"Die US-Regierung hat einen Vertrag zwischen NPO Energomasch [Anm.: НПО Энергомаш, Teil der staatlichen Unternehmens Roskosmos] und dem US-Unternehmen Orbital Sciences LLC genehmigt", teilte der Chef des Roskosmos-Pressedienstes Wladimir Ustimenko am Dienstag auf seinem Telegram-Kanal mit. "Das bedeutet, dass es neue Lieferungen von Triebwerken und neue Starts von amerikanischen Raketen mit russischen 'Herzen' geben wird", schrieb er.
Die Roskosmos-Ingenieure lobte er für ihre hervorragende Arbeit. Die Qualität derer Produkte sei so ausgezeichnet, dass die USA bereit seien, sie trotz aller Einschränkungen zu kaufen. Geliefert werden die RD-181M-Triebwerke – die eine weitere Entwicklungsstufe der zuvor gelieferten RD-180-Triebwerke sind.
RD-181M knüpft an seinen unmittelbaren Vorgänger RM-181 an. Sein Analogon RD-191M wird in den russischen Trägerraketen verbaut – etwa in der pilotierbaren Version der Schwerrakete Angara A5P.
"In diesem Vertrag steckt die Hoffnung auf eine mögliche Normalisierung der Beziehungen, bei der das Geschäft und die Effizienz eine wichtigere Rolle spielen werden als momentane (politische) Entscheidungen, die nichts mit dem Weltraum zu tun haben", fügte Ustimenko hinzu.
Die Nachricht war für russische Branchenkenner keine Überraschung. Die Entscheidung der USA sei ein Beleg dafür, dass Washington nicht auf russische Technologie verzichten kann, kommentierte der Ingenieur und Journalist Dmitri Konanychin den neuen Vertrag.
"Als die Amerikaner anfingen, die groß angekündigten BE4-Motoren zu testen, stellte sich wahrscheinlich heraus, dass sie nicht so zuverlässig waren", bemerkte er. Die große US-Ingenieursmacht könne in diesem Bereich der Technik nicht auf die Lösungen verzichten, die Russland hat.
Seit 1999 hatten die Vereinigten Staaten mehr als hundert RD-180-Triebwerke aus Russland erhalten. In den letzten Jahren hat der US-Kongress jedoch zunehmend eine Abkehr von der Abhängigkeit von russischer Technologie gefordert. Anfang 2020 erklärte das Pentagon, dass die Vereinigten Staaten bis zum Jahr 2022 in der Lage sein werden, sich vollständig "aus der Abhängigkeit" vom RD-180 zu lösen.
Doch sowohl die Analytiker des US-Kongresses als auch russische Experten hatten damals dieses Ziel als äußerst unrealistisch eingeschätzt. Laut dem im Februar 2020 veröffentlichten Bericht des Forschungsdienstes des US-Kongresses werden die Vereinigten Staaten mindestens bis zum Jahr 2030 den russischen Raketenantrieb RD-180 nicht eigenständig ersetzen können. Laut dem neuen Vertrag finden nun die Nachfolgemodelle des RD-180 den Weg nach Übersee.
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