Kuba verzeichnet seit dem Wochenende die größten regierungsfeindlichen Proteste seit Jahrzehnten. Präsident Miguel Díaz-Canel hat dafür "die wirtschaftliche Erstickung" durch die USA und die Social-Media-Kampagnen einer Minderheit von Konterrevolutionären verantwortlich gemacht.
"In den letzten Wochen hat die Kampagne gegen die kubanische Revolution in den sozialen Netzwerken zugenommen und nutzt die Probleme und den Mangel, den wir erleben, aus", sagte Diaz-Canel in einer im Fernsehen übertragenen Rede an der Seite seines Kabinetts.
Die Unruhen brachen inmitten einer der schlimmsten Wirtschaftskrisen Kubas aus, die zu Lebensmittel- und Medikamentenknappheit sowie Stromausfällen und einem Anstieg der COVID-19-Infektionen führte.
Hochrangige US-Diplomaten und Politiker sicherten nun den Demonstranten ihre Unterstützung zu und warnten die Regierung in Havanna vor einem gewaltsamen Vorgehen gegen die Protestler. Die republikanische Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus Nicole Malliotakis beispielsweise tat bereits Sonntag auf Twitter ihre Lesart der Ereignisse kund:
"Es ist ermutigend zu sehen, wie sich das kubanische Volk gegen den Kommunismus erhebt und Freiheit, Menschenrechte und ein Ende des Elends fordert."
Auch das Außenministerium gab am Sonntag eine Erklärung heraus, in der es Unterstützung für die protestierenden Kubaner zum Ausdruck brachte. Es stellte das Thema als Förderung des "Rechtes auf friedliche Versammlung" und "Besorgnis über steigende COVID-19-Fälle/Todesfälle und Medikamentenmangel" dar.
US-Präsident Joe Biden drückte ebenfalls seine Unterstützung "für das kubanische Volk" aus, und schrieb per Twitter.
"Wir stehen an der Seite des kubanischen Volkes, das mutig seine grundlegenden und universellen Rechte einfordert, und an der Seite aller, die nach Freiheit und Befreiung aus dem tragischen Griff der Pandemie und aus der jahrzehntelangen Unterdrückung und dem wirtschaftlichen Leid rufen."
Doch gerade das jahrzehntelange wirtschaftliche Leid der Kubaner ist es wohl, das andere Staatsmänner, Analysten wie auch zahlreiche Nutzer sozialer Medien nicht mehr mit ansehen möchten – trendete doch am Montag bei Twitter "Embargo".
"Die USA haben kein Problem damit, Kuba mit einem jahrzehntelangen Embargo auszuhungern, das die ganze Welt (minus Israel) verurteilt", twitterte Assal Rad, Senior Research Fellow bei der Nichtregierungsorganisation NIAC Action. "Wenn wir uns um die Kubaner sorgen, heben wir doch das Embargo auf."
Auf den Tweet des US-Präsidenten antworteten direkt mehrere Nutzer "Heben Sie die Sanktionen auf" oder auch "Schön, dass die USA dem kubanischen Volk mutig zur Seite stehen gegen das Leid, das sie jahrzehntelang verschlimmert haben".
Einige erinnerten auch daran, dass es die USA waren, welche wiederholt zuletzt Ende Juni die UN-Resolution mit der Forderung nach der Aufhebung der US-Blockade gegen Kuba im Gegensatz zu 184 Staaten nicht unterstützt haben.
Mehrere Tweets, die Bidens Aussage aufgriffen und damit beantworteten, dass das Leid des kubanischen Volkes direkte Folge US-Handelsembargos ist, erhielten tausendfache Zustimmung.
Auch der mexikanische Präsident, Andrés Manuel López Obrador, forderte am Montag die Aussetzung der Wirtschaftsblockade gegen Kuba und kritisierte den "ungewöhnlichen Informationseinsatz" rund um die Proteste auf der Insel. Um der kubanischen Bevölkerung zu helfen, sei vielmehr Washington selbst in der Verantwortung.
"Wenn sie Kuba helfen wollten, sollten sie als erstes die Blockade gegen Kuba aufheben, wie es die meisten Länder der Welt fordern. Das wäre eine wahrhaft humanitäre Geste. Kein Land der Welt sollte umzingelt oder blockiert werden. Das ist das größte Gegenteil von Menschenrechten", so López Obrador während einer Pressekonferenz.
Der mexikanische Präsident verwies darauf, dass die gesundheitliche Situation des kubanischen Volkes nicht für politische Zwecke missbraucht werden dürfe.
Auch nach Ansicht von Nikolai Kalaschnikow, Berater des Direktors des Institutes für Lateinamerika der Russischen Akademie der Wissenschaften, hat die US-Politik gegenüber Kuba in den letzten Jahren den sozialen Protest gefördert, da sie das Leben des Landes in einen wirtschaftlichen "Überlebenskampf" verwandelt hat.
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International wird die folgenreiche Blockade immer wieder angeprangert, von so unterschiedlichen Stimmen wie dem UN-Generalsekretär António Guterres, der Hohen Kommissarin für Menschenrechte der UN, Michelle Bachelet, dem argentinischen Präsidenten Alberto Fernández, Papst Franziskus sowie dem EU-Außenbeauftragten und Vizepräsident der EU-Kommission Josep Borrell. Darunter sind auch beispielsweise gut 60 Persönlichkeiten aus dem Kultur- und Wissenschaftsbereich wie der Regisseur Volker Schlöndorff, die Musiker Jan Delay und Konstantin Wecker, die Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin Margarethe von Trotta sowie die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin und der Intellektuelle Noam Chomsky.
Die im Hinblick auf das Leid der Kubaner unhaltbare Situation hat der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez Parilla Ende Juni vor der UNO Generalversammlung zusammengefasst und auf die US-Politik zurückgeführt:
"Präsident Donald Trump hat 243 einseitige Zwangsmaßnahmen ergriffen, um die Einreise von US-amerikanischen Besuchern zu beschränken und Touristenmärkte zu beeinträchtigen; hat Maßnahmen getroffen, wie sie in Kriegszeiten üblich sind, um uns von Kraftstofflieferungen abzuschneiden; hat die Gesundheitsdienste, die wir in zahlreichen Ländern leisten, verfolgt; hat die Verfolgung von Handels- und Finanzgeschäften unseres Landes auf anderen Märkten verstärkt und sich vorgenommen, ausländische Investoren und Handelseinrichtungen durch die Anwendung des Abschnitts III des Helms-Burton-Gesetzes einzuschüchtern.
Ebenso hat er den regulären Geldfluss durch bestehende offizielle Einrichtungen an kubanische Familien verhindert, versetzte dem Sektor der privaten und selbstständigen Unternehmen harte Schläge und stellte den Beziehungen hinsichtlich der Familienzusammenführung von Kubanern, die in den USA leben, entsprechende Hindernisse in den Weg.
Alle diese Maßnahme sind bis heute gültig und sind weiterhin vollkommen gängige Praxis, bestimmen paradoxerweise auch das Verhalten der jetzigen Regierung der USA."
Nach Angaben kubanischer Offizieller und der Vereinten Nationen hat die Politik der USA den Inselstaat geschätzte 130 Milliarden US-Dollar gekostet.
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