Undiplomatischer Schlagabtausch zwischen China und den USA beim Außenminister-Treffen

Vor laufenden Kameras lieferten sich die ranghöchsten Außenpolitiker Chinas und der USA ein Wortduell – ohne Rücksicht auf diplomatisches Protokoll. Beide Seiten warfen sich Menschenrechtsfragen an den Kopf: Die USA verwiesen auf Xinjiang und Hongkong, China auf Black Live Matters.

Beim ersten offiziellen Treffen zwischen hochrangigen Politikern der Volksrepublik China und der USA seit der Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden kam es gestern in Anchorage (Alaska) zwischen US-Außenminister Antony Blinken und dem obersten Diplomaten der Kommunistischen Partei Chinas Yang Jiechi zu einem Wortgefecht vor laufenden Kameras. Entgegen dem vereinbarten diplomatischen Protokoll und noch im Beisein der Journalisten startete Blinken das Treffen mit heftigen Vorwürfen gegen China. Blinken sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters wörtlich:

"Wir werden unsere tiefe Besorgnis über die Handlungen Chinas ansprechen, einschließlich Xinjiang, Hongkong, Taiwan, Cyber-Attacken auf die Vereinigten Staaten, ökonomischen Drucks auf unsere Verbündeten. Jede dieser Handlungen gefährdet die regelbasierte Ordnung, die die globale Stabilität sichert."

Blinken betonte, die angesprochenen Themen seien keine inneren Angelegenheiten Chinas, und die USA fühlten sich verpflichtet, diese Themen anzusprechen.

Die chinesische Seite fühlte sich offensichtlich mit diesen Kamerabildern vor den Kopf gestoßen. Yang Jiechi antwortete mit einer 15-minütigen Ansprache auf Chinesisch – mit Unterbrechungen für die Übersetzung ins Englische. Er betonte, die US-Seite habe sich nicht an das "notwendige diplomatische Protokoll gehalten". Daher sehe China es als notwendig an, seine Position ebenfalls klar zu machen:

"Ich sage es hier deutlich: Aus Sicht der chinesischen Seite sind die USA nicht dafür qualifiziert, mit China aus einer Position der Stärke heraus zu sprechen."

Die USA seien keinesfalls die Repräsentanten der öffentlichen Meinung. Sie sollten sich um ihre eigenen Probleme in Sachen Menschenrechte und Einhaltung der Demokratie kümmern. Yang betonte die schlechte Behandlung von Minderheiten in den USA selbst, wie es etwa die Black Lives Matter-Proteste zeigten. Zudem kritisierte er die Außen- und Handelspolitik der USA:

"Die USA setzen ihre militärische Macht und ihre finanzielle Hegemonie ein, um ihren eigenen Geltungsbereich zu erweitern und andere Länder zu unterdrücken. […] Sie missbrauchen den Begriff der sogenannten Nationalen Sicherheit, um den normalen Handelsaustausch zu blockieren und stacheln andere Länder zum Kampf gegen China an."

Dieser Schlagabtausch beider Seiten zog sich etwa eine Stunde hin. Erst danach wurden die Medienvertreter aus dem Saal geleitet.

Im Nachgang des Treffens bezichtigten sich beide Seiten gegenseitig, gegen das diplomatische Protokoll verstoßen zu haben. Ein US-Diplomat äußerte nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters, die chinesische Delegation habe ein Niveau von "Effekthascherei" erreicht und bevorzuge "öffentliches Theater und Drama anstelle inhaltlicher Substanz". Solche "übertriebenen Darstellungen" seien eher etwas für das heimische chinesische Publikum.

Die chinesische Seite warf den USA hingegen "Ungastlichkeit" vor. Ein Repräsentant der chinesischen Delegation sagte dem chinesischen Fernsehsender CCTV, die Chinesen seien mit "großer Ernsthaftigkeit" zu dem Treffen gekommen. Die US-Seite jedoch habe von Anfang an "das diplomatische Protokoll verletzt". Sie hätte ihre Redezeit überzogen, machte "unhaltbare Angriffe und Unterstellungen über die chinesische Innen- und Außenpolitik" und "provozierte Streit". Die Umgangsweise der USA mit China sei kein Zufall, sondern der Ton der neuen US-Administration.

"Das ist keine Art, wie man seine Gäste behandelt."

Der US-Außenminister fasste die Position seines Landes zu China folgendermaßen zusammen:

"Das Verhältnis der Vereinigten Staaten zu China wird konkurrierend sein – wenn nötig, zusammenarbeitend – wenn möglich, und feindselig – wenn es sein muss."

Wie die diplomatischen Kontakte zwischen den USA und der VR China weitergehen, ist offen. So ging der chinesische Außenminister davon aus, bei dem Treffen in Alaska handele es sich um den Beginn eines " ranghohen strategischen Dialogs". Dafür waren sowohl der ranghöchste chinesische Diplomat Yang Jiechi als auch der chinesische Außenminister Wang Yi angereist. China stellte zudem einen virtuellen Gipfel zwischen dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und dem US-Präsidenten Joe Biden in Aussicht. Die US-Seite relativierte hingegen, es handele sich um ein einfaches Treffen. Die Wünsche der chinesischen Seite nach einer Aufhebung von US-Sanktionen gegen chinesische Unternehmen konterten die USA bereits vor Eröffnung des Treffens mit einer Erneuerung entsprechender Sanktionen.

Mehr zum Thema - Vor China-USA-Gipfel in Alaska: Peking zeigt sich optimistisch – Washington äußert Vorbehalte