Wie ordnen Sie das Treffen zwischen Joe Biden und Wladimir Putin ein? Wurden Ihrer Meinung nach Fortschritte gemacht?
Ich halte dieses bilaterale Treffen für ein sehr wichtiges Signal, auch wenn beide Seiten von Beginn an die Erwartungen gedämpft hatten. Es war ein Treffen auf Augenhöhe. Direkte Vier-Augen-Gespräche sind nicht zu unterschätzen, da kann immer auch eine Eigendynamik entstehen. Wir wissen nicht, ob es vielleicht mehr Vertraulichkeit und mehr Themen gab, als nach außen gezeigt wird. Fortschritte sehe ich in der Rückkehr der Botschafter und in der Vereinbarung eines bilateralen strategischen Stabilitätsdialoges über Rüstungskontrolle und Cybersicherheit.
Was waren die großen Themen?
Die wichtigsten Punkte sind Rüstungskontrolle, Cybersicherheit, der Ukraine-Konflikt und das Minsker Abkommen, der Mittlere und Nahe Osten und das Bekenntnis, einen neuen Kalten Krieg verhindern zu wollen. Denn die Welt kann sich keinen neuen Kalten Krieg leisten. Angesichts der globalen Herausforderungen der Corona-Pandemie, der sozialen Ungleichheit und der Klimaveränderung benötigen wir dringend mehr internationale Zusammenarbeit. Das gilt auch für China.
Sehen Sie Auswirkungen des Treffens auf die deutsche Politik?
Die deutsche Außenpolitik orientiert sich an den USA, insofern hoffe ich, dass auch ein Hauch von Entspannungspolitik durchs Außenministerium weht. Bisher ist der deutsche Außenminister kaum mit Ideen für Verständigung und Rüstungskontrolle, geschweige denn dem Hinterfragen der Sanktionspolitik gegenüber Russland aufgefallen.
Es habe bei dem Treffen am Mittwoch in Genf keine Feindseligkeiten gegeben, berichtete Putin. Beide Seiten hätten gezeigt, dass ihnen daran gelegen sei, einander zu verstehen. Was sind nun mögliche nächste Schritte auf dem Weg zu einer besseren Beziehung?
Die Einrichtung eines dauerhaften strategischen Gesprächsmechanismus auf Arbeitsebene wäre ein wichtiger Schritt. Dies könnte durch die Wiederaufnahme hochrangiger Treffen im Rahmen des NATO-Russland-Rates flankiert werden. Gleichzeitig liegt es an den USA, den einseitigen Ausstieg aus wichtigen Verträgen über Abrüstung und Rüstungskontrolle wie INF und Open Sky zu revidieren und in neue Gespräche darüber einzutreten.
Denken Sie, dass es Anzeichen dafür gibt, gewisse Sanktionen zu lockern?
Dies wäre überfällig, meine Fraktion hat sich immer für ein Ende der Sanktionen gegenüber Russland eingesetzt. Allerdings bin ich da eher skeptisch, denn bisher haben die EU und die Bundesregierung eher immer wieder neue Sanktionen ins Spiel gebracht, auch in der jüngsten Krise im Ukraine-Konflikt.
Wie sollten sich Deutschland und auch Europa in Zukunft positionieren?
Die Botschaften des jüngsten NATO-Gipfels und des G-7-Gipfels waren von Konfrontationen gegen China und Russland geprägt, die stark an die Kalte-Kriegs-Rhetorik erinnerten. Die Betonung der angeblichen militärischen Bedrohung durch Russland ist aber nicht im Sicherheitsinteresse Deutschlands und Europas. Frieden in Europa kann es nur mit und nicht gegen Russland geben. Dies müsste die Bundesregierung deutlich aktiver vertreten.
Gerade im Hinblick auf den 80. Jahrestag des Überfalles Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni wäre es von entscheidender Bedeutung und historisch angemessen, in Erinnerung an die mehr als 27 Millionen sowjetischen Opfer, neue Schritte der Vertrauensbildung zu gehen. Die Fraktion Die Linke hat dafür einen deutsch-russischen Freundschaftsvertrag, ähnlich dem Vertrag mit Frankreich, vorgeschlagen. Wir sind Nachbarn in Europa und ein nachbarschaftliches Verhältnis sollte endlich mit Leben gefüllt werden durch Kulturaustausch, Sport, Begegnung von Jugendlichen und die Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen.
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