von Tom Fowdy
Am vergangenen Wochenende interviewte der Journalist Jonathan Swan für die Sendung Axios des Senders HBO den pakistanischen Premierminister Imran Khan. Der Sender ist dafür bekannt, über China ausschließlich negativ zu berichten. Swan drängte Khan geradezu dazu, seine Einschätzung über die Situation der Uiguren in Xinjiang zu äußern, und ließ in seiner Frage das Wort "Völkermord" fallen. Khan wies die Frage zurück und erklärte, Pakistan und China hätten eine langjährige Freundschaft, und Peking habe Islamabad in "härtesten Zeiten" stets unterstützt.
Es überrascht nicht, dass Swan anschließend in seiner Sendung behauptete, Khan könne zu der Frage der Uiguren nicht Stellung nehmen, und ihn obendrein beschuldigte, er sei mittels einer "Schuldenfalle" zum Schweigen gebracht worden, weil sein Land im China-Pakistan-Wirtschaftskorridor (CPEC) von China abhängig sei. So erklärte er: "Khan schweigt aus einem einfachen Grund: Das klamme Pakistan ist finanziell zunehmend abhängig von China, sowohl bei Milliardenkrediten als auch bei Investitionen."
Selbstverständlich wurde diese Sichtweise auch vom Rest der Mainstream-Medien übernommen, wobei die BBC zusätzlich Stimmen aus der pakistanischen Diaspora in Großbritannien und in Washington zu Wort kommen ließ, die sich kritisch zur Haltung Kahns äußerten.
Aber ist Khans Haltung zur Frage der Uiguren allein durch Geld motiviert? Absolut nicht. Diejenigen, die in islamischen Ländern leben, glauben, dass die US-amerikanischen und westlichen Medien keine Glaubwürdigkeit haben, wenn sie über angebliche Menschenrechtsverletzungen an Muslimen predigen. Und kein pakistanischer Staatsführer wäre leichtgläubig genug, derartige Menschenrechtsrhetorik für bare Münze zu nehmen.
Immerhin gehört die öffentliche Zustimmung zu den Vereinigten Staaten in Pakistan zu den niedrigsten der Welt. Eine Umfrage während der Obama-Ära zeigte das volle Ausmaß: Nur 17 Prozent betrachteten die USA positiv. Letztendlich gibt es keine anderen Nationen als die USA und ihre Verbündeten, die so schwere Verbrechen gegen Muslime begangen haben.
Während die USA das Mantra der "Menschenrechte" herunterbeten und westliche Medien suggerieren, dass China der Feind der Muslime sei, sind sich die Menschen in islamischen Ländern durchaus bewusst, dass in der Vergangenheit genau diese Menschenrechtsrhetorik vorgeschoben wurde, um damit über einen riesigen Zeitraum hinweg umfassende Zerstörung in muslimischen Ländern anzurichten.
Von der Beschönigung der Bombardierung des Gazastreifens durch Israel bis hin zu den Ereignissen in Afghanistan, im Irak, in Syrien, Libyen, Somalia und vielen anderen mehr – warum sollte Khan diese Art der Befragung ernst nehmen? Im Vergleich dazu ist es lächerlich zu behaupten, China sei ein Problem für die muslimische Welt, wenn die geschichtlichen Tatsachen für sich selbst sprechen.
Dies ist der entscheidende Punkt, weshalb die chinesisch-pakistanischen Beziehungen trotz erheblicher ideologischer und religiöser Unterschiede so erfolgreich sind. Es geht nicht um Geld. Pakistan kann eine islamische Republik sein und China ein säkularer kommunistischer Staat, der Materialismus und Atheismus befürwortet. Aber die beiden Länder eint eine reiche 70-jährige Geschichte in einer Beziehung, die als "eiserne Bruderschaft" beschrieben wird, die auf gemeinsamen Werten postkolonialer Solidarität innerhalb des "globalen Südens" sowie auf gemeinsamen Normen der Achtung der territorialen Integrität und der nationalen Souveränität aufgebaut ist. Dadurch wurde sichergestellt, dass eine starke Partnerschaft zwischen den beiden Ländern entstehen konnte, die zudem durch eine gemeinsame Skepsis gegenüber Indien zusätzlich gefestigt wurde. Zu versuchen, dieses gesamte Erbe auf die Vorstellung "China hat Pakistans Schweigen gekauft" zu reduzieren, ist beleidigend und ignorant.
