Die fast fertiggestellte Pipeline Nord Stream 2 soll Erdgas aus Russland an der Ukraine vorbei nach Deutschland bringen und ist der größte Streitpunkt zwischen Berlin und Washington. Hoffnungen auf einen Durchbruch bei Merkels Besuch haben sich nicht erfüllt. Laut Merkel müsse lediglich sichergestellt werden, dass die Ukraine trotz Nord Stream 2 weiterhin ein Transitland für Gas bleibe.
Auf einer Pressekonferenz im Anschluss an ihre Gespräche mit Biden sagte die Bundeskanzlerin:
"Wir haben über Russland und die Ukraine gesprochen, in dem Zusammenhang auch über Nord Stream 2. Hier haben wir unterschiedliche Einschätzungen, was dieses Projekt mit sich bringt. Ich will aber ganz deutlich sagen: Unser Verständnis war und ist und bleibt, dass die Ukraine Transitland für Erdgas bleibt, dass die Ukraine ein Anrecht wie jedes Land auf die territoriale Souveränität hat. Deshalb engagieren wir uns auch im Minsk-Prozess. Und dass wir auch aktiv handeln werden, wenn Russland dieses Recht der Ukraine auf Transitland nicht einlösen wird. Dass heißt, für mich ist Nord Stream 2 ein zusätzliches Projekt und kein Projekt statt des Transits von Gas durch die Ukraine. Und alles andere würde sehr große Spannungen hervorrufen."
Was genau mit "aktiv handeln" gemeint ist, führte sie nicht detailliert aus. Die Ukraine ist auf Milliardeneinnahmen aus dem russischen Gastransit angewiesen. Im Kern geht es darum, wie diese Milliardeneinnahmen langfristig gesichert werden können. Die Bundesregierung will sich um eine frühzeitige Verlängerung des Vertrages bemühen. Die Pipeline Nord Stream 2 verläuft von Wyborg in Russland durch die Ostsee bis nach Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. Sie soll künftig 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr von Russland nach Deutschland befördern und damit zur weiteren Sicherung der Energieversorgung einen wichtigen Beitrag leisten.
Biden warnt Russland
Der US-Präsident bleibt bei seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Pipeline. Er warnte Russland erneut davor, seine Energievorkommen als "Waffe" einzusetzen. Er und Bundeskanzlerin Merkel seien sich einig, dass Russland seine Nachbarn mit den Energievorkommen nicht unter Druck setzen oder bedrohen dürfe. Die USA und Deutschland seien sich weiter einig, die Ukraine bei Reformen und mit Blick auf deren territoriale Integrität zu unterstützen, sagte Biden bei der gemeinsamen Pressekonferenz.
Biden betonte, er habe Merkel gegenüber nochmals seine Bedenken bezüglich der Gaspipeline zum Ausdruck gebracht. Russland dürfe diese nicht nutzen, um "die Ukraine auf irgendeine Weise zu erpressen". In den USA gibt es seit Jahren parteiübergreifend Widerstand gegen Nord Stream 2. Kritiker sehen in der fast fertiggestellten Pipeline ein geopolitisches Projekt Russlands, das die Energiesicherheit Europas gefährdet. Befürworter der Pipeline werfen den USA jedoch vor, nur ihr eigenes, teureres Gas in Europa absetzen zu wollen.
Washington hatte jüngst auf das Verhängen von Sanktionen wegen Nord Stream 2 verzichtet. Da die Pipeline bei seinem Amtsantritt im Januar schon fast fertig gewesen ist, wären Sanktionen nicht sinnvoll gewesen, sagte Biden.
Mehr zum Thema – Selenskij in Berlin: Merkel skeptisch bezüglich schneller Lösung des Streits um Nord Stream 2