Wiktor Medwedtschuk, ein Abgeordneter der des ukrainischen Parlaments, der Werchowna Rada, wurde am Dienstag in einem Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats als Verdächtiger genannt. Eine ähnliche Anschuldigung wurde auch gegen Medwedtschuks Mitstreiter Taras Kosak erhoben, ebenfalls ein Parlamemtsabgeordneter. Der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) durchsuchte Medwedtschuks Haus in Kiew und die Zentrale seiner Partei "Oppositionsplattform - Für das Leben", deren Vorsitzender er ist.
Der ukrainischen Generalstaatsanwältin Irina Wenediktowa zufolge wird gegen die beiden Politiker wegen des Verdachts auf Landesverrat ermittelt. Derzeit wird geprüft, ob es zu einer Anklage kommt.
Später gab Wenediktowa bekannt, dass der Strafprozess drei Anklagepunkte umfassen würde: Übergabe von Informationen über Standorte der ukrainischen Streitkräfte an russische Geheimdienste, Übergabe eines Gasfeldes im Asowschen Meer an Russland und Sabotage durch Gründung einer Organisation zur Rekrutierung von Ukrainern in Russland. Angeblich hatten die Angeklagten versucht, Ukrainer zu rekrutieren, die in der Russischen Föderation arbeiten oder studieren sollten, um auf dem Territorium der Ukraine "russische Propaganda" zu verbreiten und Einfluss auf die Innenpolitik des Landes zu nehmen. Wenediktowa wörtlich:
"Medwedtschuk als Anführer einer illegalen Tätigkeit, der enge Beziehungen zur obersten Führung der Russischen Föderation unterhält, beging der Untersuchung zufolge subversive Aktivitäten gegen die Ukraine, auch im wirtschaftlichen Bereich."
Nach ukrainischem Recht droht den Abgeordneten eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren.
Medwedtschuk wies die Vorwürfe entschieden zurück und bezeichnete die Anschuldigungen als politische Verfolgung. Nach dem Besuch des Büros der Generalstaatsanwältin betonte der Politiker gegenüber Journalisten, er werde in der Ukraine bleiben und Gerechtigkeit suchen. Medwedtschuk sprach von einem Machtmissbrauch und erklärte, er sei auf eine Verhaftung vorbereitet:
"Ich möchte Ihnen sagen, dass ich zu jedem Ergebnis bereit bin. Aber ich denke, dass dies illegal ist und einen groben Verstoß gegen die Normen der Verfassung und der aktuellen Strafprozessgesetzgebung darstellt, denn dafür gibt es keinen Grund."
Der Oppositionspolitiker unterstrich, er sei unschuldig und bereit, sich zu verteidigen.
Kremlsprecher Dmitri Peskow kommentierte am Dienstag gegenüber Journalisten die Ermittlung gegen Medwedtschuk und teilte mit, der ukrainische Oppositionsführer habe sich wegen politischen Asyls nicht an Moskau gewendet. Peskow zufolge hat Russland nicht vor, sich in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einzumischen. Jedoch wolle der Kreml sicherstellen, dass es sich in diesem Fall nicht um eine politische Verfolgung handelt:
"Wir möchten sicherstellen, dass dieser Fall keine politische Verfolgung darstellt und keine Kampagne ist, die darauf abzielt, politische Konkurrenten loszuwerden. Dies wäre natürlich aus Sicht eines modernen Staates inakzeptabel."
Außerdem lehnte der Sprecher die Mutmaßung ab, dass Medwedtschuk ein prorussischer Politiker sei. Nach Ansicht Peskows ist Medwedtschuk ein ukrainischer Politiker, der sich für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland einsetzt.
Im Jahr 2019 hatten die ukrainischen Behörden bereits gegen Medwedtschuk wegen des Verdachts auf Hochverrat ermittelt. Grund hierfür waren die Worte des Abgeordneten über eine Notwendigkeit, eine "autonome Region Donbass" mit eigenem Parlament und eigener Regierung zu schaffen. Schließlich wurde das Verfahren mangels Straftatbestand eingestellt. Vor Monaten verhängte die Ukraine Sanktionen gegen Medwedtschuk und Kosak.
Außerdem schalteten die ukrainischen Behörden die Fernsehsender 112 Ukraina, NewsOne und ZIK ab, die Kosak gehörten, und beschlagnahmten das Vermögen von Medwedtschuk und dessen Frau Oksana Martschenko. Den Abgeordneten der Opposition wurde die Verwicklung in die Lieferung von Kohle aus den selbsternannten Republiken Donezk und Lugansk nach Russland vorgeworfen.
Wiktor Medwedtschuk gilt als der einflussreichste ukrainische Oppositionspolitiker, der sich für Föderalismus und eine Annäherung an Russland einsetzt. Er war unter anderem ein Gesandter der Ukraine bei den Minsker Vermittlungen über den Konflikt in der Ostukraine.
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