Eine kürzlich erschienene Reihe von Berichten über israelische Angriffe auf Ziele in Iran habe Sicherheitsbeamte in Israel dazu veranlasst zu untersuchen, ob es politische Funktionäre gebe, die die Spannungen mit Iran für eigene persönliche Belange und den Wettbewerb um Prestige nutzen wollten, berichtete Haaretz. Die jüngsten Berichte, in denen anonyme israelische und US-amerikanische Beamte mehrfach zitiert wurden, offenbarten, dass Israel hinter dem Angriff auf die iranische Urananreicherungsanlage in Natanz steckte.
Die westliche Berichterstattung bereitet einigen israelischen Sicherheitsbeamten nun Sorgen, da es zu einer möglichen unerwünschten Zunahme der sicherheitspolitischen Spannungen in Israel kommen könnte. Einige dieser Berichte sollen "Teil eines Prestigekampfes unter den Sicherheitsbehörden und politischen Beamten" gewesen sein, die versuchen, Sicherheitsmaßnahmen zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz sagte am Montag, er habe den Generalstaatsanwalt gebeten, "Sicherheitslücken" zu untersuchen, nachdem eine Operation "mit hohem Risiko" einen Tag vor ihrer Durchführung in die westlichen Medien durchgesickert sei. Iran könnte diese Berichte als gezielte Provokationen interpretieren, auf die er mit harten Maßnahmen reagieren könnte.
Auf die iranische Nuklearanlage in Natanz in der zentraliranischen Provinz Isfahan wurde am Sonntag ein Angriff verübt, der zum Ausfall der Stromversorgung führte. Der Chef der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, hatte diesen als "nuklearen Terrorismus" bezeichnet. Die iranische Führung räumte am Montag Schäden an der Atomanlage Natanz ein und machte Israel dafür verantwortlich. Bei dem Angriff seien lediglich Zentrifugen der ersten Generation vom Typ IR-1 beschädigt worden. Die Rechnung, Irans Atomprogramm zu behindern, gehe jedoch nicht auf, berichteten iranische Medien.
Laut westlichen Medien hätte Iran die Folgen des Angriffs heruntergespielt. Einem Bericht der New York Times zufolge gab es in der Atomanlage eine große Explosion. Dadurch sei das gesamte, stark geschützte, autarke interne Stromnetz zerstört worden. Es könne neun Monate dauern, bis Iran die Urananreicherung wieder aufnehmen kann. Die Jerusalem Post meldete jedoch den Verdacht, ein Cyberangriff Israels könne eine Explosion ausgelöst haben.
Der ständige Vertreter Irans bei den in Wien ansässigen internationalen Organisationen betonte jedoch vor Kurzem, dass die Urananreicherung in der gesicherten Atomanlage in Natanz trotz der Sabotage nicht gestoppt worden sei. In einem Fernsehinterview am Montag sagte Kazem Gharibabadi, der auch Irans Botschafter bei der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) ist, dass die beschädigten IR-1-Zentrifugen in kürzester Zeit durch andere ersetzt worden seien, die eine um 50 Prozent höhere Anreicherungskapazität aufweisen, hieß es auf Press TV.
Dabei ist anzumerken, dass Israel den Angriff wohl als sein wichtigstes Druckmittel bei den jüngsten Verhandlungen über das Atomprogramm mit Iran in Wien sieht, nachdem die vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump initiierte Kampagne des maximalen Drucks auf Teheran auf ganzer Linie gescheitert war.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu berief mittlerweile die erste Sitzung des Sicherheitskabinetts seit zwei Monaten ein, um am kommenden Sonntag über die zunehmenden Spannungen mit Teheran zu diskutieren.
Im Jahr 2007 hatte eine Explosion in der Energieversorgung Dutzende Zentrifugen in Natanz zerstört. 2010 wurden dort sogar mehr als 1.000 Zentrifugen durch Steuerungsbefehle des Schadvirus Stuxnet zerstört, der von Israel und den USA entwickelt worden sein soll. Im Oktober 2020 wurde berichtet, dass iranische Hacker, die von der Iranischen Revolutionsgarde beauftragt worden seien, prominente israelische Unternehmen mit einer Reihe von "Ransomware-Angriffen" ins Visier genommen hätten. Iran und Israel befinden sich unter anderem in einem Cyberkrieg, der sich in den vergangenen Jahren immer mehr zuspitzte.
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