng mit dem späteren ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij verbunden, indem er mit seiner Mediengruppe 1+1 rund acht Jahre lang Gastgeber der Comedy-Show von Selenskij war.
Die Geschäfte in den Vereinigten Staaten konnten die beiden ukrainischen Oligarchen laut dem Journalisten-Konsortum ICIJ mithilfe der Deutschen Bank und unter Nutzung von Steueroasen wie den britischen Jungferninseln machen. Sechs Jahre lang habe die Deutsche Bank mindestens 490 Millionen US-Dollar von Unternehmen, die auf den Britischen Jungferninseln unter der geheimen Kontrolle von Kolomoiski und dessen Geschäftspartner Bogoljubow gegründet worden waren, an Unternehmen in Delaware überwiesen – einem weiteren Zufluchtsort für Finanzgeheimnisse. Der größte Teil des Geldes wurde für den Aufkauf der Immobilien im Mittleren Westen verwendet. Mehr als 260 Millionen Dollar flossen demnach außerdem über die Deutsche Bank an andere Unternehmen, die von den Ukrainern und deren Partnern in den USA kontrolliert werden.
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