Und das ist der Grund, weshalb es für viele islamische Länder nicht glaubwürdig ist, wenn der Westen China beschuldigt, in Xinjiang Völkermord zu begehen, und die islamische Welt auffordert, Verantwortung zu übernehmen und sich dagegen zu erheben. Sie haben das alles schon einmal gehört und oft am Ende die Zeche bezahlt.
Tatsächlich gibt es viele muslimische Länder, die Pakistans Ansichten zu Xinjiang teilen und in der Angelegenheit auf der Seite Chinas stehen, darunter Iran, Ägypten und Saudi-Arabien. Gemäß der westlichen Sichtweise wurden all diese Länder "gekauft", aber dies unterschlägt die logische Überlegung, dass man sich selbst bei völlig unterschiedlichen Ideologien doch darüber einig ist, dass die westliche Forderung nach "Menschenrechten" – was in gewissen Ländern in Islamismus, Extremismus und Separatismus mündete – gleichzeitig zu innerer Instabilität, Unruhen und ähnlichen Probleme führt. Diese Länder befürworten keinen allumfassenden Sicherheitsstaat, wie China oft beschrieben wird – sie befürworten das Recht, die eigenen nationalen Angelegenheiten zu regeln und die innere Stabilität zu wahren.
Nehmen wir zum Beispiel die Türkei. Während sich Präsident Recep Tayyip Erdoğan aufgrund seines pantürkischen Nationalismus in der Uiguren-Frage nicht auf die Seite Chinas stellen kann, setzt er diese Frage nicht als Waffe gegen China ein. Dafür gibt es einen simplen Grund: die Kurden. Auch in Pakistan kämpft die Regierung gegen Aufständische, die die Unabhängigkeit Belutschistans fordern. Auch Indonesien, ein Land mit 230 Millionen Muslimen, steht in der Xinjiang-Frage auf Chinas Seite, vielleicht nicht offen, es schweigt aber diplomatisch dazu, weil es befürchtet, bei einigen seiner ethnoseparatistischen Bewegungen die Büchse der Pandora zu öffnen.
Der Westen verhält sich unaufrichtig gegenüber Muslimen, weil er die nationalen Interessen muslimischer Länder nicht wirklich berücksichtigt – im Gegensatz zu China. Aus diesem Grund ist es China gelungen, zahlreiche Länder dazu zu bringen, es bei den Vereinten Nationen in dieser Angelegenheit zu unterstützen, nicht weil China sie "gekauft" hat, sondern weil man gemeinsame Interessen hat.
Insgesamt illustriert das Interview, das Swan mit Khan geführt hat, einen Mangel an Bewusstsein und Empathie für die muslimische Welt sowie eine Doppelmoral, die unter westlichen Journalisten weit verbreitet ist – was auch deren Mangel an Empathie oder Reue für die Verbrechen des Westens gegen den Islam insgesamt erklärt. Sich als "Retter" der Menschenrechte zu betrachten und der Glaube, auf der richtigen Seite zu stehen, lässt den Westen dermaßen engstirnig werden, dass er nicht mehr in der Lage ist zu verstehen, warum andere Länder seine Menschenrechtsrhetorik nicht ernst nehmen.
Ausgerechnet jene Länder, die den Nahen Osten zerstört haben und die Israel vorbehaltlos unterstützen, haben sich jetzt zu Vorkämpfern in der Sache der Uiguren ernannt und heulen auf, wenn Pakistan sich weigert, seinen jahrzehntelangen Partner zu kritisieren. Aber konnten wir vom Westen etwas anderes erwarten?
Übersetzt aus dem Englischen.
Tom Fowdy ist ein britischer Autor und Analytiker für Politik und internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Ostasien.
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