von Tom Fowdy
Wie zu erwarten war, wurde beim G7-Gipfel am vergangenen Wochenende ein besonders starker Fokus auf China gelegt. Zu den verabschiedeten Beschlüssen gehörte auch ein Plan, Pekings massivem, transkontinentalem Infrastruktur- und Investitionsvorhaben, der Belt and Road-Initiative (Neue Seidenstraße – BRI), mit einer vom Westen vorgeschlagenen "Alternative" entgegenzutreten.
Der Plan mit dem Titel "Build Back Better" sieht vor, dass sich die Staats- und Regierungschefs der G7 dazu verpflichten, zur Eindämmung Chinas beizutragen und den Bedarf neuer Infrastruktur in Entwicklungsländern mit Geldern aus dem Privatsektor zu decken. Peking verurteilte den zunehmend antichinesischen Ton des G7-Treffens und wies darauf hin, dass eine kleine Gruppe von Nationen keine globale Politik diktieren könne.
In Wirklichkeit ist die angekündigte Alternative der G7 keine wirkliche Alternative – sie lässt sich besser als verklärter PR-Gag beschreiben, der die strukturellen Faktoren nicht berücksichtigt, welche den Erfolg und die Attraktivität der chinesischen BRI überhaupt ausmachen. Das, was die G7 vorgeschlagen haben, kommt dem chinesischen Projekt nicht einmal nahe.
Zuallererst ist es wichtig zu verstehen, was die BRI ist und warum sie so wichtig ist. Pekings Projekt war Gegenstand vieler Missverständnisse und Fehldarstellungen in den Mainstream-Medien, wo es fälschlicherweise als "Schuldenfalle" für die teilnehmenden Nationen bezeichnet wurde. Dies ist ein mangelhafter Diskurs, der ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des "chinesischen Expansionismus" geführt wird, sowie mit der Behauptung, dass Peking ärmeren Ländern bewusst Schulden aufgebürdet, um geopolitischen Einfluss zu gewinnen. In Wirklichkeit ist die BRI ein Projekt, das einer chinesischen Denkweise entspringt, die aus der Mao-Ära stammt, in welchr der Begriff des "globalen Südens" definiert und in der die Vernetzung mit den Ländern dieses globalen Südens als eine Form von Solidarität betrachtet wurde.
In den 1960er Jahren, im Windschatten des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion, formulierte Mao mit seiner "Drei Welten-Theorie" die Idee von China als der führenden Nation innerhalb der blockfreien "postkolonialen Welt". Nationen in Afrika und im Nahen Osten, Asien und Lateinamerika, die erst kürzlich ihre Unabhängigkeit erlangt hatten und versuchten, ihre eigene Souveränität aufrechtzuerhalten, sollten unter einem Schirm vereint werden. Dies legte den Grundstein für Chinas Beziehungen zu diesen Ländern, und damit verbunden entstanden eine Reihe von Prinzipien und Normen, darunter territoriale Integrität, nationale Souveränität und Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. Die BRI wird daher von China als eine Form der "Entwicklungssolidarität" mit dem globalen Süden verstanden.
Mit ihrer eigenen Vision der wirtschaftlichen Globalisierung versucht die BRI-Initiative, Länder auf mehreren Kontinenten durch massive Investitionen in dessen Infrastruktur zu integrieren, um damit einen gemeinsamen Entwicklungspfad zu beschreiten und gleichzeitig Chinas strategische Bedürfnisse zu bedienen. Die Popularität der BRI rührt von der Tatsache her, dass China seinen Investitionen keine "politischen Zügel" anlegt, was es den beteiligten Nationen ermöglicht, sich zu entwickeln, ohne Zugeständnisse an westliche Regierungen und Institutionen machen zu müssen, die in der Vergangenheit Finanzhilfen oft dazu missbraucht haben, um in den jeweiligen Ländern tiefgreifende politische und wirtschaftliche Veränderungen durchzusetzen. Dadurch ist es gelungen, die BRI als hierarchisches Projekt zu gestalten, bei dem mehrere staatliche Unternehmen und Banken ohne bürokratischen Schnickschnack koordiniert werden. Dies hat der BRI eine effektive Wirksamkeit verliehen, bei gleichzeitiger geringer Verantwortung für die koordinierenden Regierungen – auch wenn der Westen argumentiert, dass dies im Hinblick auf "Regulierung" problematisch sei.
Insofern sollte es selbsterklärend sein, warum der Westen keine ernsthafte Alternative dazu anbieten kann. Erstens wollen die G7-Staaten auf private Finanzierungen zurückgreifen, haben aber selbst keinen Cent zugesagt. Die Hauptmotivation privater Investitionen ist jedoch stets das Gewinnpotenzial. Wer investiert Milliarden in hoch riskante Projekte in armen Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo oder Pakistan, so wie es die BRI tut? Oder gar in feindliche Staaten wie Iran? Das heißt nicht, dass der Westen zu nichts fähig wäre. Japan beispielsweise verfügt über ein glaubwürdiges privates Portfolio für Infrastrukturprojekte, das für die Entwicklung von Eisenbahnprojekten genutzt werden könnte. Aber kann dies genauso schnell, effektiv und politisch visionär geschehen, wie es China handhabt?
Der China-Pakistan-Wirtschaftskorridor zum Beispiel ist ein großartiger Plan, um die pakistanische Wirtschaft, trotz offensichtlicher Risiken, radikal zu reformieren. Während der Westen mal hier, mal da auf die Finanzierung einiger Ad-hoc-Projekte setzt, fehlt ihm einfach der Wille – und die Kapazität –, ein Superprojekt in der Größenordnung des BRI ins Leben zu rufen. Wäre der Westen außerdem bereit, Kompromisse bei Fragen von "Werten" und "Standards" einzugehen, damit Projekte in Gang gebracht werden können?
Bemerkenswert ist, dass bei der Pressekonferenz des Weißen Hauses zum G7-Plan festgehalten wurde, dass es keinen koordinierten regionalen Schwerpunkt oder gar eine koordinierende Organisation zwischen den beteiligten Nationen geben solle. Dieses Konzept kann auf keiner Ebene mit China konkurrieren, das sein politisches System nutzt, um alle Ressourcen auf einfache Weise auf bestimmte Ziele hin zu koordinieren.
Somit ist die Schlussfolgerung zum jetzigen Zeitpunkt offensichtlich: Die "Build Back Better"-Initiative verspricht viel, hat aber keinen praktischen Weg aufgezeigt, wie diese gesteckten Ziele überhaupt erreicht werden sollen oder können. Das Projekt nimmt die Auswirkungen und Herausforderungen des Aufbaus von Infrastrukturen in Entwicklungsländern nicht ernst und scheint einfach eine weitere Möglichkeit unter vielen zu sein, mit der man sich der Volksrepublik China entgegenstellen will.
Die BRI ist kein bösartiges Streben nach globaler Vorherrschaft, sondern eher die Erweiterung langjähriger Beziehungen Chinas zu Entwicklungsländern. Dies bedeutet in Kombination mit den Mechanismen des chinesischen Staates, dass das, was die G7 vorgeschlagen haben, niemals eine "Alternative" im herkömmlichen Verständnis des Begriffs sein kann.
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