Haaretz: Netanjahu schredderte illegal Akten vor Amtsübergabe in Israel

Benjamin Netanjahu führte zwölf Jahre lang Israel als Regierungschef, die letzten davon ohne Mehrheit im Parlament. Eine bunte Koalition löste ihn vor Kurzem ab. Er ist in Korruptionsskandale verwickelt, es laufen Gerichtsverfahren gegen ihn.

Der ehemalige israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hat laut einem Medienbericht das Schreddern von Dokumenten am Sonntag, kurz vor der Amtsübergabe an seinen Nachfolger Naftali Bennett, befohlen. Das berichtete die liberale israelische Zeitung Haaretz unter Berufung auf Mitarbeiter Netanjahus, die unbenannt blieben. Es sei unklar, wie viele Dokumente zerstört wurden oder welche Informationen sie enthielten.

Ein Sprecher Netanjahus wies die Vorwürfe vehement zurück, nannte den Bericht eine "totale Lüge" und deutete an, dass "so etwas nie passiert ist".

Das Büro des Premierministers, das nun von Bennett geleitet wird, erklärte, es sei "mit diesem Thema nicht vertraut", versprach aber, "die Details zu untersuchen".

Sollten die Vorwürfe bestätigt werden, könnte die Vernichtung von Dokumenten aus dem Büro des Premierministers als Verstoß gegen israelisches Recht gewertet werden, das vorschreibt, dass Papiere über Angelegenheiten ehemaliger Premierminister ordnungsgemäß gekennzeichnet und zur Ablage in ein Archiv gebracht werden, damit der nächste Premierminister und seine leitenden Beamten theoretisch darauf zugreifen können.

Die fraglichen Dokumente sollen sich im sogenannten "Aquarium" befunden haben. Es handelt sich dabei um einen speziellen, sterilen Bereich im Büro des Premierministers, in dem Büropläne, Papiere zum Tagesgeschäft und andere potenziell sensible Materialien aufbewahrt werden.

Gilad Kariv, ein Mitglied der Fraktion der Arbeitspartei im israelischen Parlament, die Teil der neuen Regierung ist, hat das Büro des Generalstaatsanwalts aufgefordert, eine Untersuchung über das angebliche Schreddern von Dokumenten anzuordnen und andere ausscheidende Netanjahu-Beamte zu zwingen, Papiere, die sich auf ihre früheren Regierungsämter beziehen, ihren Nachfolgern zu übergeben.

Um einen Kommentar zur angeblichen Vernichtung der Dokumente gebeten, bezeichnete der ehemalige Premierminister Ehud Olmert die mögliche Entwicklung als höchst unangemessen. "Ich habe am Ende meiner Amtszeit nicht einen einzigen Zettel geschreddert. Ich kann mich an kein einziges Dokument erinnern, das wir im Büro des Premierministers geschreddert haben ... Wir haben nicht einmal in Erwägung gezogen, irgendetwas anzurühren."

Einige israelische Politiker, die jetzt Teil der neuen Regierung sind, sowie Aktivisten, die gegen Netanjahu sind, hatten zuvor versucht, die öffentliche Freigabe von Dokumenten aus Netanjahus Büro zu erzwingen. Am Mittwoch forderte Verteidigungsminister Benny Gantz, der eine kurzlebige Koalitionsregierung mit Netanjahu und dem Likud führte und Chef der "Blau-Weißen" Partei ist, Bennett auf, auf eine Änderung der Vorschriften zu drängen, damit die Protokolle von geheimen Kabinettssitzungen, die mit der Corona-Pandemie zu tun haben, öffentlich gemacht werden können. 

Zudem hat die Bewegung für Informationsfreiheit, eine israelische NGO, versucht, Bennett zu beeinflussen, um die Papiere verfügbar zu machen.

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