In der jüngsten Zeit gab es eine Vielzahl an internationalen Solidaritätsbekundungen für den derzeit im Belmarsh-Gefängnis in London inhaftierten WikiLeaks-Gründer Julian Assange. Selbst Papst Franziskus erklärte am 28. März seine Unterstützung für den Journalisten. Zuvor trafen sich drei australische Abgeordnete mit einem hohen Beamten in der US-Botschaft in Canberra, um sich für die Freilassung Assanges einzusetzen.
Assange droht eine Gefängnisstrafe von bis zu 175 Jahren, sollte er an die USA ausgeliefert und wegen Vergehen unter dem sogenannten "Espionage Act" verurteilt werden. Washingtons Anklage gegen Assange umfasst insgesamt 18 Anklagepunkte, darunter Spionage und Missbrauch von Computern im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von mehr als 250.000 geheimen Dokumenten über US-Operationen im Irak und in Afghanistan über die Whistleblower-Plattform WikiLeaks.
Assange fand 2012 Asyl in der Botschaft Ecuadors in London, aber sein diplomatischer Schutz an diesem Zufluchtsort wurde im April 2019 aufgehoben. Kurz darauf wurde er von den britischen Behörden noch innerhalb des Botschaftsgebäudes verhaftet und anschließend in einem Londoner Hochsicherheitsgefängnis inhaftiert. Der US-amerikanische Antrag aus Washington, D.C. auf Auslieferung von Assange wurde im Januar 2021 von einem britischen Gericht lediglich mit der Begründung abgelehnt, dass man sich Sorgen um seine psychische Gesundheit mache sowie darüber, wie sich diese unter US-Haftbedingungen weiter verschlechtern könne.
Fidel Narváez, ehemaliger Botschaftsrat in der ecuadorianischen Botschaft, erklärte im Interview mit RT, dass er sich am Tag der Verhaftung Assanges durch die britischen Behörden, die vor genau zwei Jahren stattfand, für seine ecuadorianische Regierung geschämt hatte:
"Ich fühle mich beschämt, dass diese Regierung einer fremden Macht erlaubte, die Tür zu öffnen und einen politischen Flüchtling zu kidnappen, wortwörtlich zu kidnappen. Das ist noch nie in der Geschichte passiert."
Ecuador sei früher stolz darauf gewesen, die Menschenrechte und das Recht auf politisches Asyl hochzuhalten. Doch Ecuadors damaliger Präsident Lenín Moreno hätte "die Demokratie, das ecuadorianische Volk und Julian Assange betrogen". Narváez wies zudem nochmals darauf hin, dass Assange während seiner Zeit in der Botschaft die ecuadorianische Staatsbürgerschaft erhalten habe. Nach der Verfassung des lateinamerikanischen Landes können Staatsbürger Ecuadors jedoch nicht an andere Staaten ausliefert werden, auch deshalb sei das damalige Vorgehen laut Narváez illegal gewesen.
Der ehemalige Botschaftsrat ist zudem der Meinung, dass die Mainstream-Medien wenig Interesse an dem Fall zeigten, und zwar weil Assange nicht nur Kriegsverbrechen aufgedeckt hatte, sondern auch gezeigt hätte, wie die Medien-Maschinerie hinter den Kriegen funktioniert:
"Julian stellte auch die Medien bloß."
Es sei jedoch besorgniserregend, dass die Medienvertreter nicht wahrnehmen, wie gefährlich dies für den gesamten Journalismus sei. Der UN-Sonderberichterstatter für Folter Nils Melzer, dessen Team zu dem Schluss kam, dass der Journalist seit Längerem Symptome psychologischer Folter zeigt, hatte bereits in der Vergangenheit erklärt, dass Assange bei einer Auslieferung an die USA eine "Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen in nahezu vollständiger Isolation" drohen werde.
Auch in diesem Interview mit RT bestätigte Melzer, dass Assange verschiedenen Formen von unmenschlicher Behandlung ausgesetzt war, die auf eine Form der psychologischen Folter hinausliefen. Zwei andere Experten, die sich jahrelang mit den Symptomen von Folter beschäftigten, wären unabhängig voneinander ebenfalls selbst zu diesem Urteil gekommen. Im Falle einer Auslieferung an die USA könne Assange zudem keinen fairen Prozess erwarten.
"Nur um daran zu erinnern: Ihm droht eine Freiheitsstrafe von 175 Jahren, weil er die Wahrheit über die Verbrechen und die Korruption von Regierungen enthüllt hat, während niemand für die Verbrechen, die sehr schweren Verbrechen, die durch WikiLeaks enthüllt wurden, verfolgt oder sanktioniert wurde."
Auch die Rolle der Regierungen und Mainstream-Medien im Fall Assange sieht Melzer kritisch: Die Regierungen waren Melzer zufolge zusammen mit den Medien erfolgreich darin, ein gewisses Narrativ über Assange zu erzeugen:
"Darüber, dass er ein narzisstischer Verräter, ein Hacker sei, dass er dafür verantwortlich wäre, dass Präsident Trump gewählt wurde, dass er ein Vergewaltiger sei, und all das, ohne dass es einen Beweis dafür gibt, der diese Behauptungen stützt."
Der Regierung sei es dadurch gelungen, den ganzen öffentlichen Diskurs umzudrehen:
"Man hat eine öffentliche Debatte über Assange erzeugt, während es im Fall Assange gar nicht wirklich um Assange geht: Es geht um die Staaten und deren Fehlverhalten. Aber darüber diskutiert niemand."
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